Revolution von 1848/49

Revolution von 1848/49
Märzrevolution in Berlin
Ausrufung der Repubblica di San Marco in Venedig
Barrikadenbau der Revolutionäre in Wien, Mai 1848
Verkündung der revolutionären walachischen Verfassung (Proklamation von Islaz) am 27. Juni 1848 in Bukarest
Volksfest bei der Proklamation der römischen Republik von 1849 in Rom
Karikatur von Ferdinand Schröder zur Niederlage der Revolutionen in Europa 1849. Zuerst erschienen in: Düsseldorfer Monatshefte, 1849 unter dem Titel Rundgemälde von Europa im August MDCCCXLIX

Die Revolutionen von 1848/49 waren Aufstände und bürgerlich-revolutionäre Erhebungen gegen die zu dieser Zeit herrschenden Mächte der Restauration und deren politische und soziale Strukturen in mehreren Ländern Mitteleuropas.

Die Welle der revolutionären Unruhen wurde zunächst − nach ersten Aufständen in Sizilien gegen die Herrschaft der spanischen Bourbonen und in der Lombardei gegen die des österreichischen Habsburgerreichs (Januar 1848) – wesentlich mit der französischen Februarrevolution von 1848 und der Ausrufung der Zweiten französischen Republik als „Initialzündung“ ausgelöst.

In einzelnen Regionen eskalierte das Geschehen bis hin zu zwischenstaatlichen Kriegen (in Norditalien im ersten italienischen Unabhängigkeitskrieg und in Holstein/Schleswig/Dänemark im ersten Schleswig-Holsteinischen Krieg), oder nahm bürgerkriegsähnliche Ausmaße an (z. B. Wien: Oktober 1848, während der Reichsverfassungskampagne in Baden: Mai bis Juli 1849, Sachsen: Mai 1849 und der zu der Zeit bayrischen Pfalz: Mai/Juni 1849, sowie in Ungarn: März bis Oktober 1849).

Die Erhebungen waren in den jeweiligen Staaten und Regionen von unterschiedlicher Intensität und Dauer. Spätestens im Oktober 1849 endeten die letzten revolutionären Kämpfe mit der endgültigen Kapitulation der ungarischen Unabhängigkeitsbewegung dieser Zeit.

Neben Frankreich gelten insbesondere die Staaten des Deutschen Bundes (unter anderen Preußen, Baden, Holstein, Sachsen, Bayern, die Freie Stadt Frankfurt, Österreich und sein Kronland Böhmen), der italienischen Halbinsel (u. a. Toskana, Lombardei und Venetien, Sardinien-Piemont, der Kirchenstaat, Neapel-Sizilien), das dreigeteilte Polen (dort hauptsächlich die unter preußischer Herrschaft stehende Provinz Posen), und das zum österreichisch-habsburgischen Reich gehörende, nach Unabhängigkeit strebende Ungarn als bedeutende Zentren der „Europäischen Revolution“ von 1848/49. Im Osten Europas strahlten die Aufstände bis in die Donaufürstentümer, nach Siebenbürgen, Walachei und Moldau aus (vgl. Rumänische Revolution von 1848).

Inhaltsverzeichnis

Bedingungen, Inhalte und Ziele

Bereits im Vorfeld hatte es Liberalisierungstendenzen in einigen Fürstentümern (so etwa schon ab 1846 im Kirchenstaat und in der Folge in weiteren italienischen Staatsgebilden in Form der Einführung von Verfassungen mit bürgerlichen Rechten) oder auch revolutionäre Entwicklungen gegeben, wie beispielsweise der Sonderbundskrieg von November 1847 zwischen den katholisch-konservativ und den liberal geprägten Kantonen in der Schweiz, der die Umwandlung der Eidgenossenschaft von einem Staatenbund zu einem Bundesstaat mit der einheitlichen Verfassung von September 1848 zur Folge hatte; – Entwicklungen, die die Erhebungen in Frankreich und den Staaten des deutschen Bundes (vgl. Märzrevolution) ab Februar/März 1848 begünstigten. Diese bisweilen als Völkerfrühling bezeichneten Prozesse hielten teils bis ins Jahr 1849 an. Es handelte sich dabei im Wesentlichen um Erhebungen, die sich gegen die nach dem Wiener Kongress von 1814/15 beschlossene Restaurationspolitik der mächtigsten mitteleuropäischen Fürstentümer und Monarchien der sogenannten Heiligen Allianz richteten. Die Restaurationsmächte – ihnen voran die am Absolutismus des 18. Jahrhunderts und der Vorstellung des Gottesgnadentums orientierten Monarchen Österreichs, Preußens, Russlands und (eingeschränkt) Frankreichs – waren seit dem Ende der napoleonischen Kriege bestrebt gewesen, die Macht- und Sozialstrukturen in Europa wieder herzustellen, wie sie vor der französischen Revolution von 1789 geherrscht hatten (vgl. Ancien Régime).

