Mittweidaer Senioren-Cartell

Mittweidaer Senioren-Cartell

Das Mittweidaer Senioren-Cartell ist der Zusammenschluss mehrerer Studentenverbindungen, die auf das ehemalige Technikum Mittweida zurückgehen. Es entstand 1920 als Zusammenschluss Mittweidaer Verbindungen als Mittweidaer Senioren-Convent.

Nach dem Krieg (1961) wurde es als Cartell ehemals in Mittweida ansässiger Verbindungen reaktiviert und umfasst zur Zeit 18 ehemalige Mittweidaer Bünde.

Der MSC bemüht sich zur Zeit, den wohl einzigen Wappenfelsen Deutschlands zu reaktivieren, den es bereits seit dem 19. Jahrhundert an der Talsperre Kriebstein gibt. Dieser Fels, der die Wappen aller in der Stadt Mittweida ansässigen Bünde trug, war in der Zeit der DDR weitgehend unscheinbar und im Jahre 2004 kaum noch erkennbar.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des MSC

Erste Verbindungsgründungen

Das korporative Leben in Mittweida und anderen Standorten von technischen oder Ingenieurschulen gestaltete sich anders, als in den klassischen Universitätsstädten, wie Heidelberg, Marburg oder Münster. Dies liegt unter anderem in der Struktur der Technika oder Technischen Hochschulen begründet. Bei diesen handelte es sich im Wesentlichen um private Bildungsanstalten mit verschultem Curriculum. Die Technikumschüler mussten Schulgeld zahlen und unterlagen einer wesentlich strikteren Aufsicht durch Direktorium und Lehrerkollegium als dies an den Universitäten der Fall war. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass sich die Korporationen in Mittweida erst sehr spät und auch nur vereinzelt überregionalen Dachverbänden und Waffenringen anschlossen. Die meisten Kartelle und Korporationsverbände wurden unter Mittweidaer Korporationen mit rein lokalem Bezug geschlossen.

Korporationen waren dem Mittweidaer Stadtradt und der Leitung des Technikums stets ein Dorn im Auge, da sie als Hort der Unruhe galten und im Verdacht standen, die Ordnung des Technikums und die Studiendisziplin der Schüler zu untergraben. Trotzdem hatte sich um 1867 eine erste studentische Korporation der Polytechnische Verein „Polyhymnia“ gegründet, aus dem 1868 der spätere Techniker Gesangsverein (ab 1905 Sängerschaft) Concordia hervorging.

Bereits diese erste Gründung geriet in Konflikt mit der Technikumsleitung, welche im Jahresbericht des Technikums von 1879 bereits klargestellt hatte: „nach § 5 der „Gesetze für die Besucher des Technikums“ sind Vereine und Gesellschaften nur gestattet, wenn sie ein wissenschaftliches oder allgemeinbildendes Ziel verfolgen und das Studium, sowie den Zweck der Anstalt nicht beeinträchtigen.“ Auf einer Lehrerkonferenz vom 21. März 1870 wurde festgehalten „daß Elemente in denselben (die Polyhymnia, Anmerk. d. Verfassers) Aufnahme gefunden haben, die bloß lächerlichsten studentischen Ideen frönen, von denen gerade das Tragen der Bänder die traurigste war. Wie aus den Prospekten, sowie aus der Hausordnung hervorgeht, haben Schüler nur die von der Anstalt vorgeschriebene Mütze zu tragen. Andere Abzeichen sind vollständig ausgeschlossen.“ Weitere Verbindungen bestanden in Mittweida seit 1876, und zwar

  • das Corps Bavaria,
  • die Burschenschaft Germania
  • sowie die Landsmannschaften Borussia und Saxonia, welche als Fechtvereine firmierten.

