Altfriedstein

Altfriedstein
Herrenhaus Altfriedstein, von der Moritzburger Straße aus (Postkarte 1905)

Altfriedstein bezeichnet ein ehemaliges Herrenhaus im Stadtteil Niederlößnitz in Radebeul im Prof.-Wilhelm-Ring 1 sowie den ehemals dazugehörenden Weinbergsbesitz. Er liegt in der Weinbaulage Radebeuler Johannisberg. Ferner trägt eine Straße oberhalb des Herrenhauses diesen Namen. Auf den wegen der Reblauskatastrophe aufgelassenen Rebflächen entwickelten die Dresdner Architekten Schilling & Graebner ab 1899 die Villenkolonie Altfriedstein.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Giebelseite des Herrenhauses Altfriedstein (von Westen aus)
Gebäudeplan Altfriedstein, 1903 (von Süden aus)

Das ehemalige Herrenhaus Altfriedstein bestand aus einem symmetrischen Kernbau mit mittigem Dachreiter auf einem hohem Dach sowie zwei nach Ost und West ausgerichteten, zweigeschossigen Gebäudeflügeln mit einem niedrigeren Dach. Von der symmetrischen Anlage steht noch der östliche Seitenflügel, und der Kernbau wurde bei den Umbauten durch die Architekten Schilling & Graebner auf der Westseite eingekürzt und der Westflügel abgerissen.

Der Mittelbau hat heute eine Größe von vier zu drei Fensterachsen. Das ehemalige, hohe Walmdach ist auf der Westseite eingekürzt und zu einem Krüppelwalm verändert. Zur Straße befinden sich Fledermausgauben, zum Garten Giebelgauben. Der ehemals in der Mitte sitzende Dachreiter ist aus Holz. Er sitzt auf einem viereckigen Sockel, darauf sitzt ein offener, mit einem Gitter geschützter Austritt mit Uhren auf den Traufseiten, obenauf eine geschweifte Haube mit einem Kugelknauf. In der Südansicht zum Garten befindet sich in der Linie unter dem Dachreiter ein Portal mit Verdachung, davor eine Freitreppe zum Garten. In der nordwestlichen Gebäudeecke, dort wo sie auf den Bürgersteig reicht, befindet sich eine Rundbogenartkade für die Fußgänger. Im Obergeschoss des neugestalteten Westgiebels befindet sich ein dreigeteilter Blendbogen mit neobarocker Suckornamentik. Im mittleren Feld steht ein Thermenfenster. Die Fassadenflächen des Mittelbaus werden durch Lisenen gegliedert.

Der nach Osten weisende Flügel ist schmaler als der Hauptbau und hat bei etwa gleicher Traufhöhe eine wesentlich geringere Firsthöhe. Die Fensterachsen sind unterschiedlich weit auseinander. In der Straßenansicht steht ein Seitenrisalit mit Dreiecksgiebel. Auf der Gartenseite des Flügels ist eine Terrasse mit Pergola vorgesetzt.

Geschichte

Das Anwesen des Friedstein war 1544 im Besitz des Andreas Allenbecke von „Freibergk“, womit dieser vermutlich aus Freiberg selbst oder der unmittelbaren Umgebung stammte. Im Jahr 1602 lässt sich ein Dr. Röllingk nachweisen, dem 1675 Christian Siegmund von Reichenbrodt auf Schrenkendorf folgte, ein Nachkomme des Geheimsekretärs des Kurfürsten Johann Georg I., Christian Reichbrod von Schrenkendorf (1613–1660), Rittergutsbesitzer in Pesterwitz.

Später besaß Jakob Friedrich Schilling (1660–1742) aus der Adelsfamilie Schilling dieses und auch weitere Weingüter, so unter anderem dasjenige von Schloss Proschwitz. Sein Nachfahre Rudolf Schilling sollte zwei Jahrhunderte später die Villenkolonie Altfriedstein errichten.