Getragen wurden die Erhebungen gegen die Restauration von den in der Aufklärung fußenden Ideen des klassischen Liberalismus, der sich mit dem zu der Zeit als progressiv geltenden Nationalstaatsgedanken (Nationalismus) und dem Prinzip der Volkssouveränität verband. Insofern waren viele der Revolutionen von 1848/49 auch das Ergebnis von jeweils unterschiedlich entwickelten nationalen Einheits- und Unabhängigkeitsbewegungen, die sich bereits in den vorausgehenden Jahrzehnten – oft im politischen Untergrund – entwickelt hatten (vgl. auch Vormärz und Demokratische Bewegung (Deutschland)). Gefordert wurden Verfassungen für die jeweiligen Staatsgebilde, Presse-, Meinungsfreiheit und weitere demokratische Rechte, Volksbewaffnung und Aufstellung von Bürgermilizen, Bauernbefreiung, Liberalisierung der Wirtschaft, Aufhebung der Zollschranken bis hin zur Abschaffung monarchischer Herrschaftsstrukturen zugunsten der Etablierung republikanischer Staatsgebilde, oder zumindest die Beschränkung der Fürstenmacht in Form von konstitutionellen Monarchien.

Auf der sozioökonomischen Ebene bildeten die sozialstrukturellen Begleiterscheinungen der Industriellen Revolution, die mit neuartigen technologischen Entwicklungen in Produktion und Gewerbe Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts ihren Anfang in Großbritannien genommen, und im Lauf des 19. Jahrhunderts auch den europäischen Kontinentalraum erfasst hatte, einen wichtigen Nährboden für die Erhebungen. Bedingt durch ein starkes Bevölkerungswachstum während der Frühindustrialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bei gleichzeitig stagnierendem Produktivitätszuwachs und einer krisenhaften Entwicklung im Handwerk (vor allem dem Textilgewerbe) und in der Landwirtschaft, verstärkt durch Missernten und in deren Folge Hungersnöte (Hungerwinter 1847/48), nahm der Unmut gegenüber den herrschenden sozialen Verhältnissen auch in der zunehmend notleidenden Bevölkerung der landlosen Bauern und der neu entstehenden Schicht des Industrieproletariats zu. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eine neue revolutionäre Basis, auf die bereits frühsozialistische Ideen einwirkten (vgl. auch Pauperismus, die vorindustrielle Massenarmut, und Soziale Frage).

Die Revolutionen, die anfangs in einigen (z. B. italienischen und deutschen) Ländern durch Zugeständnisse der herrschenden Fürsten in Form von Verfassungszusagen und der Einführung liberaler Reformen in ihrer Stoßkraft abgeschwächt wurden, gelten insbesondere in Bezug auf den Vorstellungsraum Deutschland und Österreich − zumindest hinsichtlich ihrer unmittelbaren Niederschlagung dort bis Spätsommer 1849 – als gescheitert. Viele Aktivisten emigrierten oder wanderten danach endgültig aus ihren Herkunftsländern oft nach Übersee aus. Insbesondere in den USA wurden die neuen Immigranten dieser Zeit als Forty-Eighters gegenüber anderen Einwanderern früherer oder späterer Zeitabschnitte in der Bezeichnung differenziert herausgestellt.

