PBMR

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Graphitkugel für Hochtemperaturreaktor

Ein Hochtemperaturreaktor (HTR) oder Höchstemperaturreaktor (VHTR, Very High Temperature Reactor) ist ein Kernreaktor-Typ der vierten Generation. Der Brennstoff wird in Form von ca. 6 cm großen Pellets (Kugelbettreaktor) oder Briketts (Prismatic Block Reactor?) verwendet.

Der Kugelhaufenreaktor oder Kugelbettreaktor wurde in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt und zeichnet sich durch einen geringen Uranverbrauch, geringe Abwärmeerzeugung und das Potenzial zur Fernwärmenutzung aus. Der Name gründet auf einer relativ hohen Nutzungstemperatur von 300 bis 950 °C, die bei einem HTR entsteht. Dieser Reaktortyp benutzt Heliumgas als Kühlmittel und Graphit als Moderator. Aufgrund seiner Bauart gilt der Kugelhaufenreaktor als sicherer und effizienter als herkömmliche Reaktortypen. Der AVR (Jülich), der am Kernforschungszentrum in Jülich eingerichtet wurde, diente als Forschungsreaktor für dieses System. Der deutsche Prototyp war der Thorium-Hochtemperaturreaktor bei Hamm-Uentrop.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsprinzip

Im Thorium-Hochtemperaturreaktor selbst bestehen die Brennelemente, in denen sich das spaltbare Material im Reaktorkern befindet, aus Kugeln mit sechs Zentimetern Durchmesser. Diese kugelförmigen Brennelemente bestehen aus 192 g Kohlenstoff, 0,8928 g Uran 235, 0,0672 g Uran 233 und 10,2 g Thorium 232. Die Brennelemente haben eine äußere brennstofffreie Schale aus Graphit mit einer Dicke von 5 mm. Im Inneren ist der o. g. Brennstoff in Form von beschichteten Teilchen in eine Graphitmatrix eingebettet. Die partikelfreie Schale ist hier zusammen mit der Graphitmatrix für die mechanische Festigkeit des Brennelementes verantwortlich. Zudem sublimiert (verdampft) der Graphit erst bei ca. 3.500 °C ohne vorher zu schmelzen, d. h. bis zu dieser Temperatur bleiben Kernstruktur und Kugelform intakt und damit absorptionsfähig. Deshalb zählt es zu den Vorteilen des Thorium-Hochtemperaturreaktors, dass sich im Reaktorkern selbst nur Konstruktionsmaterialien befinden, die sogar Temperaturen bis weit über der Betriebstemperatur problemlos tolerieren.

Die beschichteten Körner im Inneren des Brennelementes bestehen aus UO2- und ThO2-Teilchen, die von drei Pyrocarbonschichten umhüllt sind. Diese Schichten halten zusammen mit der Graphitmatrix die radioaktive Strahlung des Brennstoffes größtenteils zurück, weshalb nur relativ wenig radioaktive Strahlung austritt. Der Kohlenstoff innerhalb des Brennelementes dient hierbei als Moderator. Das Thorium 232 wird ebenfalls direkt in das Brennelement eingebracht, da es so direkt während der laufenden Kernspaltung(en) in Uran 233 umgewandelt werden und gespalten werden kann.

Die Zahl der Brennelemente im Thorium-Hochtemperaturreaktor beträgt 675.000 Stück. Bei der Kernspaltung werden Kerntemperaturen von ca. 700 °C erreicht.

Im Laufe des einjährigen Betriebes des THTR stellte sich jedoch heraus, dass es aufwendig ist, das erbrütete Uran aus seinem Einschluss zu befreien; letztendlich ist diese Methode der Uranherstellung nicht wirtschaftlich, so dass nur die direkte Verwendung der Brennelemente zur Energieerzeugung sinnvoll ist.

