Mohrenhaus

Mohrenhaus
Mohrenhaus, Gartenseite

Das Mohrenhaus, selten auch Schloss Mohrenhaus, ist ein denkmalgeschütztes[1] Herrenhaus in Radebeul. Es liegt auf einem großen, inzwischen bewaldeten Weinbergsanwesen im Stadtteil Niederlößnitz in der Moritzburger Straße 51. Das Gebäude wurde durch die Baumeister Gebrüder Ziller erstellt. Heute befindet sich dort eine Kindertagesstätte in der Trägerschaft des Deutschen Kinderschutzbunds.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Künstliche Ruine am Mohrenhaus

Das Anwesen ist ein großer Waldpark auf halber Höhe und auf der westlichen Seite der Moritzburger Straße, der inmitten des inmitten des Denkmalschutzgebiets Historische Weinberglandschaft Radebeul liegt und heute als denkmalpflegerische Nebenanlage unter Schutz steht.[2] Darin liegen mehrere als Baudenkmäler ausgezeichnete Bauwerke[1]. Eine Gebäudegruppe, bestehend aus dem Mohrenhaus selbst mit angebautem Wintergarten sowie verbundenen Wirtschaftsgebäuden, liegt am oberen Ende einer Zufahrtsallee, die vom Tor an der südöstlichen Grundstücksecke schräg in das Gelände hineinführt. Westlich des Mohrenhauses stehen ein Gartenpavillon und weiter drinnen im Park eine Künstliche Ruine. Östlich und unterhalb des Mohrenhauses liegt neben der Moritzburger Straße das ehemalige Winzerhaus, später Gärtnerhaus (Hausnummer 53).

Das Mohrenhaus ist ein burgartiges Herrenhaus im Stil der Neogotik, als repräsentatives Beispiel derer sie im Dehio aufgeführt ist,[3] speziell im Tudorstil.

Geschichte

Mohrenhaus, Gartenseite, Foto von E.A. Donadini, um 1900
Mohrenhaus

Der erste urkundlich bekannte Besitzer des Anwesens war 1544 Hans Hutter aus Leipzig. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte diente das sich darauf befindliche Gebäude als Jagdsitz und Lusthaus. Ab dem 17. Jahrhundert - das Gelände war bereits als die Mohrenköpfe bekannt, zurückzuführen auf das Aussehen zweier Hügel auf dem Grund vom Tal aus - war der Besitz über mehrere Generationen in Händen der Offiziers- und Beamtenfamilien von Schonbergk, von Bose und später Schmieder.

Im Jahr 1819 kaufte Ludwig Pilgrim, ehemals ein Leipziger Kaufmann, der seit 1816 auf dem nahegelegenen Friedstein wohnte, den Besitz. Der Mitbegründer der Sektkellerei Bussard nutzte die Gebäude zur Lagerung von Wein. Am gegenüberliegenden Hang legte er das Pilgrimswäldchen an, das später der heutige Waldpark Radebeul-West werden sollte. Der Schriftsteller und Chronist Moritz Lilie berichtet in seiner Chronik der Lößnitz-Ortschaften …, dass Pilgrim in seinem gastfreien Hause bekannte Künstler ihrer Zeit wie Jean Paul, Ludwig Tieck und Carl Maria von Weber zu Besuch gehabt hätte. Dies könnte eine Verwechslung sein, jedoch vermutlich nicht mit dem Dresdner Mohrenhaus im Coselschen Garten an der Prießnitzmündung[4], sondern mit Pilgrims anderem Anwesen. Dies ist im Falle von Jean Paul geklärt. Dieser besuchte nach seinem eigenen Briefverkehr mit seiner Ehefrau[5] zweimal Pilgrims Schwager Georg Schwarz auf „Friedstein“, das 1822 noch Pilgrim gehörte und erst 1823 in den Besitz von Schwarz überging, wo dieser jedoch vermutlich schon wohnte, da Pilgrim seit 1819 auch das Mohrenhaus besaß. Dabei lernte er auch den Schwager Ludwig Pilgrim und seine Frau Elise, eine Schriftstellerin und „glühende Verehrerin Jean Pauls“[6], kennen sowie beider Schwiegervater, den Pädagogen Johann Peter Hundeiker.[6]

