- Mannigfaltigkeit
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Unter einer Mannigfaltigkeit versteht man in der Mathematik einen topologischen Raum, der lokal dem euklidischen Raum gleicht. Im Ganzen muss die Mannigfaltigkeit jedoch nicht einem euklidischen Raum gleichen (nicht zu ihm homöomorph sein).
Mannigfaltigkeiten sind der zentrale Gegenstand der Differentialgeometrie; sie haben bedeutende Anwendungen in der theoretischen Physik.
Inhaltsverzeichnis
Einführendes Beispiel
Ein gern gewähltes Beispiel für eine Mannigfaltigkeit ist eine Sphäre (= Kugeloberfläche), anschaulich etwa die Erdoberfläche:
Jede Region der Erde kann man mit einer Karte auf eine Ebene () abbilden. Nähert man sich dem Rand der Karte, sollte man zu einer anderen Karte wechseln, die das angrenzende Gebiet darstellt. So kann man eine Mannigfaltigkeit durch einen vollständigen Satz von Karten vollständig beschreiben; man braucht dabei Regeln, wie sich beim Kartenwechsel die Karten überlappen. Dagegen gibt es keine einzelne Karte, auf der die gesamte Kugeloberfläche vollständig dargestellt werden kann, ohne sie zu „zerreißen“; Weltkarten haben ja auch stets „Ränder“, oder sie bilden Teile der Erde zweimal ab.
Ein anderes Beispiel ist der Torus („Rettungsring“).
Die Dimension einer Mannigfaltigkeit entspricht der Dimension einer lokalen Karte; alle Karten haben die gleiche Dimension.
Geschichtlicher Überblick
Das Konzept von Mannigfaltigkeiten entstand im neunzehnten Jahrhundert insbesondere durch Forschung in der Geometrie und der Funktionentheorie. Während Differentialgeometer lokale Konzepte wie zum Beispiel die Krümmung von Kurven und Flächen untersuchten, betrachteten Funktionentheoretiker globale Probleme. Sie fanden heraus, dass Eigenschaften von Funktionen F mit topologischen Invarianten der Menge F − 1(c) für bestimmte c zusammenhängen. Diese Mengen F − 1(c) sind Mannigfaltigkeiten (vgl. Satz vom regulären Wert).
Bernhard Riemann machte im Bereich der Geometrie der Mannigfaltigkeiten enorme Fortschritte. In seinem Promotionsvortrag, welchen er unter anderem vor Carl Friedrich Gauß halten musste, führte er die riemannschen Mannigfaltigkeiten ein, welche jedoch noch in den eingebettet waren. Auf diesen Mannigfaltigkeiten kann man Winkel und Abstände messen. In späteren Arbeiten entwickelte er die riemannschen Flächen, welche wahrscheinlich die ersten abstrakten Mannigfaltigkeiten waren. Mannigfaltigkeiten werden zur Abgrenzung manchmal abstrakt genannt, um zu sagen, dass sie keine Teilmenge des euklidischen Raums sind.
Henri Poincaré begann in seinen Arbeiten mit der Untersuchung von dreidimensionalen Mannigfaltigkeiten, während bis dahin überwiegend zweidimensionale Mannigfaltigkeiten (Flächen) behandelt worden waren. Im Jahr 1904 stellt er die nach ihm benannte Poincaré-Vermutung auf. Sie besagt, dass jede einfach-zusammenhängende, kompakte dreidimensionale Mannigfaltigkeit homöomorph zur 3-Sphäre ist. Für diese Vermutung veröffentlichte Grigori Jakowlewitsch Perelman im Jahr 2002 einen nicht durch „Referees“ überprüften Beweis, welcher zwar nicht in einer referierten Fachzeitschrift sondern nur im Internet veröffentlicht wurde, jedoch von der Fachöffentlichkeit als richtig angesehen wird.
