- Nikah
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Die islamische Ehe (Nikah) ist eine nach Maßgabe der Scharia geschlossene Ehe. Sie gilt nach muslimischer Systematik als zivilrechtlicher Vertrag aus der Gruppe der Kaufverträge und hat keine religiöse Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
Eheschließung
Bei der ersten Ehe ist nach Auffassung der meisten Rechtsschulen ein Ehevormund für die Frau zwingend notwendig. Ist der Ehevormund der Vater oder Großvater väterlicherseits, kann er nach der klassischen Lehre die Ehe als wali mudschbir („Ehevormund mit der Berechtigung zum Zwang“) auch gegen den ausdrücklichen Willen der Frau schließen. Die Encyclopaedia of Islam schreibt dazu:
„The father or the grandfather, however, has the right to marry his daughter or granddaughter against her will, as long as she is a virgin (he is therefore called wali mudjbir, wali with power to coercion).“
– Encyclopaedia of Islam: New Edition, Volume VIII, Seite 27b
Daneben ist nach schiitischer Auffassung eine Ehe auf Zeit, die so genannte Mut'a-Ehe möglich, beispielsweise im Iran. Der zeitgebundene Ehevertrag gehört nach muslimischer Systematik zur Gruppe der Miet- und Pachtverträge. Hierbei kann eine Ehe für einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel für einige Stunden geschlossen werden und endet dann automatisch. Auch die Vereinbarung einer bestimmten Anzahl sexueller Begegnungen, mindestens jedoch einer, ist möglich. Viele sunnitische Korangelehrte verurteilen diese Form der Ehe als Legitimation der Prostitution.
Ein Mindestalter für die Verheiratung gibt es im klassischen islamischen Recht nicht. Die Scharia erlaubt den Vollzug der Ehe bei Mädchen ab 9 Jahren oder ab dem Einsetzen der Pubertät, was für Mädchen das Einsetzen der Regelblutung bedeutet (siehe Kinderheirat). Heutiges Recht in den meisten muslimischen Ländern setzt jedoch ein Mindestalter fest.
Praxis in der Ehe
Der Mann ist der Frau zum Unterhalt verpflichtet – dieser ist nötigenfalls von der Frau einklagbar. Das verdiente Geld der Frau dagegen gehört alleine ihr, ihr Mann sowie ihre Kinder haben keinen Anspruch darauf. Es ist alleine ihre Entscheidung, was sie mit dem Geld macht. Der Mann hat die Verpflichtung, seine Frau gut zu behandeln und sie zu unterstützen.
Scheidung
Die Scheidung ist im Islam grundsätzlich Männern und Frauen möglich, jedoch zu ganz unterschiedlichen Bedingungen, je nach Geschlecht.
Eine Ehescheidung durch die Frau (Chul', arab. Selbstloskauf der Frau aus der Ehe) ist nach klassischem islamischen Recht nur bei Gründen zulässig, auf die sie keinen Einfluss hat: mangelnder oder fehlender Unterhalt von Seiten des Ehemanns und sexuelle Vernachlässigung durch den Ehemann (drei Monate oder länger kein Geschlechtsverkehr). In diesen beiden Fällen muss sie Klage bei einem Richter erheben, der dann die Scheidung vollziehen kann.
Der Ehemann dagegen kann sich ohne Nennung von Gründen jederzeit durch das dreimalige Aussprechen der Scheidungsformel gültig scheiden. Für den Mann gilt die Regel, wonach die Scheidung endgültig vollzogen ist, wenn er gegenüber seiner Ehefrau zum dritten Mal eine Aussage getätigt hat, deren Form eindeutig auf die Absicht zur Beendigung des ehelichen Verhältnisses schließen lässt, klassischerweise „talaq, talaq, talaq“.
Der Koran schreibt in der Sure „Die Scheidung“ vor, vor dem endgültigen Scheidungsausspruch eine Wartezeit bis zum Ablauf der nächsten Menstruationsphase, die eine Schwangerschaft ausschließt, einzuhalten. Während dieser Wartezeit darf die Ehefrau nicht wie in der vorislamischen Zeit dazu gebracht werden, auszuziehen. Auch sie selbst ist dazu angehalten, nicht auszuziehen. Dem endgültigen Scheidungsausspruch müssen der ebengenannten Sure zufolge zwei vertrauenswürdige Zeugen beiwohnen.
