Netzebene 3

Netzebene 3

Die Netzebene 3 (NE3) ist im heutigen Sprachgebrauch der Begriff für regionale Breitbandkabelnetze, insbesondere die aus Verzweigungskabel und Hauptkabel bestehenden Netze, die, abgehend von den Hauptverteilern über die Kabelverzweiger, innerhalb von Ortschaften die Signale bis zu den privaten Grundstücken weiterleiten und verteilen.

Inhaltsverzeichnis

Kabelfernsehnetz

Entstehung NE

Als das Kabelfernsehen in Deutschland eingeführt wurde, ist die Aufteilung in verschiedene Netzebenen vorgenommen worden. Ausschlaggebend waren hierbei technische und ökonomische Kriterien. Vereinfacht gesagt funktioniert das Netz, indem von den Sendern/Fernsehstudios Programminhalte produziert werden und an die Kabelkopfstationen herangeführt werden. Zu Anfang der achtziger Jahre ist dies überwiegend auf terrestrischem Wege geschehen (d. h. mittels Antennen). Heute ist diese Übermittlungsform selten geworden: Die meisten Sender haben auf Satelliten sogenannte Transponderplätze gemietet und senden die Programme direkt über einen Uplink auf den Satelliten. Dies ist die Netzebene 1. Die Netzebene 2 bestand aus den Empfangsstellen, den so genannten Kabelkopfstationen, ursprünglich auch aus der überregionalen Verteilebene, die über Fernsehtürme abgedeckt wurde. Hier werden die Signale empfangen und aufbereitet, danach in die örtlichen Netze verteilt. Den Abschluss dieser Netzebene bilden eigentlich kleinere Verteilstationen, die in etwa ein Stadtviertel versorgen. Erst hier beginnt offiziell die Netzebene 3, die von dort aus die Verteilung der Rundfunksignale durch die Straßen und Vorgärten bis in die Häuser übernimmt.

Heute hat sich der Begriff "Netzebene 3" auf die gesamte regionale Signalübermittlung ausgedehnt, d.h. von der Kopfstation bis zum Haus. Im Kabelgeschäft spielen die Netzebenen 1 und 2 als eigenständige Begriffe nur noch eine untergeordnete Rolle. Im folgenden wird von der heutigen Begrifflichkeit ausgegangen.

Technische Netzhierarchie

Die Netzebene 3 ist in verschiedene Teilebenen untergliedert: Der herkömmliche Aufbau sieht von der Kopfstation (im Fachjargon: Übergeordnete BK-Verstärkerstelle/üBK) ausgehend starke Adern aus Koaxialkabel vor, die bis in die Stadtviertel geführt werden und in so genannten Benutzerseitigen BK-Verstärkerstellen/bBK enden. Ab dort schließt sich eine Baumstruktur aus Kupferkabel an, die wiederum unterteilt ist:

A-Linien und B-Linien sorgen für den Weitertransport innerhalb des Stadtviertels

C-Linien versorgen Straßenzüge und verlaufen entlang der Straße (meist am Fahrbahnrand)

D-Linien sind die abgehenden Verbindungen, die einzelne Häuser versorgen.

Auf diesen langen Strecken ist es notwendig, das transportierte Signal immer wieder zu verstärken, insbesondere, wenn sich eine Verzweigung in die nächste Verteilebene ergibt. Augenfälligstes Erscheinungsbild dieser Notwendigkeit sind die Straßenverteiler, die als graue Kästen auf den Bürgersteigen stehen. Der Ausfall ganzer Straßenzüge oder Stadtviertel ist häufig darin begründet, dass Verkehrsteilnehmer diese Kästen rammen und die Kabelverbindung so unterbrechen. Auch bei Straßenbauarbeiten ist es immer wieder vorgekommen, dass Linien durch Bagger gekappt wurden und tausende Bildschirme dadurch schwarz blieben.

Der Netzabschluss ist der Übergabepunkt (ÜP), wo die Verbindung zum Hausnetz hergestellt wird. Der Übergabepunkt bildet das letzte Element der Netzebene 3 und ist daher Eigentum des jeweiligen Betreibers. Im allgemeinen ist er ein kleines, unscheinbares Kästchen, das im Keller des Hauses angebracht wird. Das anschließende Hausnetz wird als Netzebene 4 bezeichnet.