Auch Hermann Weyl untersuchte in seinem Werk Riemannian surfaces abstrakte, differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Jedoch wurden erst durch die Veröffentlichungen von Hassler Whitney aus dem Jahr 1936 Mannigfaltigkeiten zu einem etablierten, mathematischen Objekt. Sein wohl bekanntestes Resultat ist der Einbettungssatz von Whitney.
Arten von Mannigfaltigkeiten
Topologische Mannigfaltigkeiten
Sei M ein topologischer Raum. Man nennt M eine (topologische) Mannigfaltigkeit der Dimension n oder kurz eine n-Mannigfaltigkeit, falls die folgenden Eigenschaften erfüllt werden:
- M ist ein Hausdorff-Raum.
- M erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom.
- M ist lokal euklidisch, das heißt, jeder Punkt besitzt eine Umgebung, welche homöomorph zu einer offenen Teilmenge des ist.
Mannigfaltigkeiten erben viele lokale Eigenschaften vom Euklidischen Raum: sie sind lokal wegzusammenhängend, lokal kompakt und lokal metrisierbar.
Mannigfaltigkeiten, welche homöomorph zueinander sind, werden als gleich (bzw. äquivalent) angesehen. Man interessiert sich nun dafür, wie viele nicht äquivalente Mannigfaltigkeiten es gibt. Es ist jedoch nicht möglich, alle Mannigfaltigkeiten zu klassifizieren. Die zusammenhängenden 1-dimensionalen Mannigfaltigkeiten sind die reelle Zahlengerade und der Kreis . Die Klassifikation der 2-Mannigfaltigkeiten ist ebenfalls bekannt. Die Geometrisierung von 3-Mannigfaltigkeiten stellt eine Klassifizierung derselben dar; ihr Beweis durch Grigori Perelman stellt einen der Höhepunkte der Mathematik im frühen 21. Jahrhundert dar. Die 4-dimensionalen Fälle können nicht klassifiziert werden (jede endlich-erzeugte Gruppe ist als Fundamentalgruppe eines solchen Raumes realisierbar, und eine Klassifizierung aller endlich-erzeugten Gruppen ist unmöglich).
Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Um differenzierbare Funktionen zu betrachten, reicht die Struktur einer topologischen Mannigfaltigkeit nicht aus. Es sei M eine solche topologische n-Mannigfaltigkeit ohne Rand. Hat man eine offene Teilmenge von M, auf der ein Homöomorphismus zu einer offenen Menge von definiert ist, nennt man diesen Homöomorphismus eine Karte. Eine Menge von Karten, deren Urbilder M überdecken, nennt man einen Atlas von M. Verschiedene Karten θ,η induzieren einen Homöomorphismus (einen so genannten Kartenwechsel oder Koordinatenwechsel) zwischen offenen Teilmengen von . Falls für einen Atlas alle solchen Kartenwechsel k-mal differenzierbar sind, dann nennt man einen Ck-Atlas. Zwei Ck-Atlanten (derselben Mannigfaltigkeit) nennt man genau dann miteinander verträglich, wenn ihre Vereinigung wieder einen Ck-Atlas bildet. Diese Verträglichkeit ist eine Äquivalenzrelation. Eine Ck-Mannigfaltigkeit ist eine topologische Mannigfaltigkeit zusammen mit einem Ck-Atlas (eigentlich mit einer Äquivalenzklasse von Ck-Atlanten). Glatte Mannigfaltigkeiten sind Mannigfaltigkeiten vom Typ . Sind alle Kartenwechsel sogar analytisch, dann nennt man die Mannigfaltigkeit ebenfalls analytisch oder auch Cω-Mannigfaltigkeit.
Auf einer Ck-Mannigfaltigkeit M nennt man eine Funktion genau dann s-mal differenzierbar (), wenn sie auf jeder Karte s-mal differenzierbar ist.
Zu jeder (parakompakten) Cr-Mannigfaltigkeit (r > 1) existiert ein Atlas, der beliebig oft differenzierbar oder sogar analytisch ist. In der Tat ist diese Struktur sogar eindeutig, das heißt, es ist keine Einschränkung der Allgemeinheit, anzunehmen, dass jede Mannigfaltigkeit analytisch ist (wenn man von differenzierbaren Mannigfaltigkeiten redet).