Der Ehemann muss zur Gültigkeit der Scheidung die Ehefrau davon nicht einmal in Kenntnis setzen. Der Scheidungsausspruch durch einen Brief ist nach der Scharia jedoch erlaubt und durchaus üblich. Neuerdings haben islamische Rechtsgelehrte die Auffassung vertreten, dass auch ein Scheidungsausspruch per SMS gültig sei. Dies wird deshalb auch in den Golfstaaten immer populärer.
Auch eine Scheidung auf gegenseitiger Einwilligung ist möglich, d. h. wenn beide Ehepartner entscheiden, dass sie nicht mehr miteinander leben wollen. Nach moderner Rechtsprechung in muslimischen Staaten, jedoch nicht nach der klassischen Scharia, setzt eine Scheidung in den meisten Fällen eine Trennungszeit von mindestens drei Monaten voraus.Gegen eine Versöhnung bestehen nach Ablauf der jeweiligen Wartefrist keine Bedenken, sondern diese ist sogar erwünscht. Wurde die Scheidungsformel allerdings dreimal ausgesprochen, ist eine Wiederverheiratung erst nach der Ehe der Frau mit einem anderen Mann erlaubt.
Polygamie
Der Koran erlaubt die Ehelichung von bis zu vier Frauen sowie eine unbestimmte Zahl von Konkubinen.
„Und wenn ihr fürchtet, in Sachen der (eurer Obhut anvertrauten weiblichen) Waisen nicht recht zu tun, dann heiratet, was euch an Frauen gut ansteht, (ein jeder) zwei, drei oder vier. Und wenn ihr fürchtet, (so viele) nicht gerecht zu behandeln, dann (nur) eine, oder was ihr (an Sklavinnen) besitzt! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun.“
– Koran Sure 4, Vers 3: Übersetzung nach Rudi Paret
Eine Frau hingegen kann nur mit einem einzigen Mann verheiratet sein.
Nach islamischem Verständnis sind die intimen Lebensbereiche von heiratsfähigen Frauen und Männern grundsätzlich getrennt; die Ehe ist der einzige Ort, in dem diese Trennung legitimerweise aufgehoben ist. Der Koran empfiehlt die Ehe mit diesem Hintergrund in hohem Maße; sie helfe unter anderem zur geistigen Vervollkommnung und ist daher gerne gesehen. Jede Muslimin und jeder Muslim, die zur Ehe in der Lage sind, sollten versuchen, dem nachzukommen. Dabei gilt die Monogamie als bevorzugt, Polygamie (zwei bis vier Frauen) seitens des Mannes ist zwar ungerne gesehen und verpönt, aber erlaubt.
In Tunesien und in der Türkei ist die Polygamie verboten, wobei das Gesetz in der Türkei aber bisweilen durch die Imam-Ehe umgangen wird.[1] Zahlreiche muslimische Länder schränken das Mehrehe-Recht allerdings ein, indem sie dem Gleichbehandlungsanspruch des Korans folgen. In Marokko zum Beispiel muss gerichtlich nachweisbar sein, dass ein Mann finanziell in der Lage ist, jeder Frau eine eigene Wohnung zur Verfügung zu stellen sowie für mögliche Kinder zu sorgen.
Situation in verschiedenen Ländern
Europa und Amerika
Die islamische Ehe, die nach Maßgabe der Scharia in europäischen oder amerikanischen Ländern geschlossen wurde, hat in europäischen und amerikanischen Staaten keine Rechtswirkung. Rechtliche Gültigkeit hat in den jeweiligen Ländern Europas und Amerikas im Eherecht allein die vor dem Staat geschlossene zivilrechtliche Ehe.
Türkei
Dies gilt auch für die Türkei, wo die Scharia im Zuge der Gründung der Türkischen Republik 1923/24 als Gesetzesgrundlage abgeschafft wurde.[2]
Indien
In Indien ist das Eherecht der Religionszugehörigkeit untergeordnet. Dies beinhaltet, dass es für Muslime ein eigenes Familien- und Eherecht gibt.
