Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums

Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums

Die Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, abgekürzt MGWJ, war eine wissenschaftliche Zeitschrift, die mit einigen Unterbrechungen in 83 Jahren zwischen 1851 und 1939 erschien. Bald nach ihrem ersten Erscheinen wurde sie zur führenden Zeitschrift in der jüdischen Welt.

Inhaltsverzeichnis

Gründung und Ära Frankel

Gegründet wurde die Monatsschrift 1851 von Zacharias Frankel, als er Rabbiner in Dresden war. Die Zeitschrift sollte als Organ der positiv-historischen Schule des Judentums dienen; sie nahm eine Mittelstellung ein zwischen der Reformbewegung, die durch Abraham Geiger vertreten wurde, und der neuorthodoxen Richtung, wie sie von Samson Raphael Hirsch interpretiert wurde. So vertrat die Zeitschrift ein konservatives Judentum, in dem zwar die traditionellen Riten beibehalten wurden, Fragen der historischen Forschung jedoch undogmatisch angegangen werden konnten. Hochburg des konservativen Judentums war zu dieser Zeit das Jüdisch-Theologische Seminar in Breslau, das 1854 mit Frankel als erstem Direktor gegründet worden war. Die Zeitschrift war zwar nicht formal mit dem Rabbinerseminar verbunden, doch stammten die meisten Beiträge von dortigen Dozenten und ehemaligen Studenten. Frankel war bis zu seinem Tode im Jahre 1868 leitender Redakteur der Monatsschrift.

In den Jahren nach der Märzrevolution 1848 hatte Frankel gehofft, die wachsende Gleichgültigkeit der jungen Generation gegenüber jüdischen Werten durch Verbreitung der wissenschaftlichen Kenntnisse über die jüdische Vergangenheit zu beheben und auf diese Weise jüdisches Selbstbewusstsein neu zu beleben. Frankel selbst schrieb etwa ein Viertel der Texte, die unter seiner Redaktion veröffentlicht wurden; er behandelte Themen wie die Septuaginta, jüdischen Hellenismus, die Geschichte der Halacha, religiöse Disputationen in der Antike und schrieb auch Buchkritiken.

Ära Graetz

1869 wurde die Redaktion von Heinrich Graetz übernommen, der hauptsächlich über jüdische Geschichte, die Bibel und die Sprache der Mischna schrieb. In den Jahren 1882 bis 1886 war Pinkus Friedrich Frankl Mitherausgeber. 1887, zu Graetz' 70. Geburtstag, wurde die Publikation für fünf Jahre eingestellt.

1892 bis zum Ende

1892 wurde die Zeitschrift von dem Historiker Markus Brann (Mitherausgeber 1892-1919) und von David Kaufmann (Mitherausgeber 1892-1907) wieder aufgenommen. 1903 fand sich mit der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums (gegründet 1902) ein neuer Trägerkreis, der auch den "Grundriss der Gesamtwissenschaft des Judentums" finanziell ermöglichte. Nach Branns Tod im Jahre 1920 übernahm Isaak Heinemann die Leitung bis zu seiner Auswanderung nach Palästina im Jahre 1938.

Der letzte Jahrgang (Nr. 83; Januar / Dezember 1939) wurde von Leo Baeck zusammengestellt. Dieser Band wurde jedoch vor Erscheinen von der Gestapo beschlagnahmt und zerstört. Nur einige Kopien konnten gerettet werden; ein Neudruck erfolgte 1963 im Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) innerhalb der Veröffentlichungsreihe des Leo-Baeck-Instituts.

Sämtliche Redakteure der Monatsschrift arbeiteten nach ähnlichen Prinzipien. Zwar wurden breite Gebiete der jüdischen Gelehrsamkeit abgedeckt, im allgemeinen jedoch Fragen der systematischen Theologie und rein religiöse Probleme vermieden. Die meisten der rund 500 Mitwirkenden waren Rabbiner und Universitätsdozenten aus Deutschland, Österreich und Ungarn.

Literatur

Gesamtregister

  • Max Kreutzberger, Gesamtregister zur Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 1851-1939, Tübingen 1966

Zur Zeitschrift

  • Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums. Begr. von Z. Frankel. 83. Jg. N.F. 47. Jg. (Januar / Dezember 1939). Neudruck: Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963 (VI, 666 S.) (Veröffentlichung des Leo Baeck Instituts).
  • Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums. Jüd. Kulturbund in Dtschl., Dresden/Breslau/Berlin 1851ff., Mohr, Tübingen 1963 (Repr.).
  • Encyclopedia Judaica. Bd. 12. Jerusalem/Detroit 2007, S. 240. ISBN 0-02-865928-7

Weblink

Siehe auch


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