Eine spezielle Eigenschaft des in Deutschland entwickelten Hochtemperaturreaktors sind die kugelförmigen Brennelemente im Gegensatz zu Entwicklungen mit prismatischen Brennelementen in den USA. Diese Brennelementkugeln, die im Reaktorkern einen Kugelhaufen bilden (daher auch die Bezeichnung Kugelhaufenreaktor), erlauben die kontinuierliche Entnahme verbrauchter Brennelemente und deren Ersatz durch frische Brennelemente. Der hauptsächlich verwendete Werkstoff ist Graphit.

Reaktoraufbau

Wie andere Kernreaktoren erzeugt ein HTR im Betrieb Wärme, die über ein Medium (Wasser, Gas) zu einer Wärmesenke gebracht wird, beim Prototyp ist dies eine Turbine, deren angeschlossener Generator Elektrizität erzeugt. Der eigentliche Einsatz sollten ursprünglich allerdings chemische Reaktionen sein, die viel Prozesswärme bei hoher Temperatur (bis zu 1300 °C) benötigen, z. B. die Kohleveredelung zu Kohlenwasserstoffen.

Das spaltbare Material, Uran, Thorium oder Plutonium (in Entwicklung, um den Hochtemperaturreaktor zur Vernichtung von Waffenplutonium einzusetzen), ist als keramisches Oxid in Graphitkugeln eingeschlossen (siehe oben). Im Allgemeinen liegt das Spaltmaterial in Form kleiner Körner vor, die gleichmäßig in der Kugel verteilt sind; zwischen den Körnern befindet sich das Graphit der Kugel. Die Kugeln sind etwa tennisballgroß (Durchmesser 6 cm) und etwa 200 g schwer; davon sind 5 % spaltbares Material. Ein Reaktor mit einer Leistung von 120 Megawatt braucht 380.000 solcher Kugeln.

Der Kernreaktor ist ein großer Raum, der mit den Kugeln aufgefüllt wird. Die Kugeln lassen sich in stationären Reaktoren automatisch zugeben und entnehmen. Ein reaktionsträges Gas, etwa Helium, Stickstoff oder Kohlendioxid, zirkuliert durch die Kugelzwischenräume. Dabei nimmt es die bei der Kernreaktion entstehende Wärme auf und trägt sie im Idealfall direkt zur Turbine.

In der Mehrzahl der stationären und im Gegensatz zu den mobilen KHR lassen sich die Kugeln während des Betriebs ständig oben zugeben und unten entnehmen. Dadurch wird ein ununterbrochener Betrieb möglich, der gleichzeitig einen kontinuierlichen Austausch des Brennmaterials erlaubt. Verbrauchte Kugeln lassen sich so entfernen und durch neue ersetzen.

Ein sich automatisch aus der Bauweise ergebender Vorteil liegt in der Betriebssicherheit. Mit zunehmender Temperatur des Reaktors erhöht sich die thermische Geschwindigkeit der Brennstoffatome, was aufgrund der Dopplerverbreiterung die Wahrscheinlichkeit des Neutroneneinfangs durch 238Uran erhöht und dadurch die Reaktionsrate reduziert. Bauartbedingt gibt es also eine maximale Reaktortemperatur, und wenn diese unterhalb des Schmelzpunktes des Reaktormaterials liegt, kann keine Kernschmelze stattfinden. Es muss nur sichergestellt sein, dass der Reaktor die entstehende Wärme passiv nach außen abstrahlen kann. Da in dieser Situation auch kein Schaden am Reaktor entsteht, ist nach einem solchen Zustand der Reaktor weiter benutzbar, und das Reaktormaterial kann entnommen werden.