Längerfristige Entwicklungsstränge

Obwohl insbesondere die nationalstaatlichen Zielsetzungen der meisten europäischen Revolutionen von 1848/49 mit ihren grundsätzlichen Veränderungsanliegen vorerst gescheitert waren und speziell in den deutschen Staaten in eine Periode der politischen Reaktion mündeten (vgl. Reaktionsära), bilden diese Revolutionen in der rückblickenden historischen Betrachtung den Endpunkt eines längerfristigen Prozesses, der mit der ersten bürgerlichen Revolution in Europa, der französischen Revolution von 1789 begonnen hatte, und der die Etablierung des vormalig politisch relativ einflusslosen Dritten Standes – des Bürgertums – als einflussreichen Wirtschafts- und Machtfaktor neben der Aristokratie langfristig festigte. In diesen Prozess, der bisweilen als „Zeitalter der bürgerlichen Revolutionen“ bezeichnet wird, sind auch verschiedene Ereignisse und Entwicklungen vor 1848/49 eingebunden, ohne die die Revolutionen um die Mitte des 19. Jahrhunderts kaum denkbar wären. Dazu gehören beispielsweise die napoleonische Hegemonie mit der Verbreitung des Code Civil zwischen ca. 1799 und 1812 ebenso wie die Spanische und die Griechische Revolution in den 1820er Jahren, die französische Julirevolution von 1830 und die Abspaltung Belgiens als konstitutionelle liberale Monarchie von den Niederlanden (Belgische Revolution) ebenfalls 1830, sowie die verschiedenen Aufstände des frühen Risorgimento in den italienischen Staaten. Spätestens ab 1848 wurde die Bourgeoisie, im engeren Sinn das Großbürgertum, zur ökonomisch herrschenden Klasse der Gesellschaften Mitteleuropas. Die Jahre 1848/49 markieren nach marxistischer Diktion auch die Trennung der Arbeiterklasse bzw. des Proletariats als neue potenziell revolutionäre Klasse vom Bürgertum.

Die revolutionären Schübe zwischen 1789 und 1848/49 prägten die politische Kultur und das pluralistische Demokratieverständnis der meisten Staaten Mitteleuropas in der Moderne langfristig und nachhaltig. So z. B. in der Bundesrepublik Deutschland, deren Grundgesetz auf dem 1848/49 in der ersten gesamtdeutschen Nationalversammlung ausgearbeitetem Verfassungsentwurf basiert, in Österreich, Frankreich, Italien, Ungarn, Polen, Dänemark, der Tschechoslowakei bzw. im heutigen Tschechien und der Slowakei. Mit den Ereignissen von 1848/1849 wurde der Siegeszug der bürgerlichen Demokratie in die Wege geleitet, der auf lange Sicht die spätere historische, politische und soziale Entwicklung fast ganz Europas bestimmte.

Die Revolutionen von 1848 gaben in zwischenstaatlichen Grundzügen zusätzlich zu vorherigen, in der Aufklärung begründeten Entwicklungen einige ideelle Impulse für die Entwicklung der Europäischen Union (EU) im späten 20. Jahrhundert. So vertrat der italienische Revolutionär Giuseppe Mazzini schon vor den revolutionären Wirren um 1848 ein Europa der Völker. Er stellte diese Utopie gegen das Europa der autoritären Fürstentümer und nahm damit eine politisch-soziale Grundidee der EU vorweg.

Die revolutionären Erhebungen von 1848/49 im Einzelnen (Verweise auf die Unterartikel)

Zu den österreichischen Provinzen und Kronländern außerhalb des Deutschen Bundes siehe z. B. Slowakischer Aufstand und Ungarische Revolution 1848/1849 bzw. die Unterkapitel bei 'Deutsche Revolution 1848/49': Ungarn bzw. bei 'Revolution von 1848/49 im Kaisertum Österreich' das Unterkapitel Ungarn und Kroatien, ansonsten im folgenden einen Teil der unter österreichischer Hoheit stehenden italienischen Provinzen:

Literatur

Weblinks

 Commons: Revolutionen von 1848 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Revolution von 1848 – Quellen und Volltexte

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