Giebelseite des Herrenhauses Altfriedstein, noch mit aufgestocktem Westflügel (von Westen aus, vor 1900). Links oben die Friedensburg.

Ab 1734 (oder 1736[1]) erwarb der kurfürstlich-sächsische „Haus=Kellner“ (Leiter der Hofkellerei, dem der Kellermeister und die Mundschenken unterstehen) und spätere Oberlandweinmeister Friedrich Roos († 1757) umfangreichen Weinbergsbesitz auf der später als Niederlößnitz aus Kötzschenbroda abgetrennten Flur. Auf diesem Rooseschen Weinberg baute er 1743 bis 1745 anstelle eines 1742 abgebrannten Viehhofs ein barockes Herrenhaus mit Orangerie und Wasserkunst und legte einen Park an. Das Herrenhaus erhielt einen Dachreiter mit Turmuhr und Glockenspiel. Er legte auch eine Kastanienallee als Zufahrt von der Meißner Straße aus an (später Alleestraße). Eventuell benannte bereits Roos den Besitz Mon Repos[1], eine Benennung, die in der sonstigen Literatur erst dem Grafen Brühl zugeordnet wird. Roos' Sohn Alexander übernahm 1747 das Anwesen und überließ es 1749 dem Vetter Heinrich Roos, ebenfalls kurfürstlicher Oberlandweinmeister.

Der sächsische Premierminister Heinrich Graf von Brühl (* 13. August 1700 in Weißenfels; † 28. Oktober 1763 in Dresden) erwarb 1763 den Rooseschen Weinberg und nannte ihn Mon Repos (französisch: mein Ruheplatz). Nach Brühls kurz darauf folgendem Tod verkauften seine Erben das Anwesen 1770 an den Pariser Juwelier Carl August Böhmer, der als Schöpfer des Colliers der Königin Marie Antoinette in die sogenannte Halsbandaffäre verwickelt war. In der Folgezeit kam Altfriedstein 1784 bis 1812 in den Besitz von Louise Sophia Johanna Gräfin von Zinzendorf und Pottendorf, es folgten Kabinettsminister Ludwig Graf Senfft von Pilsach sowie die Kaufleute Ludwig Pilgrim (ab 1816) und ab 1823 sein Schwager Georg Schwarz, beide Schwiegersöhne von Johann Peter Hundeiker, die 1836 die nahegelegene Sektkellerei Bussard gründeten.

1822 besuchte Jean Paul, der zu Besuch bei seiner Schwägerin Wilhelmine (Minna) Uthe-Spazier in Dresden war, die mit dieser bekannte Familie Schwarz zweimal auf ihrem „Wein- und Landsitz Friedstein“[2] in der Lößnitz. Dabei lernt er nicht nur den „reichen Vertrauten des russischen Kaisers“[2] (Schwarz) kennen, sondern auch dessen Schwager Ludwig Pilgrim und seine Frau Elise, eine Schriftstellerin und „glühende Verehrerin Jean Pauls“[3], sowie den Schwiegervater Hundeiker. [3]

Nach Georg Schwarz' Erwerb des westlich gelegenen Weingutes und seiner Umbenennung in Neufriedstein wurde das Friedstein genannte Anwesen in Altfriedstein umbenannt.

Ab 1844 war Altfriedstein auch als Thomann's grüntürmiges Schloss bekannt,[4] nach dem Besitzer Paul Thomann. Dann folgten 1852 Emil Lutterroth und 1858 D. Thienemann. Otto Thienemann, Bruder des Berthold Thienemann vom Hohenhaus, erwarb Altfriedstein im Jahr 1870. 1867 gründete Carl Moritz Krieger dort seine Kriegersche Lehr- und Erziehungsanstalt mit Pensionat, die 1872 auf die Meißner Straße 227 verlegt wurde.