Damit wird auch der Betrieb des Reaktors vereinfacht. Anstatt durch Kontrollstäbe kann der Reaktor durch seine Betriebstemperatur, also durch die Durchflussrate des Kühlmittels, gesteuert werden. Wenn viel Energie entnommen werden soll, fließt mehr Kühlmittel, die Temperatur sinkt, der Reaktor produziert mehr Energie; wenn weniger Energie entnommen werden soll, fließt weniger Kühlmittel, die Temperatur steigt, der Reaktor produziert weniger Energie. Für das vollständige Abstellen des Reaktors ist aber die räumliche Trennung der Brennelemente oder der Einsatz eines Neutronengifts, etwa des Edelgases Xenon, sowie von Steuerstäben o. ä. notwendig.

Ein weiterer Vorteil des Kugelhaufenreaktors liegt in der im Vergleich zu wassergekühlten Reaktoren hohen Betriebstemperatur, die einen höheren Prozesswirkungsgrad ermöglicht. Wenn Helium als Kühlmittel verwendet wird, ist eine direkte Speisung des Heliums in die Turbine denkbar. Helium absorbiert fast keine Neutronen und wird im Betrieb kaum radioaktiv. Zusätzlich ist allerdings sicherzustellen, dass die Kugeln „dicht“ sind und keine Zerfallsprodukte abgeben. Die hohe Betriebstemperatur hat den zusätzlichen Vorteil, dass sich im Graphit keine Wigner-Energie aufbauen kann.

Geschichtliche Entwicklung

Die grundlegenden Ideen des Kugelhaufenreaktors wurden in den 1950er Jahren von Rudolf Schulten entwickelt. Der Durchbruch lag in der Idee, dass Kugeln aus Graphit bis zu 15.000 stecknadelkopfgroße Körnchen („Coated Particles“) enthalten, in denen der Kernbrennstoffkern durch Schichten aus Siliziumkarbid und pyrolytischem Kohlenstoff geschützt ist. Diese Kugeln werden sowohl hohen Temperaturen (bis 2.000 °C) als auch mechanischen Anforderungen gerecht.

In Deutschland waren zwei Hochtemperaturreaktoren in Betrieb:

Außerdem war Mitte der 80er Jahre der Bau eines HTR-500 bis 1993 geplant.

Ein Versuchsreaktor mit einer elektrischen Leistung von 15 Megawatt wurde von der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR) in der Kernforschungsanlage Jülich (Deutschland) gebaut und in Betrieb genommen, um Erfahrungen mit diesem Reaktortyp zu sammeln. Erstmals fand darin am 26. August 1966 eine kontrollierte Kettenreaktion statt. Der Reaktor lief 21 Jahre lang, bis er am 31. Dezember 1988 abgeschaltet wurde. 2012 soll der Reaktorkern zurückgebaut werden.

Ein kommerzieller Thorium-Hochtemperaturreaktor, der THTR-300 in Hamm-Uentrop, kam aufgrund materialtechnischer Schwierigkeiten mit den Kugeln nicht über den Probebetrieb hinaus, wurde knapp fünf Jahre nach seiner ersten nuklearen Reaktion im September 1988 zur Revision abgeschaltet, ein Jahr später endgültig stillgelegt. Der Reaktorkern selbst kann erst voraussichtlich 2029 abgebaut werden, da die Strahlung noch zu hoch ist. Der Kühlturm, der die gleiche Tragwerkskonstruktion wie das Olympia-Stadion in München aufwies und deshalb von einigen Bürgern als denkmalschutzwürdig eingestuft wurde, wurde am 10. September 1991 gesprengt. Diese im Vergleich mit landesüblichen Verfahrensdauern ungewöhnlich schnelle Abwicklung steht im geschichtlichen Kontext der Tschernobyl-Katastrophe (April 1986) und eines Störfalls in Hamm selbst am 4. Mai 1986, bei dem Radioaktivität austrat und den die Betreiber erst verspätet meldeten. Diese Ereignisse trugen im August 1986 zum SPD-Beschluss eines Atomausstiegs innerhalb von 10 Jahren bei. Die damalige SPD-Landesregierung demonstrierte erstmals ihren neu gewonnenen Ausstiegswillen.