Diese Aussage ist aber für topologische Mannigfaltigkeiten der Dimension 4 oder höher nicht mehr unbedingt richtig: So gibt es sowohl C0-Mannigfaltigkeiten, die keine differenzierbare Struktur besitzen, als auch C1-Mannigfaltigkeiten (oder auch Cω-M., s.o.), die als differenzierbare Mannigfaltigkeiten unterschiedlich, aber als topologische Mannigfaltigkeiten gleich sind. Das bekannteste Beispiel für den zweiten Fall sind die so genannten exotischen 7-Sphären, die alle homöomorph zu (aber untereinander nicht diffeomorph) sind. Da die topologische und die differenzierbare Kategorie in niedriger Dimension übereinstimmen, sind solche Resultate leider nur schwer zu veranschaulichen.
Tangentialbündel
An jedem Punkt p einer n-dimensionalen, differenzierbaren (aber nicht einer topologischen) Mannigfaltigkeit findet man einen Tangentialraum. In einer Karte heftet man an diesen Punkt einfach einen an und überlegt sich dann, dass das Differential eines Koordinatenwechsels an jedem Punkt einen linearen Isomorphismus definiert, der die Transformation des Tangentialraums in die andere Karte leistet. Abstrakt definiert man den Tangentialraum an p entweder als den Raum der Derivationen an diesem Punkt oder den Raum von Äquivalenzklassen von differenzierbaren Kurven (wobei die Äquivalenzrelation angibt, wann die Geschwindigkeitsvektoren zweier Kurven an p gleich sein sollen).
Die Vereinigung aller Tangentialräume einer Mannigfaltigkeit bildet ein Vektorbündel, das Tangentialbündel genannt wird. Der Tangentialraum einer Mannigfaltigkeit M im Punkt p wird meist mit TpM bezeichnet, das Tangentialbündel mit TM.
Eines der Unterbündel des Tangentialbündels ist das Einheitstangentialbündel UTM, das nur aus Tangentialvektoren der Länge 1 besteht. Seine Fasern sind keine Vektorräume, sondern Sphären der Dimension n − 1. Daher ist es kein Vektorbündel sondern nur ein Faserbündel. Als Bündel ist es unabhängig von der Wahl der Metrik auf den Tangentialräumen.
Komplexe Mannigfaltigkeiten
Eine topologische Mannigfaltigkeit X heißt komplexe Mannigfaltigkeit der (komplexen) Dimension n, falls jeder Punkt eine offene Umgebung hat, die homöomorph zu einer offenen Menge ist. Ferner fordert man, dass für je zwei Karten der Kartenwechsel
holomorph ist. Hierbei bezeichne die Menge .
Der wesentliche Unterschied zu gewöhnlichen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten liegt weniger im Unterschied zwischen und , sondern in der viel stärkeren Forderung der komplexen Differenzierbarkeit der Kartenwechselabbildungen.
(Zusammenhängende) Komplexe Mannigfaltigkeiten der Dimension 1 werden als Riemannsche Flächen bezeichnet. Andere spezielle komplexe Mannigfaltigkeiten sind die Steinschen Mannigfaltigkeiten und die Kählermannigfaltigkeiten, die komplexe, riemannsche Mannigfaltigkeiten sind.
Riemannsche Mannigfaltigkeiten
Um auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit von Längen, Abständen, Winkeln und Volumen zu sprechen, benötigt man eine zusätzliche Struktur. Eine Riemannsche Metrik (auch Metrischer Tensor genannt) definiert im Tangentialraum jedes Punktes der Mannigfaltigkeit ein Skalarprodukt. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einer riemannschen Metrik heißt Riemannsche Mannigfaltigkeit. Durch die Skalarprodukte sind zunächst Längen von Vektoren und Winkel zwischen Vektoren definiert, davon ausgehend dann auch Längen von Kurven und Abstände zwischen Punkten auf der Mannigfaltigkeit.