Im Jahre 1879 erinnerte die Direktion des Technikums an das Verbot studentischer Verbindungen und erließ die sofortige Auflösung der o. g. Vereine. Aber obwohl die Direktion die Teilnahme an einer Mensur mit der sofortigen Entlassung von der Anstalt bedrohte war der Erfolg dieser Weisung nur mäßig. So bestand das Corps Bavaria bis 1883 fort. Dies führte dazu, dass der Stadtrat, auf Anraten der Technikumsleitung ebenfalls ein Verbot aller studentischen Korporationen aussprach.Diese beiden Verbote verhinderten weitere Neugründungen von Vereinen nicht. Im Januar 1886 verzeichnete das Mittweidaer Wochenblatt Nr. 16 eine Zahl 18 von Technikervereinen, deren Zahl weiter anstieg.

Der Mittweidaer Präsiden-Convent

Bereits am 1883 schlossen sich einige Vereine zum Mitweidaer Präsiden-Convent (MPC) zusammen. Genaue Berichte und Protokolle über dessen Aktivitäten existieren aber erst seit März 1890. Der MPC war nicht durch die Direktion des Technikums legitimiert. Dieses hatte am 11. September 1884 einen Antrag zur Vereinigung der Präsiden aller existierenden Technikervereine abgelehnt. Trotzdem gelang es ihm durch einen hohen Organisationsgrad an Geltung zu gewinnen, so dass der bisher für die Belange der Schüler zuständige, von der Direktion zugelassene Technikerausschuss an Bedeutung verlor. Die Vielzahl der neuen Vereine und studentischen Organisationen veranlasste die Lehrerkonferenz und die Technikumsleitung zu mehrfacher Befassung mit den Vereinen. Mehrfache Gesuche Couleurfreiheit in der Stadt und an der Hochschule zu gewähren, wurden abschlägig beschieden Stattdessen verabschiedete die Lehrerkonferenz am 20. Dezember 1889 ein neues „Regulativ für die Vereine am Technikum“.

In diesem heißt es in § 5: „Sogenannte studentische Verbindungen jeder Art sind strengstens verboten (…). Wer sich zur Bildung einer solchen Verbindung herbeilässt, zur Teilnahme an einer solchen verleitet oder selbst teilnimmt oder mit verbotenen sogenannten studentischen Abzeichen betroffen wird, hat je nach Umständen Ausweisung zu erwarten.“

Das Regulativ verbot ebenso Kartellverhältnisse unter den Vereinen, das Abhalten von Stiftungsfesten und ähnlichen studentischen Veranstaltungen. Nichtbeachtung des Regulativs wurde mit Entlassung von der Hochschule, besonderen Strafen für die Vorstandsmitglieder und im schlimmsten Fall der Zwangsauflösung des Vereins bedroht.

In den Jahren 1890-1895 kam es zu zweifacher Auflösung und Neukonstitution des MPC. Grund hierfür waren unüberbrückbare Differenzen mit der Technikumsleitung. Direktor Weitzel hatte 1890 versucht auf den MPC einzuwirken, dem Techniker-Militärverein (aus dem später die Kameradschaft Alemannia-Mittweida hervorging) dauerhaft die Führungsrolle innerhalb des MPC zu übertragen und kolportiert, mit keinem anderen studentischen Verein über die Belange des Technikums, der Vereine und der Schülerschaft sprechen zu wollen. Die MPC-Vereine, auch der Techniker-Militärverein verweigerten sich hartnäckig diesem Diktum. Dieses Beispiel zeigt unter anderem, wie sehr der MPC und die Vereine sich an die Spitze der allgemeinen Technikerschaft gesetzt und deren Führung übernommen hatten.

Verschärfte Konflikte mit der Technikumsleitung

Im Jahr 1892 nahm Direktor Weitzel seinen Abschied und Direktor ing. Holzt übernahm die Leitung des Technikums. Dieser hatte bereits auf der 25-Jahr-Feier des Technikums die Aussage getätigt, „daß er mit der Zeit alle Vereine am Technikum aufzulösen gedächte“.

