- Oskar Kalbfell
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Oskar Kalbfell (* 28. Oktober 1897 in Betzingen – damals selbständige Gemeinde bei Reutlingen; † 5. November 1979 in Reutlingen) war Oberbürgermeister von Reutlingen und als Abgeordneter der SPD Mitglied des Landtags (MdL) von Baden-Württemberg sowie Mitglied des Bundestags (MdB) der Bundesrepublik Deutschland in dessen erster Legislaturperiode.
Inhaltsverzeichnis
Ausbildung und Beruf
Oskar Kalbfell besuchte die Volksschule und erlernte ein Handwerk mit anschließender kaufmännischer Ausbildung. Von 1921 bis 1922 war er als Sportlehrer im Ausland tätig. Später übte er eine Tätigkeit als Prokurist und Geschäftsführer in einem Bauunternehmen aus.
Politische Tätigkeit
Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war er Vorsitzender der SPD-Fraktion des Stadtrats von Reutlingen. 1928 kandidierte er für den Landtag des freien Volksstaats Württemberg, 1930 für den Reichstag.
Kalbfell stellte im November 1939 einen Aufnahmeauftrag in die NSDAP, der allerdings wegen „mangelhafter politischer Zuverlässigkeit“ zurückgewiesen wurde.
Im Zweiten Weltkrieg führte Kalbfell gemeinsam mit Georg Allmendinger eine örtliche Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime in Reutlingen. Durch sein beherztes Auftreten bei der Kapitulation, bei der er den aus Richtung Tübingen anrückenden französischen Truppen mit weißer Flagge in der Hand entgegenging und ihnen die Stadt übergab, konnte er eine weitere Zerstörung Reutlingens abwenden, das bereits durch mehrere Luftangriffe alliierter Verbände Anfang 1945 schwer getroffen war.
Kalbfell war von 1945 bis 1973 Oberbürgermeister von Reutlingen. Diese Zeit wird in der Stadt bis heute als die „Ära Kalbfell“ bezeichnet, in die auch der Neubau des Reutlinger Rathauses (Oskar-Kalbfell-Platz 21) fällt. Zudem war er bis 1947 kommissarischer Landrat des Landkreises Reutlingen. Des Weiteren war er 1946 bis 1952 Abgeordneter in der Beratenden Landesversammlung bzw. im Landtag von Württemberg-Hohenzollern und anschließend bis 1968 im Landtag von Baden-Württemberg, wo er den Wahlkreis Reutlingen vertrat. Er gehörte auch dem Deutschen Bundestag in dessen erster Legislaturperiode von 1949 bis 1953 an.
Reutlinger Geiselerschießung und ihre Nachwirkungen
Am 24. April 1945 wurden in Reutlingen vier deutsche Geiseln vom französischen Militär erschossen. Tags zuvor war ein französischer Soldat umgekommen, was die französische Militärregierung als Attentat wertete, vermutlich jedoch ein Verkehrsunfall war. In Folge davon wurde Kalbfell, zu der Zeit bereits kommissarischer Bürgermeister von Reutlingen, immer wieder vorgeworfen, er trage eine Mitverantwortung, weil er die Liste der zu erschießenden Geiseln aufgestellt habe. Kalbfell selbst bestritt dies zeitlebens, er habe von den Erschießungen erst im Nachhinein erfahren. Ein Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Tübingen im Jahre 1951, das er selbst angeregt hatte, bescheinigte ihm, dass er nicht an der Auswahl mitgewirkt habe. Bis heute jedoch halten sich anderslautende Gerüchte über eine persönliche Verstrickung Kalbfells.[1]
Familie
Aus seiner Ehe mit Rosa Kehrer gingen zwei Kinder hervor. In Reutlingen wohnte er nach dem Kriege in der Herderstraße 12.
Mitgliedschaften, Ehrenämter und Auszeichnungen
Kalbfell war Mitglied des Rundfunkrats beim Südwestfunk und Präsident des Deutschen Städtetages. Weitere Positionen nahm er im Vorstand der Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung, des Verbandes kommunaler Unternehmen und seit 1952 des Verwaltungsausschusses des Landesvermessungsamtes ein.
1973 wurde er Ehrenbürger der Stadt Reutlingen. 1976 verlieh ihm Ministerpräsident Hans Filbinger die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg.
Nach ihm ist die Oskar-Kalbfell-Stiftung benannt, deren Zweck die „finanzielle Unterstützung für begabte Kinder aus Reutlinger Familien mit geringem Einkommen“ ist. Außerdem trägt der zentrale Platz in Reutlingen den Namen Oskar-Kalbfell-Platz. Zudem trägt die Sporthalle beim Friedrich-List-Gymnasium den Namen Oskar-Kalbfell-Halle.
Literatur
- Hans-Georg Wehling: Oskar Kalbfell: ein Oberbürgermeister und seine Stadt. Verl.-Haus Reutlingen Oertel und Spörer, Reutlingen 1997, ISBN 3-88627-202-8.
- Werner Ströbele; Die Reutlinger Widerstandsgruppe. Annäherung an die Formen der Opposition des Kreises um Oskar Kalbfell und Georg Allmendinger während des Zweiten Weltkrieges anhand neuer Quellen und Berichte, in: Reutlinger Geschichtsblätter, NF 34, 1995.
- Stadtverwaltung Reutlingen/Schul-, Kultur- und Sportamt/Heimatmuseum und Stadtarchiv (Hrsg.): „Reutlingen 1930–1950. Nationalsozialismus und Nachkriegszeit“; Katalog und Buch mit Hintergrundbeschreibungen zur gleichnamigen Ausstellung von 1995, ISBN 3-927228-61-3
Einzelnachweise
Weblinks
- Literatur von und über Oskar Kalbfell im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- 25. Todestag Oberbürgermeister Oskar Kalbfell. Stadt Reutlingen, 5. November 2004, abgerufen am 21. Juni 2011 (Artikel mit Foto).
- Entnazifizierungsakten Oskar Kalbfell als digitale Reproduktion (Akte 1 und Akte 2) im Online-Angebot des Staatsarchivs Sigmaringen
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