Märzgefallene

Märzgefallene

Als Märzgefallene bezeichnet man die Opfer der Märzrevolution von 1848 in Wien und in Berlin. Der Begriff wurde populär und in der Folge auf verschiedene Ereignisse des 20. Jahrhunderts übertragen.

Inhaltsverzeichnis

Wiener Märzgefallene

In Wien werden als „Märzgefallene“ jene Opfer bezeichnet, die bei der Demonstration am 13. März 1848 ums Leben kamen. Der Demonstrationszug hatte bei der Universität begonnen und führte zum niederösterreichischen Landtag in der Wiener Herrengasse, wo zwei Tage zuvor eine Petition mit liberalen Forderungen wie Veröffentlichung des Staatshaushaltes, Öffentlichkeit der Gerichtsverfahren und Pressefreiheit eingebracht worden war. Als die Menschenmenge immer größer wurde, ließ die Regierung Militär aufmarschieren. Vermutlich ohne direkten Befehl wurden Schüsse abgefeuert, worauf Panik ausbrach. Insgesamt kamen 35 Männer und Frauen ums Leben, teils von Kugeln getroffen, teils von der Menge erdrückt.

Die Gefallenen wurden am 17. März in einem Massengrab auf dem Schmelzer Friedhof beigesetzt. Weil die Toten verschiedene Konfessionen hatten, wurden sie von katholischen, evangelischen und jüdischen Geistlichen eingesegnet.

Mit den Schüssen des 13. März war die Revolution in Österreich ausgebrochen; noch am selben Abend musste Staatskanzler Metternich zurücktreten, am folgenden Tag wurde die Bildung von Nationalgarden bewilligt und die Zensur aufgehoben, am 15. März auch ausdrücklich Pressefreiheit sowie eine Verfassung versprochen. Letztere wurde am 25. April 1848 verkündet (Pillersdorfsche Verfassung).

Berliner Märzgefallene

In Berlin werden als „Märzgefallene“ jene Opfer bezeichnet, die im Barrikadenkampf gegen die Truppen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. fielen. Sie kämpften am 18. und 19. März 1848 für demokratische Rechte wie Rede- und Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und Wahlrecht. Nach einer Untersuchung von Ruth Hoppe und Jürgen Kuczynski sind die Namen von 270 Märzgefallenen bekannt. Die Mehrheit der Opfer waren Handwerker, darunter 13 Lehrlinge, 115 Gesellen und 29 Meister. 52 der Opfer waren Arbeitsleute (das heißt Arbeiter), 34 Dienstboten, 15 Opfer waren von gebildetem Stand. 4 der Opfer waren adlig. Unter den Opfern gab es 11 Frauen, 4 Kinder und 6 Jugendliche unter 18 Jahren. Das jüngste Opfer war nach dieser Zusammenstellung ein 12-jähriger Junge, das älteste ein 74-jähriger Tafeldecker, jedoch waren die meisten Opfer zwischen 22 und 26 Jahren.

Die öffentliche Trauerfeier für 183 Revolutionäre fand am 22. März unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Gendarmenmarkt statt. Adolph Menzel hat sie in seinem Gemälde Aufbahrung der Märzgefallenen festgehalten. Der Trauerzug pausierte danach auf dem Schlossplatz, wo das Königspaar den Toten die letzte Ehre erweisen musste. Anschließend wurden die Gefallenen auf dem speziell dafür angelegten Friedhof der Märzgefallenen beerdigt. Der Friedhof befand sich damals vor den Stadtmauern, heute ist er ein Teil des Volksparks Friedrichshain. Weitere Opfer, die später ihren Verletzungen erlagen, wurden in den nächsten Wochen beigesetzt, insgesamt liegen 254 Märzgefallene auf dem Friedhof.

Verwendung 1920

„Denkmal der Märzgefallenen“ in Weimar (Walter Gropius, 1922)

Während des Kapp-Putsches wurden neun streikende Arbeiter bei einer Kundgebung am 15. März 1920 in Weimar von Putschisten erschossen. Diese „Märzgefallenen“ wurden auf dem Historischen Friedhof Weimar bestattet und erhielten dort am 1. Mai 1922 ein Denkmal in Form eines aus der Erde emporstrahlenden Blitzes aus Beton. Schöpfer dieses „Denkmals der Märzgefallenen“ war der Bauhaus-Direktor Walter Gropius. Auch in anderen Orten der Region gab es Opfer, für die später Monumente errichtet wurden, so zum Beispiel in Eisenach ein Denkmal für die Märzgefallenen und ein ebensolches in der kleinen Gemeinde Mechterstädt.

Verwendung 1933

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten und ihre Verbündeten kam es zu zahlreichen Eintritten in die NSDAP, nicht zuletzt von Beamten und staatlichen Angestellten, denen ein Beitritt bis dahin verboten war. Diese Neumitglieder, denen Opportunismus unterstellt wurde, wurden von den „alten Kämpfern“ als „Märzgefallene“ verspottet.[1] Um ihren Einfluss klein zu halten, erließ die NSDAP am 19. April 1933 eine vierjährige Aufnahmesperre mit Wirkung zum 1. Mai 1933, von der bestimmte Gruppen, so z. B. Mitglieder von SA oder SS, ausgenommen waren.

Literatur

  • Peter Brandt u. a.: Die gescheiterte Revolution. In: Peter Brandt: Preußen, zur Sozialgeschichte eines Staates. Eine Darstellung in Quellen. Rowohlt, Reinbek 1981, ISBN 3-499-34003-8, S. 196–221 (Preussen, Versuch einer Bilanz 3).
  • Jürgen W. Falter: Die „Märzgefallenen“ von 1933. Neue Forschungsergebnisse zum sozialen Wandel innerhalb der NSDAP-Mitgliedschaft während der Machtergreifungsphase. In: Geschichte und Gesellschaft. 24, 1998, ISSN 0340-613x, S. 595–616.

Einzelnachweise

  1. Cornelia Schmitz–Berning: Märzgefallene. In: dies.: Vokabular des Nationalsozialismus. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2000; S. 399

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  • Märzgefallene — Mạ̈rz|ge|fal|le|ne(r) 〈m. 29〉 am 18. März 1848 in Berlin Gefallener * * * Märzgefallene,   Bezeichnung für die zu Beginn der Märzrevolution in Berlin am 18./19. 3. 1848 bei Barrikadenkämpfen mit preußischen Truppen ums Leben gekommenen 254… …   Universal-Lexikon

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