Infolge dieses Wechsels erhöhte sich der Druck der Lehrerkonferenz und des Direktorats auf die örtlichen Korporationen. Am 19. Dezember 1892 wurde ein Beschluss der Lehrerkonferenz wirksam, der die Vereinigungen: Anhaltinischer Leseverein (Landsmannschaft Askania), Bairischer Leseverein (Landsmannschaft Bavaria), Holländischer Leseverein (Landsmannschaft Hollandia), Polnischer Leseverein, Schlesischer Leseverein (Landsmannschaft Silesia), Amerikanischer Leseverein, Techniker Militärverein, Ungarischer Leseverein (Landsmannschaft Hungaria) und Techniker Zitherclub verbot. Das Verbot wurde damit begründet, dass die oben genannten Vereine den „ausgesprochenen Charakter von Landsmannschaft trugen und keine wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecke verfolgten.“ Dem Verbot folgten scharfe Proteste in Form einer Denkschrift und heftige Demonstrationen der Technikerschaft, welche in der Schlacht von Sanitas gipfelten.

Inzwischen hatte es 1892 diverse Neugründungen von Vereinen gegeben: Fidelitas, Unitas, Rheno-Guestphalia, Arendsia, Berolina, Mittweidaer Ballspielclub, Alania, Makaria,

Nach einer abermaligen Auflösung des MPC am 30. April 1894 gründete sich 1889 ein neuer Chargierten-Convent (CC) neu. Dieser Mittweidaer CC stand in Konkurrenz zu dem neugegründeten MPC, welcher durch die, teilweise verbotenen, Vereine: Badenia, Bavaria, Brandenburgia, Concordia, Fidelitas, Rossija, Saxonia und Stolzea rekonstituiert wurde. Unter anderem gab es Konflikte in der Mensurfrage. Der MCC riet 1889 seinen Vereinen, „sich aus den Mensuren herauszuhalten.“ Trotz Zugeständnissen der Technikumsleitung, was die Couleurfreiheit anging wuchsen die Repressionen der örtlichen Polizei gegen das Studentische Leben an. In der Nacht vom 22. auf den 23. Januar 1889 veranlassten einige studentische Verbindungen daher eine öffentlichen Auseinandersetzung mit der Polizei, welche in der Festschrift der Hochschule Mittweida von 1992 wie folgt beschrieben wird:

„Hunderte Studenten und auch Mittweidaer Bürger folgten dem Aufruf „[...] sich mit Stöcken bewaffnet […] am Café Sanitas einzufinden, um […] von da aus die Schutzleute Mittweidas mit vereinten Kräften (zu) verkeilen.“

Die Technikumsleitung reagierte auf diesen Exzess mit einem totalen Couleurverbot.

Die Zeit bis zum ersten Weltkrieg

In der Zeit bis zum ersten Weltkrieg verstetigte sich das korporative Leben in Mittweida, trotz des Couleurverbotes. Die farbentragenden schlagenden Verbindungen des MPC erfreuten sich trotz Verbots immer größerer Beliebtheit unter den Technikern. Dies führte dazu, dass die bisher mehrheitlich farbenführenden, nichtschlagenden MCC-Vereine, vermehrt korporative Züge annahmen. Dieser Druck erhöhte sich zusätzlich, als die Technikumsleitung das Vereinsverbot von 1892 im Wintersemester 1901/02 zurücknahm und viele der alten Korporationen wieder öffentlich auftreten konnten, oder rekonstruierten. Vollständige Couleurfreiheit konnte auch in diesen Jahren nicht erwirkt werden. Dennoch gab es auch in diesem Bereich einige Fortschritte zu vermelden. So wies Professor Holzt in einem Circular (Rundschreiben) an alle Lehrer darauf hin: „Verboten ist bekanntlich nur das „öffentliche Couleurtragen“; die Controlle darüber, was die Vereine in ihren abgeschlossenen Kneiplokalen treiben, kann nicht Sache der Anstalt sein.“ Die Lehrer sollten den Besuch von Veranstaltungen in den Verbindungslokalen vermeiden, um dieses Treiben nicht mit ihrer Präsenz zu legitimieren. Das Schlagen von Mensuren war für die Vereinsmitglieder immer noch eine gefährliche Angelegenheit, da den Paukanten strafrechtliche Konsequenzen drohten, wenn sie durch die Ordnungsbehörden erwischt wurden. So wurden die Herren Fritz Klingenberg und Fritz Adolf Zimmer, beides Angehörige der Landsmannschaft Brandenburgia 1905 wegen der Beteiligung an einem Zweikampf mit scharfen Waffen durch das Reichsgericht zu 3 Monaten Festungshaft verurteilt und durch die Hochschulleitung des Technikums verwiesen.