Ist statt eines Skalarprodukts in jedem Tangentialraum nur eine (nicht notwendig symmetrische) Norm definiert, so spricht man von einer Finsler-Metrik und einer Finsler-Mannigfaltigkeit. Auf Finsler-Mannigfaltigkeiten sind Längen und Abstände definiert, nicht aber Winkel.
Semi-Riemannsche Mannigfaltigkeiten
Andere Verallgemeinerungen riemannscher Mannigfaltigkeiten sind Semi-Riemannsche Mannigfaltigkeiten (auch Pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeiten genannt), die zum Beispiel in der Allgemeinen Relativitätstheorie auftreten.
Hier braucht die durch die Metrik in jedem Tangentialraum definierte symmetrische Bilinearform nicht positiv definit zu sein, sondern nur nicht-ausgeartet. Nach dem Trägheitssatz von Sylvester lässt sich eine solche Bilinearform als Diagonalmatrix mit Einträgen von darstellen. Sind dann r Einträge +1 und s Einträge -1, spricht man von einer Metrik mit Signatur (r,s). Ist die Signatur der Metrik (m − 1,1) (oder nach einer anderen Konvention (1,m − 1)), wobei m die Dimension der Mannigfaltigkeit ist, so spricht man von einer Lorentz-Mannigfaltigkeit. In der Allgemeinen Relativitätstheorie wird die Raumzeit durch eine vierdimensionale Lorentz-Mannigfaltigkeit, also mit der Signatur (3,1) (bzw. (1,3)), beschrieben.
Lie-Gruppen
Eine Lie-Gruppe ist sowohl eine differenzierbare Mannigfaltigkeit als auch eine Gruppe, wobei die Gruppenmultiplikation (beziehungsweise Addition) und das Invertieren eines Gruppenelements differenzierbare Abbildungen sein müssen. Der Tangentialraum einer Lie-Gruppe am neutralen Element ist bezüglich des Kommutators [.,.] abgeschlossen und bildet eine zur Lie-Gruppe assoziierte Lie-Algebra.
Ein einfaches Beispiel für eine nicht kompakte Lie-Gruppe ist der euklidische Vektorraum zusammen mit der normalen Vektorraumaddition. Die unitäre Gruppe U(1) ist ein Beispiel einer kompakten Lie-Gruppe. (Man kann sich diese Mannigfaltigkeit als einen Kreis vorstellen und die Gruppenoperation ist eine Drehung dieses Kreises.) In der Physik (siehe Quantenchromodynamik) kommen vor allem die Gruppen SU(n) vor, die „speziellen unitären Gruppen der Ordnung n “ vor (z. B. n=3, Determinante +1).
Eigenschaften
- Für Mannigfaltigkeiten fallen die Begriffe zusammenhängend und wegzusammenhängend zusammen. Da Mannigfaltigkeiten auch lokal einfach zusammenhängend sind, haben alle zusammenhängenden Mannigfaltigkeiten eine universelle Überlagerung.
- Jede Mannigfaltigkeit hat eine abzählbare Fundamentalgruppe.
- Jede Mannigfaltigkeit der Dimension ist triangulierbar. Vierdimensionale Mannigfaltigkeiten sind im Allgemeinen nicht triangulierbar und es ist immer noch (April 2009) unbekannt, ob Mannigfaltigkeiten höherer Dimension stets triangulierbar sind oder nicht.
Strukturierte Mannigfaltigkeiten
Mannigfaltigkeit mit Rand
Mannigfaltigkeiten, welche bis jetzt in diesem Artikel abgehandelt wurden, sind unberandet. Berandete Mannigfaltigkeiten sind auch keine Mannigfaltigkeiten im obigen Sinn, jedoch ist ihre Definition sehr ähnlich. Sei dazu also M wieder ein topologischer Hausdorff-Raum, welcher dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom genügt. Der Raum M heißt Mannigfaltigkeit mit Rand, falls jeder Punkt eine Umgebung besitzt, welche homöomorph zu einer Teilmenge des „nichtnegativen n-dimensionalen Halbraumes“ ist:
Diese (nichtkompakte) Mannigfaltigkeit ist durch die (n-1)-dimensionale Ebene berandet.