1861 verkaufte Pilgrim das Anwesen an den Großkaufmann Johann Daniel Souchay, der auch Besitzer von Schloss Eckberg war. Von 1868 bis 1871 ließ der folgende Besitzer, Wilhelm Theodor Demiani, ein neues "stilvolles Schlösschen" mit dem markanten Aussichtsturm auf achteckigem Grundriss im Stil der Neogotik mit einigen Formen des Tudorstils durch die Baufirma Gebrüder Ziller auf den Grundmauern des Vorgängerbaus errichten und den heutigen Park anlegen. Der schlossähnliche Charakter des Bauwerks entstand durch Zitate von Schloss Eckberg in Dresden.[7]

Der Landtagsabgeordnete Alwin Bauer, dem das Mohrenhaus ab 1910 gehörte, ließ umfangreiche Umbauten in einem eklektizistischen Stilmix durch den Architekten Max Herfurt (Baumeister Alwin Höhne) ausführen, unter anderem den Haupteingang mit dem mächtigen Portal und der von zwei Mohrenfiguren gehaltenen Widmungstafel nach Osten verlegen. Ab 1913 wohnte er dort. Nach Bauers Tod 1928 ging das Gebäude an seine Erben und wurde nach 1931 von diesen verkauft.

Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude als Haushaltungsschule des Bundes Deutscher Mädel genutzt, Eigentümer war der in der Hitlerjugend gleichgeschaltete Reichsverband Deutscher Jugendherbergen. 1945 ging es in den Besitz der Stadt über. 1946 wurde darin eine Kindertagesstätte eingerichtet, von 1947 bis 1950 diente das Haus auch als FDJ-Schule. 1954 war dort das „Heimkombinat Korea“ untergebracht.

Hinter dem Haus entstand 1971 bis 1973 auf einem Teil des Grundstücks die Waldparkschule, die ihren Hort im Mohrenhaus betrieb. 1991 ging die Kindertagesstätte in die Trägerschaft des Deutschen Kinderschutzbundes über, der dort seit 1993 die Kindertagesstätte und zusätzlich einen Jugend-Freizeittreff betreibt.

Der Bauherrschaft des Mohrenhauses wurde anlässlich des Radebeuler Bauherrenpreises 2006 eine „Besondere Würdigung für die denkmalgerechte Sanierung des Mohrenhauses und dessen Erhaltung als öffentliche Kinder- und Jugendeinrichtung“ ausgesprochen.

Literatur

Mohrenhaus, Hauptportal

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Denkmalliste Radebeul
  2. Volker Helas (Bearb.); Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Stadt Radebeul (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen: Stadt Radebeul. SAX-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3, S. 224 f. 
  3. Barbara Bechter, Wiebke Fastenrath et al. (Bearb.): Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen I, Regierungsbezirk Dresden. Deutscher Kunstverlag, München 1996, ISBN 3-422-03043-3, S. 730–739. 
  4. Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9, S. 135 f. 
  5. Brief Jean Pauls an seine Frau vom 19. Mai 1822 während seines Besuchs vom 6. Mai bis zum 12. Juni 1822 bei seiner Dresdner Schwägerin Wilhelmine (Minne) Uthe-Spazier, zitiert in: Jochen Zschaler: War Jean Paul in der Lößnitz? Teil 2. In: Vorschau und Rückblick. Monatsheft für Radebeul und Umgebung. 14. Jahrgang, Heft 3, S. 2–4. Radebeuler Monatshefte e.V. (Hrsg.), Radebeul 2003.
  6. a b Jochen Zschaler: War Jean Paul in der Lößnitz? Teil 2. In: Vorschau und Rückblick. Monatsheft für Radebeul und Umgebung. 14. Jahrgang, Heft 3, S. 2–4. Radebeuler Monatshefte e.V. (Hrsg.), Radebeul 2003.
  7. Markus Hänsel; Thilo Hänsel; Thomas Gerlach (Nachwort): Auf den Spuren der Gebrüder Ziller in Radebeul. 1. Auflage. Notschriften Verlag, Radebeul 2008, ISBN 978-3-940200-22-8, S. 15. 
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