Netzaufrüstung und Ringstruktur

In den neunziger Jahren wurde die Netzebene 3 zunächst projektweise, ab 2000 auch großflächig in ihrer Topologie umgebaut. Statt des hierarchisch organisierten Baumnetzes wurden zwischen den Einspeisestationen Ringe aus Glasfaser gelegt. Dabei versorgen regionale Ringe ein großes Gebiet mit einem Einzugsbereich von Millionen Teilnehmern. Diese können von einem zentralen Netzwerkknoten die empfangenen Signale großflächig in beide Richtungen weiterleiten. Die über einen solchen Ring angeschlossenen Kopfstationen werden damit zu untergeordneten Netzwerkknoten und benötigen keine eigenen Empfangseinrichtungen mehr. Von diesen Stationen aus zweigen weitere Glasfaserringe ab, die die alten Koaxialstrecken ersetzen und die Knoten der einzelnen Stadtviertel miteinander verbinden. Um den Datentransport in Richtung der Teilnehmer zu optimieren, werden dahinter Stichleitungen aus Glasfaser bis zu den Straßenverteilern gelegt, in denen die Glasfaserstrecke endet und der Übergang zum bereits vorhandenen Koaxialnetz hergestellt wird. Diese Übergänge werden Glasfaserknoten, optische Knoten oder Fiber Nodes genannt. Hinter einem Glasfaserknoten liegen in der Regel zwischen 1.500 und 6.000 zu versorgende Wohneinheiten. Damit sind die grauen Kästen auf den Bürgersteigen ein wichtiges Glied der Multimediaversorgung geworden.

Zwei wesentliche Vorteile ergeben sich durch diese Struktur:

  • Die Störanfälligkeit wird auf ein Minimum reduziert. Sollte ein Glasfaserring beschädigt werden, kann das Signal einfach den umgekehrten Weg nehmen und wird nicht mehr unterbrochen. Dadurch vermindern sich die Signalausfälle drastisch.
  • Dadurch, dass Signale in zwei Richtungen transportiert werden, ist aus dem unidirektionalen Verteilnetz ein bidirektionales Multimedianetz geworden, über das neue Anwendungen laufen können: So wird es möglich, alle Dienste anzubieten, die Datentransport in zwei Richtungen erfordern, beispielsweise Telefondienste und Internetdienste.
  • Die Leistungsfähigkeit der Glasfaser erlaubt ein wesentlich größeres Angebot an Programmen und Diensten. Die Anzahl der belegbaren Kanäle verdoppelt sich.

Als in den Jahren 2000 bis 2002 in Nordrhein-Westfalen ein Gebiet mit einer Million versorgbarer Teilnehmerhaushalte auf diese Struktur umgerüstet wurde, wurden auch Probleme deutlich:

  • Die Umstellung führte zunächst zu technischen Problemen wie Bild- und Tonausfall, die erst nach Wochen vollständig abgestellt werden konnten.
  • Die Investition in solche Maßnahmen war derart kapitalintensiv, dass 2002 von der Ausweitung dieser Maßnahmen abgesehen wurde. Der Netzbetreiber ish war zwischenzeitlich in eine Finanzierungskrise geraten.

Geschäftsmodelle

Lange Zeit herrschte in der Netzebene 3 ein Monopol der Deutschen Bundespost, das die Deutsche Telekom übernahm. Wer Kabelfernsehen nutzen wollte, wendete sich an den Monopolbetreiber und nutzte den Anschluss gegen eine monatliche Gebühr. Alternativen ergaben sich nur über den klassischen terrestrischen Empfang über Zimmer- oder Hausantenne mit entsprechend limitiertem Angebot oder über Satellitenempfang, der in vielen Fällen bis heute nicht vom Vermieter gestattet wird. Die Kabelnutzungsgebühren waren und sind heute noch nach Mengenstaffeln aufgebaut, d. h. dass das Entgelt pro Teilnehmer sinkt, je mehr von ihnen am selben Übergabepunkt angeschlossen sind.

Gewerbliche Betreiber hatten in Einzelfällen die Möglichkeit, einen sogenannten "höherwertigen ÜP" zu beantragen, der nicht erst hinter der D-Linie endet, sondern bereits in der Straße. Aufgrund dessen höherer Leistungsfähigkeit konnten hinter diesem ganze Neubaugebiete angeschlossen werden, so dass die privaten Kabelunternehmen große Teilstücke der Netzebene 3 in Eigenregie gebaut haben und ihrerseits Monopole in Stadtvierteln aufbauten.