Ein Beispiel für eine kompakte berandete Mannigfaltigkeiten ist die abgeschlossene Vollkugel, die die Sphäre als Rand hat. Diese ist selbst eine Mannigfaltigkeit, allerdings unberandet. In der Tat gilt für die Randoperation von berandeten Mannigfaltigkeiten die sehr allgemeine Beziehung, dass zwar aber trotzdem stets ist, was zur Anwendbarkeit algebraischer Methoden („exakte Sequenzen“ u.a.) Anlass gibt. Auf berandeten Mannigfaltigkeiten kann man zusätzliche Strukturen ähnlich wie auf unberandeten Mannigfaltigkeiten definieren. Es ist zum Beispiel möglich auf gewissen Mannigfaltigkeiten mit Rand eine differenzierbare Struktur zu definieren oder von Orientierbarkeit zu sprechen. Auch kann man Operationen definieren, die nur den Rand betreffen, wie zum Beispiel Randintegrale. Mit ihrer Hilfe kann man auch den Satz von Stokes auf solchen Mannigfaltigkeiten erklären.
Mannigfaltigkeiten mit Orientierung
Eine weitere wesentliche Eigenschaft von berandeten oder unberandeten Mannigfaltigkeiten betrifft die Orientierbarkeit bzw. Nicht-Orientierbarkeit der Mannigfaltigkeit. Sie kann ebenfalls „kartenweise“ definiert werden (wobei die Verträglichkeit von selbst erfüllt ist).
Wie die folgenden Beispiele zeigen, kommen alle vier Kombinationen mit bzw. ohne Rand sowie mit bzw. ohne Orientierung vor.
Beispiele
Diskreter Raum
Jeder abzählbare diskrete topologische Raum S ist eine nulldimensionale topologische Mannigfaltigkeit. Die Karten dieser Mannigfaltigkeiten sind die Paare (s,ϕs) mit und .
Sphäre
Die Sphäre ist eine unberandete orientierte Mannigfaltigkeit der Dimension n. Ein Atlas dieser Mannigfaltigkeit ist gegeben durch die beiden stereographischen Projektionen
wobei N den Nordpol xn + 1 = + 1 und S den Südpol xn + 1 = − 1 der Sphäre bezeichnen. Die daraus resultierende Initialtopologie ist die gleiche, die durch auf als Teilraumtopologie induziert würde. Die Sphäre wird außer in der Mathematik auch in anderen Wissenschaften untersucht, so zum Beispiel in der Kartographie oder auch in der Theoretischen Physik bei der sogenannten Bloch-Kugel.
Rechteck
Ein einfaches Beispiel einer berandeten und orientierbaren Mannigfaltigkeit betrifft ein (abgeschlossenes) Rechteck wie in nebenstehender Skizze. Der Rand besteht aus den Rechteckseiten; die zwei Orientierungen sind „entgegen dem Uhrzeigersinn“ (+) bzw. „im Uhrzeigersinn“ (-). Im ersten Fall wird etwa der folgende Umlauf betrachtet: Von A nach B und weiter nach C und D, von dort zurück nach A; alles entgegen dem Uhrzeigersinn.
Möbiussches Band
Im kann man das Rechteck aufschneiden und zu einer Art Zylindermantel zusammenrollen, etwa indem man die Punkte A und B sowie D und C zusammenklebt. Das gibt nichts wesentlich Neues. Wenn man dagegen die Punkte A und C sowie D und B zusammenklebt, was nach „Verdrillung“ der Schmalseiten möglich ist, und wenn das „Zusammenkleben“ nahtlos erfolgt, entsteht eine nicht orientierbare zweidimensionale Mannigfaltigkeit mit Rand. Diese wird Möbiusband genannt.