Eine Neuauflage der Schlacht von Sanitas im Jahre 1905, führte zwar zu Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen, beeinträchtigte das Couleurleben aber nicht.

Im Jahr 1909 schlossen sich die AH-Verbände zur Vereinigung der Alt-Herren-Verbände Deutscher Corporationen zu Mittweida (VAHDCM) zusammen. Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges 1913 gründeten die Landsmannschaften Badenia, Bavaria, Ostmark, Platonia, Rheno-Guestphalia und Saxonia das Mittweidaer Landsmannschafter-Cartell (MLC). Der Ausbruch des ersten Weltkrieges traf auch die Korporationen in Mittweida. Viele der jungen Männer am Technikum zogen in den Krieg. Alle Bünde mit weniger als fünf aktiven Mitgliedern suspendierten.

Wiederaufleben des Verbindungslebens nach dem ersten Weltkrieg

Nach dem ersten Weltkrieg rekonstituierten die meisten Mittweidaer Bünde. Der verlorene Weltkrieg stellte eine tiefgreifende Zäsur dar, welche die gesamte Nation ergriff. Die wirtschaftlich schlechte Lage des Reiches unter dem Druck der hohen Reparationen, die Abtretung großer Gebiete des Reiches und der Kolonien und der Versailler Vertrag, in dem Deutschland die vollständige Kriegsschuld zugewiesen wurde, hinterließen ein Gefühl der Demütigung und eine tiefe Depression im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung.

Diese Gefühlslage führte zu Trotzreaktionen in der Studentenschaft. Der Ton in den Verbindungen wurde nationalistischer. Farbenführende Vereine wandelten sich in farbentragende Korporationen um und gaben Satisfaktion. Die Mensur wurde in diesem Kontext zum Symbol deutscher Wehrhaftigkeit erhoben und die Anzahl der geschlagenen Partien stieg. In Mittweida gab die Mehrzahl der Verbindungen nun Satisfaktion auf Säbel. Bestimmungsmensuren wurden mit dem Korbschläger ausgefochten und auf eine Anzahl von drei Partien (Fuchsen-, Burschen- und Inaktivierungspartie) festgelegt. Tatsächlich fochten einzelne Bünde zeitweilig 5-7 Pflichtpartien. Auch die Anzahl der Gänge bei Bestimmungsmensuren wurde ab 1923 von 15 auf 60 erhöht.

Der MPC, der nach dem Krieg wieder entstand, erhob die unbedingte Satisfaktion zum Verbandsprinzip. Im SS 1909 rekonstituierte auch der Mittweidaer Chargierten-Convent.

Am 10. Juni 1920 wurde der Mittweidaer-Senioren-Convent gegründet. Dabei ist nicht klar, ob dieser durch die beiden bestehenden Cartellverbände MCC und MPC gegründet wurde oder durch deren Mitgliedskorporationen. Der MSC sollte ein „reiner Wirtschaftsverband“ mit dem Zweck „der Herbeiführung eines einheitlichen Zusammenwirkens“ sein.

Der MSC vereinte die bereits bestehenden lokalen Cartelle und Verbände es bestand 1931/32 aus:

  1. dem Mittweidaer Präsiden-Convent (gegr. 19. Februar 1895)
    Bestehend aus: Alemannia, W.V. Fidelitas, Landsmannschaft Rheno-Guestphalia, Landsmannschaft Badenia, Landsmannschaft Nordmark, Landsmannschaft Saxonia
  2. dem Mittweidaer Landsmannschafter-Cartell (gegr. 30. April 1913)
    Bestehend aus den Landsmannschaften Bavaria, Berolina, Brandenburgia, Ostmark
  3. dem Burschenschaften-Cartell Mittweida (gegr. 14. Oktober 1924)
    Bestehend aus den Burschenschaften Alexandria, Arkadia, Cheruskia, Makaria, Teutonia, Unitas
  4. sowie den neutralen Korporationen:
    Landsmannschaft Balitika, Sängerschaft Concordia, Turnerschaft Tuskonia, KTV Arminia, KTV Burgundia, TDC Franconia, StVG Germania, TMV „Normannia“, TV Voltana