In den Gebieten, in denen heute neue Anwendungen angeboten werden, ist der Markt in Bewegung geraten: Internetdienste über Kabel sind dem telefongebundenen Internet mindestens ebenbürtig, physikalisch durch das Verteilmedium "Koaxialkabel" bedingt eigentlich noch viel leistungsfähiger als die 2-Draht-Telefonverkabelung. Dem gegenüber steht, dass in Deutschland (im Gegensatz zum Rest der Welt) schnelles Internet begrifflich mit DSL gleichgesetzt wird und nicht auch Internet über TV-Kabel in Erwägung gezogen wird. Neben der massiven Werbung für DSL war es auch die Wettbewerbsbehinderung durch die Telekom, die ganz bewusst politisch beim Verkauf der Kabelnetze die aus der Aufbauphase des Netzes herrührende Zersplitterung der Netzebenen beibehalten wollte, um einen unmittelbaren neu entstehenden Wettbewerber klein zu halten. Auch wenn dies mit "Verhinderung eines Fernsehmonopols" begründet wurde, so war doch eingeweihten Kreisen durch die Erfahrungen aus USA und der Schweiz klar, dass über TV-Kabel auch die klassischen Telekom-Dienste Internet und Telefonie angeboten werden können und hier auf einen Schlag beim Verkauf des BK-Netzes ein unmittelbarer und flächendeckender Wettbewerber zur klassischen Telekom entstanden wäre, was natürlich nicht im Interesse der Telekom war.

Um die neuen Dienste nutzen zu können, benötigt der Teilnehmer allerdings nicht nur ein Kabelmodem, sondern auch die entsprechende technische Leistungsfähigkeit der Hausnetze, die oft im Eigentum anderer Betreiber stehen (siehe hierzu den Artikel Netzebene 4). Erst wenn sich Betreiber der Netzebenen 3 und 4 über die Durchleitung der Internetdienste einigen und die technischen Investitionen getätigt werden, kann der Nutzer Internet erhalten. Dieser Dienst wird vom Betreiber der Netzebene 3 angeboten, so dass ein doppeltes Kundenverhältnis entsteht. Gestattungen mit und ohne Ausgleichszahlungen zwischen den beteiligten Netzbetreibern sind hierbei möglich.

Betreiber und neuere Entwicklung

Als die Telekom 1999 auf Druck der EU ihr Kabelgeschäft ausgliederte und später an Investoren verkaufte, gründete sie hierfür zunächst die Tochter Kabel Deutschland, die ihr Geschäft in mehrere Regionen aufteilte. Verkauft werden konnten zunächst die Regionen Baden-Württemberg (heute Kabel BW), Nordrhein-Westfalen (zunächst firmierend als Kabel-NRW, später ish), und Hessen (zunächst firmierend als iesy). Die restlichen Regionen behielten den Namen Kabel Deutschland und wurden erst 2002 an ein privates Konsortium verkauft. Im Sommer 2005 haben Ish und Iesy fusioniert und daraus entstand Unitymedia. Zwischenzeitlich geplante Rückfusionen oder Übernahmen von großen Betreibern der Netzebene 4 wurden unterbunden, so dass heute (2005) drei große Betreiber regionale Netze bewirtschaften. Der Modernisierungsstand der Kabelnetze ist demnach recht unterschiedlich; am weitesten ist bis heute ish in NRW gegangen: Die Netze in Köln, Düsseldorf, Bochum, Dortmund und ab Herbst 2004 auch Bonn sind zum größten Teil multimediafähig. Der Erfolg der neuen Anwendungen ist größtenteils hinter den Erwartungen zurück geblieben, da die Einigung mit den Betreibern der Netzebene 4 auf Geschäftsmodelle kompliziert ist. Besonders die Breitbandgesellschaft der Robert Bosch GmbH setzt auf einen eigenen Aufbau regionaler Netze, um die ganze Wertschöpfung des Kabelgeschäfts für sich zu nutzen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Akquisition großer Wohnungsunternehmen, deren Menge an Wohneinheiten einen wirtschaftlichen Betrieb wahrscheinlicher macht. Die größeren NE4-Betreiber Telecolumbus, ewt und Primacom haben sich ihrerseits im September 2006 zusammengeschlossen.

Telefonnetz

Genau wie im Kabelfernsehnetz gibt es auch im Telefonnetz die Netzebene 3. Entgegen dem Kabelfernsehnetz bestehen die Verzweigungskabel, die die Netzebene 3 bilden, im Telefonnetz jedoch nicht aus Koaxialkabeln, sondern überwiegend aus Kupferdoppeladern, vermehrt auch Glasfaserkabeln.

Siehe auch


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