NS-Aufhebungsgesetz

NS-Aufhebungsgesetz

Durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile (NS-AufhG) in der Strafrechtspflege, beschlossen 1998 und geändert 2002, werden verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben. Die den Entscheidungen zugrunde liegenden Verfahren werden eingestellt. Nicht aufgehoben sind Urteile wegen Kriegsverrat.

Basisdaten
Titel: Gesetz zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile
in der Strafrechtspflege
Kurztitel: NS-Unrechtsurteileaufhebungsgesetz
Abkürzung: NS-AufhG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Strafrecht, Privatrecht
FNA: 450-29
Datum des Gesetzes: 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501)
Inkrafttreten am: 1. September 1998
Letzte Änderung durch: Art. 1 G vom 23. Juli 2002
(BGBl. I S. 2714)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
23. Juli 2002
(Art. 2 G vom 23. Juli 2002)
Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung.

Pauschal aufgehoben wurden 1998 zunächst nur alle Urteile des Volksgerichtshofes und der Standgerichte. Im Gesetzentwurf waren die Urteile der Militärgerichte gleichfalls aufgeführt, wurden aber in letzter Lesung gestrichen. Urteile anderer Gerichte werden aufgehoben, wenn sie auf einer der im Gesetzesanhang aufgezählten nationalsozialistischen Normen beruhten oder "unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind" (§ 1). Ein finanzieller Entschädigungsanspruch, der über das nach anderen Vorschriften Gewährte hinausgeht, wird durch das Gesetz nicht begründet.

Inhaltsverzeichnis

Änderungsgesetz vom 23. Juli 2002

Erst 2002 wurde das Gesetz durch das NS-AufhGÄndG in der Weise geändert, dass nun auch die Urteile der Militärgerichte gegen Deserteure der Wehrmacht sowie Urteile nach §§ 175, 175 a Nr. 4 (widernatürliche Unzucht = Homosexuelle Handelungen) pauschal aufgehoben wurden.[1] Im Bundestag wurde die Gesetzesänderung beschlossen mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Gegenstimmen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP. In der Plenardebatte hatten Redner von CDU/CSU und FDP betont, die Regelung nach dem Gesetz von 1998 sei ausreichend, die Generalklausel des § 1 erfasse auch diese Betroffenengruppen. Im Übrigen entstünde durch die pauschale Rehabilitierung der Deserteure die Gefahr, alle übrigen Soldaten moralisch abzuqualifizieren und auch die Richter der Militärjustiz pauschal zu verurteilen. Die Redner der Regierungsfraktionen betonten, dass Betroffene sich nach der Regelung von 1998 einer Einzelfallprüfung unterziehen mussten. Insbesondere der dabei zu erbringende Beweis ihrer Verurteilung sei wegen der oft fehlenden Dokumentation der Urteile schwierig, zudem für die Betroffenen entwürdigend. Nun seien sie pauschal vom "Makel des Vorbestraften" befreit. Weitergehende Anträge der PDS-Fraktion, die auch eine Rehabilitierung und Versorgung bei Landesverrat (ein Tatbestand, der auch die Eingliederung in eine fremde Armee nach einer erfolgreichen Desertion beinhaltet) bzw. eine großzügigere Entschädigungsregelung forderte (BTDrucks 14/5612), wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt.

Entwurf eines zweiten Änderungsgesetzes

Am 10. Mai 2007 befasste sich der Bundestag in seiner 97. Sitzung[2] unter Tagesordnungspunkt 20 mit einem von der Fraktion der Linken eingebrachten Entwurf[3] vom 25. Oktober 2006 eines zweiten Änderungsgesetzes. Damit sollten auch die Urteile gegen so genannte „Kriegsverräter“ aufgehoben werden. Die Reden der Abgeordneten Norbert Geis (CDU/CSU), Carl-Christian Dressel (SPD), Jörg van Essen (FDP), Jan Korte (Die Linke) und Volker Beck (B’90/Grüne) wurden dazu zu Protokoll (Anhang 10) gegeben und der Entwurf an Ausschüsse übergeben. Eine Plenardebatte fand nicht statt.

Literatur

  • Wolfram Wette: Deserteure der Wehrmacht rehabilitiert - Ein exemplarischer Meinungswandel in Deutschland (1980–2002) In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 52 (2004), S. 505 – 527

Siehe auch:

Quellen

  1. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege
  2. BT Plenarprotokoll 16/97.
  3. BT-Drucks. 16/3139.

Weblinks

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege — Basisdaten Titel: Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege Kurztitel: NS Unrechtsurteileaufhebungsgesetz Abkürzung: NS AufhG Art: Bundesgesetz …   Deutsch Wikipedia

  • Kriegsverrat — war ein juristischer Begriff des Nationalsozialismus für „Feindbegünstigung“ im Krieg. Es handelte sich um Taten von Angehörigen der Wehrmacht im Einsatz, die vom Regime als Landesverrat eingestuft wurden und mit Todesstrafe bedroht waren. Die… …   Deutsch Wikipedia

  • Kriegsverrat im Nationalsozialismus — Kriegsverrat war ein juristischer Begriff für „Feindbegünstigung“ im Krieg, der im Nationalsozialismus in seiner Bedeutung so weit gefasst wurde, dass jedes damals unerwünschte Verhalten damit bestraft werden konnte. Ursprünglich handelte es sich …   Deutsch Wikipedia

  • Paragraph 175 — (known formally as §175 StGB; also known as Section 175 in English) was a provision of the German Criminal Code from 15 May 1871 to 10 March 1994. It made homosexual acts between males a crime, and in early revisions the provision also… …   Wikipedia

  • Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen — Frontansicht des Denkmals Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen ist eine Gedenkstätte am Berliner Tiergarten, die am 27. Mai 2008 eingeweiht wurde. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Der homosexuellen NS-Opfer gedenken — Frontansicht des Denkmals Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen ist eine Gedenkstätte am Berliner Tiergarten, die am 27. Mai 2008 eingeweiht wurde. Inhaltsverzeichnis 1 Gestaltung …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz gegen die Neubildung von Parteien — Das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933 (RGBl. I/479) verbot im Deutschen Reich alle Parteien neben der NSDAP. Es wurde von der Reichsregierung beschlossen und von Adolf Hitler, Wilhelm Frick und Franz Gürtner verkündet und …   Deutsch Wikipedia

  • Heimkehrergesetz — Basisdaten Titel: Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer Kurztitel: Heimkehrergesetz Abkürzung: HkG Art: Bundesgesetz Geltungsbereich …   Deutsch Wikipedia

  • Homomahnmal — Frontansicht des Denkmals Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen ist eine Gedenkstätte am Berliner Tiergarten, die am 27. Mai 2008 eingeweiht wurde. Inhaltsverzeichnis 1 Gestaltung …   Deutsch Wikipedia

  • Homosexualität in den Vereinigten Staaten — Rechtlicher Status gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in den Bundesstaaten der USA ██ Gleichgeschlechtliche Ehe ██ Partnerschaft mit eheähnlichen Rechten …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”