Der MCC hatte sich, nachdem die Verbindungen des Burschenschaften-Cartells zur Gründung eben dieses Verbandes ausgetreten und nur noch drei Korporationen in ihm verblieben waren, aufgelöst.

Die schlechte gesamtwirtschaftliche Situation Ende der zwanziger Jahre und die sozialen und politischen Unruhen in Deutschland führten zu einem Rückgang der Studentenzahlen und zu einem Einbruch des Verbindungslebens. Niedergang des Mittweidaer Korporationswesens und der zweite Weltkrieg In den Jahren von 1929 bis 1934 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage dramatisch, nur noch wenige junge Männer besaßen das Geld für den Technikumsbesuch und den nötigen Wechsel. Auch die Angst, nach dem Studium keinen Arbeitsplatz zu bekommen, hielt viele von der Aufnahme eines Studiums ab.

Dies wirkte sich auch auf die Studentenzahlen am Technikum aus. Während im Herbst 1931 noch 1200 Studenten an der Hochschule eingeschrieben waren, betrug ihre Zahl im Sommersemester 1934 nur noch 400. Auch die Zahl ausländischer Studenten war erheblich zurückgegangen.

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten änderten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland dramatisch. Dies zeigte sich unter anderem in einem weiteren Absinken der Studentenzahlen. So konnten im Jahr 1925 nur noch 250 eingeschriebene Studenten verzeichnet werden. Grund hierfür waren einschneidende Veränderungen für die Jugend wie die Pflicht zum Reichsarbeitsdienst sowie die Verlängerung der Wehrpflicht.

Nationalsozialistische Organisationen drängten sich in die bisherigen Domänen der Korporationen. Dieses geschah keinesfalls verdeckt, sondern war begleitet von einer aggressiven, teilweise anti-korporativen Propaganda, wie folgender Aushang des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) zeigt:

„Kamerad! Während 2 ½ Jahren nationalsozialisitischer Regierung haben es die Korporationen nicht vermocht sich in die Volksgemeinschaft einzugliedern: Sie haben ihr Daseinsrecht damit verwirkt! Und Du bist dennoch einer Korporation beigetreten? Bist du Dir der Tragweite dieses Entschlusses bewusst geworden? Noch ist es Zeit zur Umkehr! Gliedere Dich ein in die nationalsozialistischen Gemeinschaften! Werde mit uns ein Kämpfer für Adolf Hitler und ein Vernichter jeder Reaktion. Hinein in den nationalsozialistischen Studentenbund! Fachschulgruppe Mittweida des NSDStB. gez. F. Hoeber“

Die Hochschulleitung in Mittweida arbeitete einvernehmlich mit den NS-Organisationen und Funktionären auf der politischen Ebene zusammen. Eine einheitliche Reaktion der etablierten Korporationen gab es nicht. Wie in der deutschen Mehrheitsgesellschaft überwog zunächst auch unter den Korporierten Begeisterung für den Kurs der neuen Regierung und ihrem erklärten Ziel Deutschland in alter Größe wieder erstarken zu lassen und die kollektive Schande des Diktatfriedens von Versailles zu tilgen. Vereinzelt traten die Aktivitates einzelner Mittweidaer-Korporationen, beispielsweise die der Landsmannschaft Bavaria, kollektiv der NSDAP bei. Andere glaubten daran im neuen Regime bestehen zu können und sich mit den neuen Machthabern und ihren Organisationen arrangieren zu können. Dies sollte sich als Irrglaube herausstellen.