Der Rand dieser Mannigfaltigkeit entspricht einer „8“, das heißt mit der charakteristischen Überkreuzung in der Mitte. Zunächst wird z. B. entgegen dem Uhrzeigersinn der untere Halbkreis der 8 durchlaufen (=von A nach B), dann folgt die Überkreuzung (diese entspricht dem Überkleben mit Verdrillung); nach dem Überkreuzen folgt der obere Kreis der 8, durchlaufen im anderen Drehsinn, das heißt nicht von C nach D, sondern von D nach C .
Kleinsche Flasche
Auf analoge Weise erhält man durch geeignetes Zusammenkleben zweier Bänder in Räumen mit wenigstens drei Dimensionen eine nicht orientierbare zweidimensionale Mannigfaltigkeit ganz ohne Rand, analog zur Oberfläche einer „Kugel mit Henkel“, das heißt eines Gebildes, das einem Torus ähnelt, das aber natürlich orientierbar wäre:
Diese nicht-orientierbare Mannigfaltigkeit ohne Rand heißt kleinsche Flasche.
Klassifizierung und Invarianten von Mannigfaltigkeiten
Am Anfang des Artikels wurde dargestellt, dass Mannigfaltigkeiten unterschiedliche Strukturen allgemeiner Art tragen können. Bei der Klassifikation von Mannigfaltigkeiten müssen diese Strukturen natürlich beachtet werden. So können zwei Mannigfaltigkeiten aus topologischer Sicht äquivalent sein, was bedeutet, dass es einen Homöomorphismus gibt, der die eine Mannigfaltigkeit in die andere überführt, jedoch können diese zwei Mannigfaltigenkeiten unterschiedliche, nicht verträgliche differenzierbare Strukturen tragen, dann sind sie aus Sicht der Differentialgeometrie nicht äquivalent; aus der Sicht der Topologie können sie dagegen äquivalent sein. Sind zwei Mannigfaltigkeiten aus einer vorgegebenen Sicht äquivalent, so haben diese auch die gleichen, zu dieser Sicht passenden Invarianten, zum Beispiel gleiche Dimension oder gleiche Fundamentalgruppe.
Die Klassifikation geschlossener Mannigfaltigkeiten ist in den Dimensionen zwei und drei bekannt. Mannigfaltigkeiten dieser Dimension haben die besondere Eigenschaft, dass jede topologische Mannigfaltigkeit genau eine differenzierbare Struktur zulässt. Dies hat zur Folge, dass sich bei der Untersuchung solcher Mannigfaltigkeiten topologische und differentialgeometrische Methoden kombinieren lassen. In der Theorie der zweidimensionalen, geschlossenen Mannigfaltigkeiten gibt es den Klassifikationssatz für 2-Mannigfaltigkeiten. So sind zwei geschlossene Flächen mit gleichem Geschlecht zueinander diffeomorph, wenn sie beide orientierbar beziehungsweise beide nicht-orientierbar sind. Geschlossene Flächen sind also durch die Invarianten Orientierbarkeit und Geschlecht vollständig bestimmt. Für dreidimensionale, geschlossene Mannigfaltigkeiten ist mittlerweile die wichtige „Vermutung zur Geometrisierung von 3-Mannigfaltigkeiten“ bewiesen. Diese Theorie enthält als Spezialfall die Vermutung von Poincaré.
