- Numa Denis Fustel de Coulanges
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Numa Denis Fustel de Coulanges (* 18. März 1830 in Paris; † 12. September 1889 ebenda) war ein französischer Historiker. Sein Name ist untrennbar mit seinem Hauptwerk, Der antike Staat (1864), verbunden.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Fustel entstammte einer Pariser Familie mit bretonischen Wurzeln. Der Vater, ein Marineleutnant, starb kurz nach der Geburt seines Sohnes. Daraufhin nahm der Großvater Fustel auf und brachte ihn, dank guter Beziehungen zum Direktor des Lycée Charlemagne in Paris, an dieser Schule unter. Wiewohl ein eher mittelmäßiger Schüler, wurde er nach seinem Abschluss dennoch an der École Normale Supérieure zugelassen. Bereits als Gymnasiast las er begeistert Guizots Civilisation en France, ein Buch, das seine Karriere als Historiker maßgeblich bestimmen sollte.
Seit 1853 war Fustel an der École française d’Athènes, in deren Auftrag er Ausgrabungen in Chios überwachte. 1858 wurde er mit einer Arbeit über den griechischen Historiker Polybios (Polybe, ou la Grèce conquise par les Romains) und einer weiteren über den Vesta-Kult (Quid Vestae cultus in institutis veterum privatis publicisque valuerit) promoviert. Bereits diese frühen Texte zeigten seine profunde Kenntnis der antiken Sprachen und die Geringschätzung etablierter akademischer Lehrmeinungen. Die Zeit seines Abschlusses war von der Diskussion der Thesen über die indogermanische Sprachfamilie geprägt. 1860 wurde er zum Professor für Geschichte an die Universität von Straßburg berufen. Diese Stelle behielt er bis zur deutschen Annexion Elsaß-Lothringens im Jahr 1870. Während seines Aufenthalts in Straßburg entstanden erste Vorlesungsnotizen, die später zur Grundlage von Der antike Staat (La Cité antique, 1864) bildeten. Dieses Werke wurde bereits zu Fustels Lebzeiten ein Bestseller. Er versucht darin, die politischen Institutionen und Eigentumsbegriffe Roms und Griechenlands aus den religiösen Vorstellungen der jeweiligen Gesellschaften heraus zu verstehen. 1870 wurde er maître de conférences an der École Normale Supérieure, deren Direktor er 1880 wurde. 1878 wurde er Professor für mittelalterliche Geschichte an der Sorbonne. Damals wechselte er sein Interessengebiet: weg von der Antike - insbesondere vom antiken Begriff des Eigentums - hin zum Mittelalter. Dies lässt sich teilweise durch den vorangegangenen Deutsch-Französischen Krieg erklären: Die Invasion Frankreichs durch die deutschen Armeen lenkte seine Aufmerksamkeit auf die germanischen Überfälle auf das antike römische Reich. Seine Thesen dazu besagten, dass diese Überfälle nicht so blutig und zerstörerisch gewesen seien wie bis dahin allgemein gemutmaßt, dass die Eroberung Galliens durch die Germanen ein langsamer Prozess gewesen sei und dass die Invasoren bereits unter römischer Oberherrschaft gestanden und die politischen Institutionen der Merowinger eher im römischen Recht als in eigenen Gebräuchen gefußt hätten. Er resümierte schließlich, dass Gallien im konkreten Sinn des Wortes niemals erobert worden sei. Diese Thesen veröffentlichte er in Recherches sur quelques problèmes d'histoire, dem ersten Band der Histoire des institutions politiques de l'ancienne France, einer ursprünglich auf vier Bände angelegten Reihe. Erst nach seinem Tode erschien die Fortsetzung, Nouvelles recherches sur quelques problèmes d'histoire (hg. von Camille Jullian, 1891). Da das Buch sowohl in Frankreich als auch in Deutschland massiv angegriffen wurde, nahmen Fustels Schriften fortan eher apologetischen Charakter an.
1875 wurde Fustel Mitglied der Académie des sciences morales et politiques.
Nach seinem Tod im Jahr 1889 gaben seine Schüler, darunter Camille Jullian, sukzessive seinen Nachlass heraus. Fustel übte einen bedeutenden Einfluss auf die historischen Wissenschaften aus, insbesondere, was die Bewertung der Religion in ihrer Rolle für die Gesellschaft angeht. Der Soziologe Émile Durkheim widmete ihm seine Doktorarbeit.
Werke
- La Cité antique. Paris, Hachette 1864
- Histoire des institutions de la France. Paris, Hachette 1874. In mehreren Bänden neu hg. in Histoire des anciennes institutions françaises. Paris, Hachette 1901-1914.
- Recherches sur quelques problèmes d'histoire. Paris, Hachette 1885.
- La Monarchie Franque. Paris, Hachette 1888.
- L'Alleu et le Domaine rural pendant la période mérovingienne. Paris, Hachette 1889.
- Questions historiques. Hrsg. von Camille Jullian. Paris, Hachette 1893.
- Nouvelles Recherches sur quelques problèmes d'histoire. Hrsg. von Camille Jullian. Paris, Hachette 1891.
- Questions contemporaines. Paris, Hachette 1919.
Literatur
- Paul Guiraud: Fustel de Coulanges. Paris, Hachette 1896. - Der Verfasser ist ein Schüler Fustels.
- Moses I. Finley: "La Cité antique. De Fustel de Coulanges à Max Weber et au-delà". In: Mythe, Mémoire, Histoire. Paris, Flammarion 1981, S. 89-120.
- François Hartog: Le XIXe siècle et l'histoire. Le cas Fustel de Coulanges. Paris, Presses Universitaires de France 1988.
- Arnaldo Momigliano: "La Cité antique de Fustel de Coulanges". In: Problèmes d'historiographie ancienne et moderne. Paris, Gallimard 1983. S. 402-423.
Weblinks
- Literatur von und über Numa Denis Fustel de Coulanges im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- L'Encyclopédie de l'Agora (Québec) (französisch)
- La cité antique (französisch)
- Fustel Index (englisch, enthält einige originale Texte Fustels in Übersetzung)
- Werke von Fustel im Project Gutenberg
Kategorien:- Althistoriker
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