Im Jahr 1934 fanden diverse Sitzungen eines Arbeitskreises im Auftrag des Verbändebeauftragten des NSDStB Hiesinger statt. Den Vorsitz führte das NSDAP Mitglied Meyer (Bavariae). Ziel dieser Zusammenkünfte an denen Vertreter der Unitas-Germania, der Arkadia, der Alemannia, der Bavaria und der Berolina teilnahmen, war die Verringerung der Mittweidaer Korporationen durch Zusammenlegung. Zu diesem Zeitpunkt existierten in Mittweida noch 17 Korporationen, wobei Teutonia 16, Fidelitas 13, Concordia 11, Arkadia 10, Badenia 9, Rheno-Guestphalia 8, Saxonia 8, Bavaria 7, Berolina 7, Wettina 6, Burgundia 5, Arminia 4, Germania 3, Tuiskonia 2, Alexandria 2, Ostmark 2 und Alemannia noch 2 Aktive hatte. Erarbeitet wurde ein Vorschlag, die Anzahl der Bünde durch Fusionen auf acht zu reduzieren.. Dieser sah vor, dass sich jeweils

  • Bavaria, Berolina, Brandenburgia und Ostmark;
  • Fidelitas und Alemannia
  • Concordia und Wettina
  • Arkadia und Alexandria
  • Burgundia und Arminia
  • Germania und Tuskonia
  • Badenia, Rheno-Guestphalia und Saxonia

zusammenschließen.

Der Teutonia wurde nahegelegt, sich mit der Germania zu vereinen, obwohl sie noch die größte Aktivitas besaß. Der Vorsitzende Meyer machte in der Sitzung deutlich, dass:

„Wenn wir nicht mit dem nötigen Ernst an diese Sache herangehen, dann wird eben von oben diktiert und soweit wollen wir es nicht kommen lassen. Ich habe den Auftrag vom Verbändereferenten, hier eine Wandlung zu schaffen.“

Dieser Plan überholte sich jedoch relativ schnell. Ab 1935 setzte sich die Gleichschaltung aller studentischen Organisationen unaufhaltsam fort. Die „Salamitaktik“ der Nationalsozialisten, den Widerstand der Korporationen dadurch zu brechen indem man den Anschein bewahrte sie könnten weiterhin bestehen, wenn sie zu Zugeständnissen an die Regierung bereit wären, ging auf. Den meisten Verbindungen blieb schließlich nichts anderes übrig, als zu suspendieren oder ihre ureigenen Ideale und Prinzipien völlig über Bord zu werfen.

Den Todesstoß erhielt das Verbindungswesen schließlich durch eine Anordnung des "Stellvertreters des Führers", Rudolf Heß, mit der allen studierenden Angehörigen der NSDAP die Mitgliedschaft in einer Korporation verboten wurde. Zuvor hatte schon Reichsjugendführer Baldur von Schirach eine Weisung erlassen, die es Mitgliedern der Hitlerjugend verbot, Mitglied in einer Korporation zu werden. Die SA und der NSDStB folgten mit gleich lautenden Erlassen.

So wählten um 1935 die Mehrheit der Korporationen in die Suspension, so auch in Mittweida. Die Kameradschaften prägten nun alleinig das studentische Leben. Der NSDStB. wurde das alleinige Vertretungsorgan der Studentenschaft.

Aus dem Mitteilungsblatt des NS-Altherrenbundes an der Ingenieursschule Mittweida von 1935 geht hervor, dass sechs Kameradschaften mit einer Mitgliederzahl zwischen 28 und 45 Aktiven gab, die Kameradschaften Stoschek, Heinrich Gutsche, Schäfer, Buttermann, Landmann und Müller.

Das Leben in den Kameradschaften, die drei Semester Aktivität von jedem Mitglied forderten, erstreckte sich auf weltanschauliche und politische Erziehung im Rahmen sogenannter „Gemeinschafts- und Erziehungsstunden“, Kameradschaftsabende zur Pflege der Geselligkeit und körperliche Ertüchtigung im Rahmen wehrsportlicher Übungen und Veranstaltungen.