Im muslimischen Recht wird die Ehe als Zivilvertrag betrachtet und der Kadi hält die Daten der Eheschließung in einem Nikahnama fest, das dem verheirateten Paar ausgehändigt wird. Es gilt der Muslim Personal Law (Shariat) Application Act von 1937.
Für die Scheidung wurde 1986 der Muslim Women (Protection of Rights on Divorce) Act erlassen, der auch das Thema Mahr und die Frage des Unterhalts definiert.
Berühmt wurde der Fall von Shah Bano, die 1985 ihren geschiedenen Mann auf Unterhalt verklagt hatte. Der oberste Gerichtshof hatte ihrer Klage stattgegeben und zwar nicht durch Interpretation des islamischen Rechts, sondern unter Bezugnahme auf ein britisch-indisches Gesetz, das den Mann zum Unterhalt verpflichtet, um zu verhüten, dass die Frau ein Sozialfall wird. Die Muslimorthodoxie protestierte gegen dieses Urteil und setzte sich mit der Meinung durch, dass sich hier der Gerichtshof in islamische Rechtsvorschriften eingemischt habe, die die Unterhaltspflicht ganz anders regelten. Die Ulama argumentierte, eine Heirat sei ein Vertrag, mit dessen Aufkündigung auch alle Verpflichtungen des Ehemannes erloschen seien. Unterhalt dürfte nur für drei Monate nach der Scheidung gezahlt werden. Die Regierung unter Rajiv Gandhi schloss sich der Sichtweise der Ulama an.
Während große Teile des indischen Rechts durch den Eingriff der Engländer sowie die Gesetzgebung der indischen Parlamente entscheidende Modifikationen erfuhren, blieb das Muslim-Familienrecht weitgehend unverändert. Dies ist auf den Widerstand der Ulama zurückzuführen, die die Scharia als Richtschnur idealen islamischen Verhaltens sieht und dem säkularen indischen Staat nicht gestattet, islamisches Recht zu reformieren.
Saudi-Arabien
Die Personenstandsgesetzgebung Saudi Arabiens basiert auf dem islamischen Gesetz, der Scharia. Dieser Vertrag soll von Zeugen unterschrieben werden und legt eine gewisse Geldsumme (mahr) fest, die von dem Mann an die Frau zu zahlen ist. In den frühen 1990er Jahren betrug der Wert eines durchschnittlichen mahr zwischen 25.000 und 40.000 Riyal; (10.000–15.000 Euro) gelegentlich kam es jedoch vor, dass Paare den Brauch des mahr gänzlich ablehnten und einen nominalen Betrag nutzten, um die formale Bedingungen der saudischen Ehegesetze zu erfüllen.
Legitimiert wurde dies gesetzlich durch folgenden Koranvers: Sure: 4 an-Nisa' (Die Frauen) Vers 4: Und gebt den Frauen ihre Brautgabe als Schenkung. Und wenn sie euch gern etwas davon erlassen, so könnt ihr dies unbedenklich zum Wohlsein verbrauchen.
Der Ehevertrag kann auch eine bestimmte Summe festlegen, die im Falle einer Scheidung an die Frau zu zahlen ist, oder bestimmte andere Bedingungen festlegen, beispielsweise der Frau das Recht zusichern, sich scheiden zu lassen in dem Fall, dass der Mann eine zweite Frau heiratet, oder dass in diesem Fall der Frau das Sorgerecht für die Kinder zusteht. Im Scheidungsfall geht das Sorgerecht zwingend auf den Vater über. Lediglich bis zu einem bestimmten Alter verbleiben die Kinder in der Obhut der Mutter.
Marokko
Marokko hat 2004 sein Familienrecht reformiert. Gewalt ist in der Ehe in Marokko strafbar. Das Heiratsalter der Frauen wurde auf 18 Jahre angehoben. Frauen haben ein Recht auf Scheidung, auf das Sorgerecht für die Kinder und auf Unterhalt.[3]
Siehe auch
Literatur
- Christine Schirrmacher, Ursula Spuler-Stegemann: Frauen und die Scharia – Die Menschenrechte im Islam. Hugendubel Verlag, München 2004, ISBN 3-7205-2527-9.
Einzelnachweise
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