Bei vierdimensionalen Mannigfaltigkeiten ist das Klassifizieren sehr kompliziert. Man nennt den euklidischen Raum , die Sphäre und den hyperbolischen Raum HnModellräume (im Englischen: model spaces), da ihre Geometrie verhältnismäßig einfach zu beschreiben ist. In Dimension Vier sind diese Räume auch sehr komplex. So weiß man, dass die Sphäre mindestens zwei nicht verträgliche differenzierbare Strukturen besitzt. Der (nicht geschlossene) euklidische Raum besitzt sogar überabzählbar viele. Aus diesem Grund ist die vierte Dimension eine Besonderheit, denn in allen anderen Dimension lässt sich nur genau eine differenzierbare Struktur auf definieren. Ab Dimension fünf erweist sich das Klassifizieren als etwas einfacher. Jedoch gibt es auch hier noch viele offene Fragen, und das Klassifizieren ist immer noch sehr komplex. Aus diesem Grund beschränkt man sich oftmals darauf zu untersuchen, ob Mannigfaltigkeiten unterschiedlichen Klassen angehören, also ob sie unterschiedliche Invarianten besitzen. So nutzt man unter anderem Techniken aus der algebraischen Topologie, wie zum Beispiel die Homotopietheorie oder die Homologietheorie, um Mannigfaltigkeiten auf Invarianten zu untersuchen, beispielsweise einer Invariante für den „einfachen Zusammenhang“.
Zusammenhängende differenzierbare Mannigfaltigkeiten besitzen keine lokalen Invarianten. Das heißt, diese Eigenschaften gelten global für die ganze Mannigfaltigkeit und sind nicht von einem Punkt abhängig. Bei riemannschen Mannigfaltigkeiten ist dies anders. Mit Hilfe ihres Skalarproduktes können Krümmungen definiert werden. Der wichtigste Krümmungsbegriff ist der riemannsche Krümmungstensor, aus dem die meisten anderen Krümmungsbegriffe abgeleitet werden. Der Wert des Krümmungstensors ist abhängig von Punkt der Mannigfaltigkeit. So sind die Invarianten von Mannigfaltigkeiten mit Skalarprodukt vielfältiger als die von differenzierbaren Mannigfaltigkeiten ohne Skalarprodukt. Die Schnittkrümmung ist eine wichtige aus dem Krümmungstensor abgeleitete Größe. Für riemannsche Mannigfaltigkeiten mit konstanter Schnittkrümmung ist eine Klassifikation bekannt. Es lässt sich zeigen, dass solche Mannigfaltigkeiten isometrisch (also äquivalent) zu N / Γ sind. Wobei N für einen der oben erwähnten Modelräume oder steht und Γ eine diskrete Untergruppe der Isometriegruppe J(N) ist, die frei und eigentlich diskontinuierlich auf N operiert. In der globalen riemannschen Geometrie untersucht man Mannigfaltigkeiten mit global beschränkter Krümmung auf topologische Eigenschaften. Ein besonders bemerkenswertes Resultat aus diesem Bereich ist der Sphärensatz. Hier wird aus bestimmten topologischen Eigenschaften und einer durch beschränkten Schnittkrümmung K gefolgert, dass die Mannigfaltigkeit homöomorph (topologisch äquivalent) zur Sphäre ist. Im Jahr 2007 konnte sogar bewiesen werden, dass unter diesen Voraussetzungen die Mannigfaltigkeiten diffeomorph sind.
Anwendungen
Mannigfaltigkeiten spielen eine wichtige Rolle in der Theoretischen Physik, den Ingenieurswissenschaften sowie in den Geowissenschaften, z. B. bei der Integration über Flächen und mehrdimensionale Integrationsgebiete, besonders Mannigfaltigkeiten mit Rand und mit Orientierung (siehe z. B. den Artikel Satz von Stokes).
In der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Astrophysik sowie in den relativistischen Quantenfeldtheorien spielen Lorentzmannigfaltigkeiten, das heißt solche der Signatur (3,1), eine besondere Rolle bei der mathematischen Modellierung der Raumzeit und der vielen damit zusammenhängenden Größen.
Weblinks
Wiktionary: Mannigfaltigkeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenLiteratur
- John M. Lee: Introduction to Smooth Manifolds. 2. Auflage. Springer, New York 2003, ISBN 0-387-95448-1.
- John M. Lee: Introduction to Topological Manifolds. Springer-Verlag, New York NY u. a. 2000, ISBN 0-387-98759-2 (Graduate Texts in Mathematics 202).
- Klaus Jänich: Vektoranalysis. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a. 1993, ISBN 3-540-57142-6 (Springer-Lehrbuch).
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