Zur Finanzierung der Kameradschaften sollten die Alt-Herren-Verbände der ehemaligen Korporationen gewonnen werden. Mit einem Aufruf wurde darum geworben, dass ehemalige Alte Herren der Korporationen in die NS-Studentenkampfhilfe eintreten, welche durch Erlass Hitlers vom 12. Mai 1937 nun der einzige von der NSDAP anerkannte Zusammenschluss Alter Herren war.

Die NS-Studentenkampfhilfe gliederte sich in lokale „Altherrenbünde deutscher Studenten“. In Mittweida wurde ebenfalls ein solcher Altherrenbund eingerichtet. Die Alten Herren der ehemaligen Mittweidaer Korporationen sollten geordnet nach ihren ehemaligen AH-Verbänden je einer Kameradschaft zugeordnet werden, was, wie in vielen Hochschulstädten, in den noch bestehenden AHV die Hoffnung weckte, innerhalb der Kameradschaften „überwintern“ zu können.

So bildeten beispielsweise die AHV der MLC Verbindungen, die Landsmannschaften Bavaria, Brandenburgia und Ostmark, den AHV der Kameradschaft Stoschek. Da jedoch jeder Alte Herr als Einzelmitglied beitreten musste, gab es immer wieder AH die diesen Schritt nicht vollzogen. Der Lehrbetrieb in Mittweida blieb bis 1945 aufrechterhalten. Die Umwandlungen in Kameradschaften bedeutete für die Korporationen allerdings das Ende.

Von der Nachkriegszeit bis heute

Der zweite Weltkrieg führte auch unter den Korporationen zu großen Verlusten. Viele Mittweidaer Korporierte starben an den Fronten, im Bombenhagel oder vereinzelt auch in den Konzentrationslagern.

Nach Gründung der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik, war ein Wiederaufleben des Korporationswesens in Ostdeutschland nicht mehr möglich. Studenten waren gezwungen sich in den SED-eigenen Jugendirganisationen, wie der Freien Deutschen Jugend (FDJ) zu engagieren. Korporationen waren seitens des Regimes verboten und lebten allenfalls in Freundschaftsbünden von Alten Herren im Privaten fort. In den 1950er Jahren gab es in Westdeutschland diverse Sammlungsbewegungen auf Initiative einiger Alter Herren, welche die versprengten Mittweidaer Alten Herren wieder zusammen führen sollten und die sich die Rekonstitution ihrer Bünder zum Ziel gemacht hatten. Diese Anstrengungen führten in den 1950 und 1960er Jahren zu zahlreichen erfolgreichen Reaktivierungen, vornehmlich an westdeutschen Fachhochschulen. So reaktivierte die Landsmannschaft Rheno-Guesphalia 1952 in Bingen, 1956 folgte die Teutonia, welche nun in Duisburg beheimatet war. Die Landsmannschaft Concordia schlug ihre Zelte 1957 in Wolfenbüttel auf. In den Jahren 1963 und 1962 reaktivierten die Landsmannschaft Berolina (heute Burschenschaft Berolina) und die Landsmannschaft Nordmark in Lübeck und Friedberg in Hessen. Weitere Reaktivierungen folgten.

Anlässlich des 65. Stiftungsfestes der Landsmannschaft Rheno-Guestphalia traten am 28. Mai 1960 auf der Burg Rheinfels in St. Goar eine große Zahl Vertreter ehemaliger Mittweidaer Bünder zusammen. Sie beschlossen das Mittweidaer Senioren-Cartell (MSC), als Traditionsträger des Mittweidaer Senioren-Conventes zu gründen.

In das erste kommissarische Präsidium wurden gewählt: Walter Remy , Teutoniae, zum Präsiden, Paul Drans, Rheno-Guestphaliae, zum Conpräsiden, und Walter Pitroff, Bavariae, zum Schatzmeister.

Auf dem 75. Stiftungsfest der Burschenschaft Teutonia-Mittweida zu Duisburg, am 27. Oktober 1961 wurde im Rahmen eines ersten General-Conventes des MSC eine Satzung beschlossen.