Flurstücksplan Altfriedstein, 1883

Ab 1878 gehörte Altfriedstein Carl Lamsbach, dem späteren Ersten Gemeindeältesten der Gemeinde Niederlößnitz. Dieser errichtete ein Maschinenhaus sowie ein Reservoir auf der Bergkuppe, sodass das Trinkwasser nicht mehr vom an der Winzerstraße tiefer gelegenen Brunnen hinaufgetragen werden musste. Darüber hinaus wurde das Anwesen mit Brauchwasser über die bereits von Roos angelegte Wasserleitung von Schwarzes Teich aus versorgt, die im Hof auf der Nordseite des Hauses endete. 1883 stockte Lamsbach den Westflügel auf, um dort eine Pension hineinnehmen zu können. 1895 wurde das ganze Herrenhaus in eine Pension umgebaut.

1899 wurde der gesamte Besitz an die Architekten Schilling & Graebner verkauft, die als Projektentwickler das Grundstück parzellierten und ab 1902 die Villenkolonie Altfriedstein errichteten. Mit der Anlage der Brühlstraße wurde Altfriedstein direkt erschlossen (heute Prof.-Wilhelm-Ring 1). Die bedeutsamste Villa der Villenkolonie ist die den Abschluss nach Norden bildende, 1911 erbaute Meyerburg.

1927 ging das Herrenhaus an die Stadt, die es bis 1987 als Altenheim nutzte. Die Schriftstellerin und Dichterin Jeanne Berta Semmig verbrachte dort ihren Lebensabend.

1988 wurde Altfriedstein unter Denkmalschutz[5] gestellt und 1996 in Privatbesitz verkauft.

Literatur

  • Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9. 
  • Cornelius Gurlitt: Die Kunstdenkmäler von Dresdens Umgebung, Theil 2: Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Band 26, C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1904, S. 132 ff. (Digitalisat Niederlössnitz. Weinberggrundstück Friedstein. Blatt 145, Blatt 146, Blatt 147)
  • Volker Helas (Bearb.); Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Stadt Radebeul (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen: Stadt Radebeul. SAX-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3. 
  • Gert Morzinek: Historische Streifzüge mit Gert Morzinek. Die gesammelten Werke aus 5 Jahren „StadtSpiegel“. premium Verlag, Großenhain 2007.
  • Tobias Michael Wolf: Die Villenkolonie am Altfriedstein. In: verein für denkmalpflege und neues bauen radebeul (Hrsg.): Beiträge zur Stadtkultur der Stadt Radebeul. Radebeul 2006.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Manfred Richter: Altfriedstein, Prof.-Wilhelm-Ring 1. In: Niederlößnitz von anno dazumal. Abgerufen am 6. Juni 2009.
  2. a b Brief Jean Pauls an seine Frau vom 19. Mai 1822 während seines Besuchs vom 6. Mai bis zum 12. Juni 1822 bei seiner Dresdner Schwägerin Wilhelmine (Minne) Uthe-Spazier, zitiert in: Jochen Zschaler: War Jean Paul in der Lößnitz? Teil 2. In: Vorschau und Rückblick. Monatsheft für Radebeul und Umgebung. 14. Jahrgang, Heft 3, S. 2–4. Radebeuler Monatshefte e.V. (Hrsg.), Radebeul 2003.
  3. a b Jochen Zschaler: War Jean Paul in der Lößnitz? Teil 2. In: Vorschau und Rückblick. Monatsheft für Radebeul und Umgebung. 14. Jahrgang, Heft 3, S. 2–4. Radebeuler Monatshefte e.V. (Hrsg.), Radebeul 2003.
  4. Gert Morzinek: Historische Streifzüge mit Gert Morzinek. Die gesammelten Werke aus 5 Jahren "StadtSpiegel". premium Verlag, Großenhain 2007, S. 54 ff.
  5. Verzeichnis der Kulturdenkmale der Stadt Radebeul. Große Kreisstadt Radebeul, 17. April 2008, S. 21, abgerufen am 28. Januar 2009 (PDF).
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