Missachtung

Missachtung

Verachtung ist eine negative menschliche Emotion, die durch die Betrachtung einer anderen Person als moralisch minderwertig entsteht.[1] Nach Meyers Enzyklopädie von 1905 ist „Verachtung, das Gefühl, das der Voraussetzung persönlichen Unwertes bei sich selbst (Selbstverachtung) oder bei anderen (Verachtung anderer) entstammt“.[2] Es handelt sich um das Gegenteil von Achtung. Das Wort verachten stammt vom mittelhochdeutschen verahten.

Inhaltsverzeichnis

Verachtung in der Emotionspsychologie

In der Emotionspsychologie wird Verachtung entweder als spezielle Formen von Ekel betrachtet,[3] oder von Ärger (speziell Wut)[4] oder als eine Mischung aus beiden Emotionen.[5]

Nach der Ansicht bestimmter Emotionsforscher (z.B. Paul Ekman) gehört Verachtung zu den menschlichen Basisemotionen, deren mimischer Ausdruck angeboren ist. Er ist in allen Kulturen gleich und wird kulturübergreifend entsprechend decodiert bzw. erkannt.[6] Nach Auffassung von Robert Plutchik, einem anderen namhaften Emotionsforscher, ist Verachtung insofern keine Basisemotion, als sie aus Ekel und Ärger (Wut) zusammengesetzt sei.[7]

Unabhängig davon, ob Verachtung eine Basisemotion darstelle oder nicht, besteht Einigkeit darüber, wie Verachtung entsteht: durch die Bewertung einer anderen Person als moralisch minderwertig.

Entstehung

Verachtung entsteht durch die Bewertung einer anderen Person als minderwertig. In streng hierarchischen Kulturen entsteht Verachtung somit durch den sozialen Rang oder das Prestige, das eine Person innehat, und verläuft „nach unten“. In egalitären Kulturen entsteht Verachtung durch die Bewertung, ob eine Person den entsprechenden sozialen Rang, den sie innehat, und das damit einhergehende Prestige, verdiene.[8] Somit scheint es in demokratischen Kulturen möglich zu sein, Verachtung auch gegenüber sozial höher Stehenden zu empfinden, beispielsweise „zu Verachtung des Chefs durch seine Arbeiter, zu Verachtung der Oberschicht durch die Arbeiterschicht, und zur Verachtung von selbstproklamierten Eliten jeglicher Art“ (Haidt, 2001, S. 858).

Auswirkungen

Die Hauptauswirkung von Verachtung ist eine überdauernde Abwertung der Person in allen möglichen Bereichen und einer damit einhergehenden Nicht-Beachtung der entsprechenden Person oder sozialen Gruppe.[9]

Soziologische Aspekte

Soziologisch betrachtet ist Verachtung anderer Personen als Haltung und soziale Sanktion ein zentraler Bestandteil von Schamkulturen. Als scharfe Form der Exklusion spricht Verachtung dem Verachteten Geltung, Ehre und Ansehen ab, er „verliert sein Gesicht“. (Siehe auch Demütigung.) Auch im heutigen Mitteleuropa spielen Verachtung und Achtung in einigen Subkulturen eine auffällige Rolle, dies reicht von den peer groups von Jugendlichen über das organisierte Verbrechen bis in den Wissenschaftsbetrieb der Universitäten. Empirisch ermittelte Verachtung von Eheleuten untereinander erlaubt eine sehr verlässliche Prognose einer späteren Trennung.

In Schuldkulturen tritt die Signalisierung von Achtung und Verachtung in der sozialen Interaktion[10] – nicht notwendig ihre Bedeutung – hingegen zurück. In diesen Kulturen geht es nicht darum, dass ein Verachteter erneut Ehre gewinnt, sondern darum, dass ein „Sünder“ seine Schuld sühne.

Die ehemalige Verachtung der „unehrlichen Berufe“ ist ein Exklusionsmerkmal der Ständegesellschaft. Jedoch trägt es bis heute zur Missachtung von Berufen bei, wenn deren Vertreter in Ausübung ihrer Tätigkeiten von anderen Anwesenden habituell oft behandelt werden, als ob „sie Luft seien“, z. B. Lakaien, Reinigungspersonal u. a. m. (vgl. Erving Goffman, Interaction Ritual, 1967).

Belletristik

Literarisch wurde die „Verachtung“ vielfach behandelt, etwa in Schillers Handschuh.

„Verächtliche Gebärde“ ist eine in vielen europäischen Sprachen benützte Metapher, zum Beispiel im Französischen „un geste de mépris“ (dt. eine verächtliche Geste) bei Honoré de Balzac und Émile Zola; in deutschsprachigen Texten heißt es: „mit verächtlicher Gebärde“ zum Beispiel bei Willi Bredel, Max von der Grün, Carlo Mierendorff, Otto Stoessl und Ernst Wiechert.

Redewendung

Die Redewendung, „jemanden mit Verachtung strafen“, will besagen, dass man jemanden bewusst ignoriert, ihn absichtlich nicht beachtet.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Haidt, J. (2003), The moral emotions, in: R. J. Davidson/K. R. Scherer/H. H. Goldsmith (Hgg.), "Handbook of affective sciences", Oxford: Oxford University Press, S. 852-870.
  2. http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Achtung
  3. Ekman, P./Friesen, W. V., Unmasking the Face. A Guide to Recognizing Emotions from Facial Clues, Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice-Hall 1975.
  4. Plutchik. R., Emotion. A Psychoevolutionary Synthesis New York: Harper & Row 1980
  5. Plutchik, R. , Emotions and Life. Perspectives from Psychology, Biology, and Evolution, 2002, ISBN 1557989494.
  6. z.B. Paul Ekman: Gefühle lesen - Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren, Spektrum Akademischer Verlag, München 2004, ISBN 3-8274-1494-6; Rezension.
  7. Vgl. z.B. Robert Plutchik: Emotions and Life a.a.O.; s. auch Plutchiks Circumplex-Modell online.
  8. Miller, W. I., The Anatomy of Digust, Cambridge MA: Harvard University Press 1997.
  9. Oatley. K./Johnson-Laird. P. N., The Communicative Theory of Emotions. Empirical Tests. Mental Models. and Implications for Social Interaction, in: L. L. Martin 8r./A. Tesser (Hgg.), Striving and Feeling. Interactions Among Goals. Affect, and Emotion, Mahwah, NJ: ErIbaum 1995.
  10. Vgl. H. Ty/R. L., Achtung, in: W. Fuchs-Heinritz u. a., "Lexikon zur Soziologie", 4. Aufl., Opladen 207, S. 12 f.

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