Ostermarsch-Bewegung

Ostermarsch-Bewegung
Friedenssymbol der Campain for Nuclear Disarmament

Der Ostermarsch ist eine politische Protestaktion der Friedensbewegung in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten der NATO.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ostern 1958 hatte die britische Campaign for Nuclear Disarmament einen Marsch von London zum Atomforschungszentrum Aldermaston organisiert und dabei mit rund 10.000 Menschen gegen die nukleare Aufrüstung demonstriert. Hieraus entwickelte sich eine Tradition solcher Demonstrationsmärsche zu Ostern in verschiedenen westeuropäischen Ländern.

Ostermärsche in der Bundesrepublik Deutschland

Vorgeschichte

Der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer erklärte 1957 in einem Interview, die neue Generation von taktischen Nuklearwaffen sei „nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie. Selbstverständlich können wir nicht darauf verzichten, dass unsere Truppen auch in der normalen Bewaffnung die neueste Entwicklung mitmachen.“ Er bezog sich dabei auf eine neue militärische Doktrin des US-amerikanischen Verteidigungsministers Charles Erwin Wilson, der neben dem Einsatz strategischer Nuklearraketen („massive Vergeltung“) auch einen Einsatz taktischer Atombomben unterhalb der „Armageddon-Schwelle“ als eine strategische Option formuliert hatte (abgestufte Abschreckung). Gegen diese geplante Aufrüstung formierte sich, mit Unterstützung der SPD und der Gewerkschaften, die Kampagne Kampf dem Atomtod Anfang 1958. Doch weder die breite Ablehnung innerhalb der Bevölkerung, noch die von den Kirchen, den Gewerkschaften und der SPD mitgetragenen großen Massenaktionen im Jahr 1958 vermochten einen Aufrüstungsbeschluss des Bundestages am 25. März 1958 zu verhindern oder rückgängig zu machen. Am 19. April 1958 fanden Demonstrationen in Hamburg, Bremen, Kiel, München, Mannheim, Dortmund und Essen statt. Der Rückzug der SPD nach dem überwältigenden Wahlerfolg der CDU bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen (6. Juni 1958), die Gegenstrategie der Regierung, die die Kampagne mit der Begründung, sie sei kommunistisch gesteuert, zum Sicherheitsrisiko gestempelt hatte, sowie das nachlassende Interesse nach der Bundestagsentscheidung führten schließlich dazu, dass sich die SPD langsam aus der Kampagne zurückzog.

Die Ostermärsche und ihre Ziele

Erster gesamtdeutscher Ostermarsch am ehemaliger Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße in Berlin, 1990.
Klaus der Geiger auf dem Ostermarsch 2006 in Düsseldorf
Ostermarsch München 2006
Ostermarsch München 2006

In der Bundesrepublik Deutschland fand der erste Ostermarsch 1960 in Norddeutschland mit ungefähr 1.000 Teilnehmern statt. In den folgenden Jahren gingen an den Osterfeiertagen immer mehr Menschen an immer mehr Orten auf die Straße. Die Demonstranten forderten ein Ende der atomaren Bewaffnung und des nuklearen Wettrüstens. Bis 1968 war die Teilnehmerzahl auf 300.000 gestiegen. Dabei konnten nur Einzelpersonen, nicht Organisationen an der Ostermarsch-Bewegung teilnehmen.

Der Bewegung gehörten zunächst vornehmlich Anhänger eines ethisch-religiösen Pazifismus an. Schon bald wurde sie aber zu einer außerparlamentarischen Sammlungsbewegung. Dies ist auch ablesbar an der Namensänderung: „Kampagne für Abrüstung“ (1963) - „Kampagne für Demokratie und Abrüstung“ (1968). Typisch waren die Friedenslieder von Gerd Semmer und Fasia Jansen. Semmer gehörte auch zu den Organisatoren der Ostermärsche.

Unter dem Eindruck der Notstandsgesetzgebung (1968), der Militärintervention des Warschauer Pakts in der CSSR (1968), der Bildung einer sozialliberalen Bundesregierung (1969) sowie interner Differenzierungsprozesse kam die Bewegung 1970 zunächst zum Erliegen bzw. ging in anderen sozialen Bewegungen auf.

Das änderte sich 1979 mit dem NATO-Doppelbeschluss zur Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik. 1983 nahmen etwa 700.000 Menschen an verschiedenen Aktionen zum Frieden teil. Mit dem Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West nahm das Interesse ab. Während der Golfkriege und im Zuge der wachsenden Beteiligung der Bundeswehr an Einsätzen außerhalb Deutschlands stieg die Zahl der Ostermarschierer wieder an. In den letzten Jahren nahmen einige Tausend Menschen in verschiedenen Städten an den Ostermärschen teil. Der Sprecher des bundesweiten Ostermarschbüros in Frankfurt/Main ist seit Jahren Willi van Ooyen.

Literatur

  • Holger Nehring: Die Friedensbewegung. Aschendorff, 2008, ISBN 978-3-402-00436-4
  • Andreas Buro: Die Entstehung der Ostermarschbewegung als Beispiel für die Entfaltung von Massenlernprozessen. In: Friedensanalysen für Theorie und Praxis, Bd. 4, Frankfurt am Main 1977
  • Karl A. Otto: Vom Ostermarsch zur APO. Geschichte der außerparlamentarischen Opposition in der Bundesrepublik 1960-1970, Frankfurt am Main/New York 1979
  • Christoph Butterwegge, Joachim Dressel (Hrsg.): 30 Jahre Ostermarsch: Ein Beitrag zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland und ein Stück Bremer Stadtgeschichte, Bremen 1990
  • Markus Gunkel: Unser Nein zur Bombe ist ein Ja zur Demokratie. Ostermarsch Nord 1960 - 1969. Köln 1995 ISBN 3-926922-29-X

Siehe auch

Weblinks


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