- Ornstein-Uhlenbeck-Prozess
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Der Ornstein-Uhlenbeck-Prozess (oft abgekürzt OU-Prozess) ist ein spezieller stochastischer Prozess, welcher nach den beiden niederländischen Physikern George Uhlenbeck (1900–1988) und Leonard Ornstein (1880–1941) benannt ist. Er ist neben der geometrischen Brownschen Bewegung einer der einfachsten und gleichzeitig wichtigsten über eine stochastische Differentialgleichung definierten Prozesse.
Inhaltsverzeichnis
Definition und Parameter
Seien und θ,σ > 0 Konstanten. Ein stochastischer Prozess heißt Ornstein-Uhlenbeck-Prozess mit Anfangswert a, Gleichgewichtsniveau μ, Steifigkeit θ und Diffusion σ, wenn er das folgende stochastische Anfangswertproblem löst:
- ,
wobei (Wt) ein Standard-Wiener-Prozess ist.
Die Parameter lassen sich einfach interpretieren und somit bei der Modellierung einer stochastischen Zeitreihe einfach als "Stellschrauben" verwenden:
- μ ist das gleichgewichtige Niveau des Prozesses (englisch: mean reversion level). Liegt Xt über diesem Wert, so ist der Driftterm θ(μ − Xt) negativ und die Drift wird den Prozess tendenziell nach unten "ziehen". Ist X kleiner, so ist die Drift positiv und der Prozess wird in Erwartung nach oben gezogen.
- θ (engl: mean reversion speed oder mean reversion rate) gibt an, wie stark die oben beschriebene "Anziehungskraft" von μ ist. Für kleine Werte von θ verschwindet dieser Effekt, für große Werte wird sich X sehr steif um μ entwickeln.
- σ gibt an, wie stark der Einfluss von Wt (also des Zufalls) auf den Prozess ist. Für σ = 0 wird X einfach exponentiell gegen μ konvergieren, bei starker Diffusion wird diese Konvergenz zufällig gestört.
Der Unterschied zum ebenfalls mit dem mean-reversion-Mechanismus ausgestatteten Wurzel-Diffusionsprozess oder der geometrischen Brownschen Bewegung besteht im Wesentlichen darin, dass beim OU-Prozess der Diffusionsterm σdWt konstant, also unabhängig von X ist. Dies führt dazu, dass der OU-Prozess im Gegensatz zu den anderen beiden auch negative Werte annehmen kann.
Lösung der Differentialgleichung
Im Gegensatz zum Wurzel-Diffusionsprozess ist die obige Differentialgleichung explizit lösbar, wenn auch nicht (wie bei der geometrischen brownschen Bewegung) integralfrei darstellbar: wendet man auf die zweidimensionale Funktion einerseits das Lemma von Ito, andererseits die gewöhnliche Kettenregel der Differentialrechnung an, so erhält man
- .
Die obige Identität von 0 bis t aufintegriert (wobei X0 = a) ergibt die Lösung
- .
Eigenschaften
- Der obigen Lösung sieht man an, dass es sich beim Ornstein-Uhlenbeck-Prozess um einen Gauß-Prozess handelt: Der Integrand ist deterministisch, also ist der Wert des Ito-Integrals stets normalverteilt.
- Als Gauß-Prozess ist der OU-Prozess durch seine Erwartungswert- und Kovarianzfunktion in seiner Verteilung eindeutig bestimmt. Diese ergeben sich als
- und
- .
- Bei deterministischem Anfangswert a ist also verteilt.
- Da sowohl Erwartungswert als auch Varianz konvergieren, existiert eine stationäre Verteilung für den Markov-Prozess X: es handelt sich dabei um eine Normalverteilung mit Erwartungswert μ und Varianz . Im Gegensatz zum Wiener-Prozess ist der Ornstein-Uhlenbeck-Prozess also (schwach) stationär. Man sagt dann, dass der Prozess ein "invariantes Maß" hat: Für jedes t gilt dann
- .
Der Prozess hat also keine Asymptote bei y = μ.
- Der OU-Prozess ist, wie auch der Wurzel-Diffusionsprozess ein affiner Prozess.
- In gewisser Hinsicht ist der OU-Prozess komplizierter als der Wiener-Prozess. Für große Zeitskalen kann jedoch der Wiener-Prozess als Approximation des OU-Prozesses dienen. Es gilt im Sinne der Verteilungskonvergenz[1]
Lévy-Prozesse
Wird die definierende Differentialgleichung nicht von einer brownschen Bewegung, sondern von einem Lévy-Prozess angetrieben, so erhält man auch einen (nicht-gaußschen) Ornstein-Uhlenbeck-Prozess.
Literatur
- G. E. Uhlenbeck, L. S. Ornstein: On the theory of Brownian Motion. In: Physical Review. 36, 1930, S. 823–841.
- D. T. Gillespie: Exact numerical simulation of the Ornstein-Uhlenbeck process and its integral. In: Physical Review E. 54, 1996, S. 2084–2091.
Einzelnachweise
- ↑ L. C. G. Rogers and D. Williams: Diffusions, Markov Processes and Martingales. Vol. 1. Cambridge University Press, Cambridge, 2000, S. 54.
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