Mit großem Interesse beobachteten die Korporationen die Entwicklungen in Ostdeutschland und an ihrem alten Studienort. Man hielt Kontakt über Briefe und Päckchen zu den dort lebenden Alten Herren. Besuche im privaten Rahmen durch einzelne Vertreter waren nur selten möglich. Die politische Wende 1989-1990 kam für die Korporationen ebenso überraschend wie für die meisten Deutschen. Sehr schnell nahmen die ehemaligen Mittweidaer Korporationen wieder Kontakt zu ihrer ehemaligen Hochschule auf. Eine Vielzahl von Ihnen führte in den 1990er Jahren Reisen nach Mittweida durch, die oft mit Wiedersehenskommersen und -kneipen vor Ort verbunden wurden.

Im Jahre 1990 wurde mit der Unterstützung von BDIC und MSC von 15 Studenten der Hochschule die Burschenschaft Fidentia Mittweida im MSC gegründet. Anders als in vorherigen Jahrzehnten hatte die neue Hochschulleitung darum gebeten, dass sich auch am Standort Mittweida wieder Korporationen ansiedeln. Überlegungen der westdeutschen MSC-Bünde, wieder nach Mittweida überzusiedeln oder Filialen in Mittweida zu errichten, hatten keinen Erfolg oder wurden nicht realisiert.

Seit Mitte der 1970er Jahre schrumpfte das Cartell stetig. Insbesondere in den 1980er Jahren gaben viele MSC-Bünder mangels Nachwuchses auf. 1993 bestand das MSC noch aus neun von einstmals 19 Korporationen, die reaktiviert hatten. Im Jahr 2009 waren im MSC noch fünf Bünde aktiv: Die Burschenschaft Berolina-Mittweida zu Lübeck, die Landsmannschaft Badenia Mittweida zu Ulm, die Burschenschaft Fidentia Mittweida, und die Landsmannschaft Teutonia-Mittweida zu Duisburg.

Mitgliedsbünde

  • Burschenschaft Berolina Mittweida zu Lübeck im MSC und BDIC
  • Burschenschaft Cheruskia
  • Burschenschaft Concordia Mittweida
  • Burschenschaft Fidentia Mittweida im MSC und BDIC
  • Burschenschaft Unitas
  • Kameradschaft Allemannia
  • KDStV Arminia Mittweida zu Krefeld im TCV und MSC
  • KDStV Burgundia Mittweida zu Düsseldorf im TCV und MSC
  • Landsmannschaft Badenia Mittweida zu Ulm im MSC
  • Landsmannschaft Bavaria Mittweida zu Nürnberg im MSC
  • Landsmannschaft Brandenburgia Mittweida zu Wolfenbüttel im MSC
  • Landsmannschaft Nordmark
  • Landsmannschaft Ostmark
  • Landsmannschaft Rheno-Guestphalia
  • Landsmannschaft Saxonia
  • Landsmannschaft Teutonia Mittweida zu Duisburg im MSC
  • Turnerschaft Tuisconia
  • Wissenschaftlicher Verein Fidelitas Essen

Literatur

  • Peter Jacobs: Studentische Verbindungen und Vereine am Technikum Mittweida, Mittweida 2000
  • Alfred Koepke: Was ein Fux erlernen muß. Fuchsenhandbuch der B! Berolina-Mittweida, Lübeck 2003
  • Klaus-Rainer Krause: Die Chronik der Landsmannschaft Brandenburgia, Wolfenbüttel 1988
  • Alexander Schaeff: Chronik der Burschenschaft Teutonia und des AHV, Berlin ohne Angabe des Datums
  • Paul-Adolf Schröder: 25 Jahre Burschenschaft Teutonia-Mittweida in Duisburg - 1957-1982, Sonderausgabe der Teutonen-Rundschau, Gladbeck 1982
  • Paul-Adolf Schröder: 100 Jahre Burschenschaft Teutonia-Mittweida 1886-1986, Teutonen-Rundschau Nr. 43, Gladbeck 1986
  • Paul-Adolf Schröder: 120 Jahre Teutonia-Mittweida 1886-2006, Teutonen-Rundschau Nr. 81, Gladbeck 2006

Weblinks

Offizielle Webpräsenz


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