Am Reaktorkonzept des Hochtemperaturreaktors wird in Deutschland nicht mehr geforscht. Stattdessen sind deutsche Unternehmen an Projekten in Japan, Volksrepublik China, Südafrika und Indonesien beteiligt, wo die Technik unter dem internationalen Namen PBMR (Pebble Bed Modular Reactor) bekannt ist. Die Entwicklung geht in Richtung kleinerer, dezentral untergebrachter und inhärent sicherer Reaktoren. Aufgrund der reduzierten Leistung sollen Gefahren abgewehrt werden und durch die Modularität und den gleichen Aufbau der Kleinreaktoren sollen diese zudem sehr billig in größeren Mengen herstellbar sein.

Heute werden Kugelhaufenreaktoren am MIT, von der Eskom (Südafrika), der General Atomic (USA), der Adams Atomic Engines (USA) und der Romaha B. V. (Niederlande) aktiv weiterentwickelt.

2003 gab die chinesische Regierung bekannt, bis zum Jahr 2020 dreißig Kernreaktoren dieses Typs errichten zu wollen.

Transportable Reaktoren

Kugelhaufenreaktoren lassen sich in kleinen Einheiten bauen. Da kein Druckbehälter erforderlich ist, sind auch transportable Reaktoren, etwa für Schiffe oder als Notstromaggregate, denkbar. Ein derartiges Konzept wird vom niederländischen Romawa B.V. Konzern unter dem Namen "Nereus" vorgeschlagen. Mit einer Leistung von 8 Megawatt kann dieser Reaktor in einem üblichen Transportcontainer untergebracht werden. Ein anderes Design wird vom US-amerikanischen Adams Atomic Engines (AAE) Konzern vertreten. Das System ist vollständig abgeschlossen und bietet sich auch für Unterwasser- oder Weltraumprojekte an.

Sicherheit

Ein Kugelhaufenreaktor, dem während des Betriebs Brennstoffkugeln zugegeben und entnommen werden, braucht nicht zu Beginn seines Betriebs mit einem Übermaß an spaltbarem Material versorgt zu werden. Gleichermaßen sammeln sich im Reaktor weniger Spaltprodukte an.

Neben den traditionellen baulichen Sicherheitsmaßnahmen (erdbeben- und flugzeugabsturzsicheres Gebäude, Reaktorwände) stellen die Kugeln selbst ein wichtiges Sicherheitselement dar. Im Innern der Kugeln sind bis zu 15.000 kleine Körner des spaltbaren Materials gleichmäßig verteilt, die ihrerseits von Schichten aus pyrolytischem Graphit und Siliziumkarbid umgeben sind. Das spaltbare Material im Zentrum liegt in Form keramischer Oxide vor, die einen hohen Schmelzpunkt besitzen.

Die Kernleistungsdichte ist deutlich geringer als bei herkömmlichen Reaktoren (HTR: max. 6 MW/m3, DWR: 100 MW/m3). Dadurch lässt sich ein HTR so konstruieren, dass auch bei einem Ausfall der aktiven Kühlung die passive Kühlung allein ausreicht, um die Temperatur der Brennelemente unter dem Schmelzpunkt zu halten, eine Kernschmelze also unmöglich ist.

Der Einschluss des spaltbaren Materials bedingt ebenfalls einen Einschluss der Spaltprodukte. Während des Reaktorbetriebs werden nur geringe Mengen der Spaltprodukte an das Kühlmittel abgegeben. Daher kann ein Kugelhaufenreaktor auch ohne Zwischenkreislauf eine Turbine antreiben, falls Helium zum Wärmetransport verwendet wird.

Graphit entzündet sich an der Luft bei ca. 600 °C. Daher muss sichergestellt werden, dass kein (Luft-) Sauerstoff an die im Betrieb glühenden Graphitkugeln gelangt, um einen möglichen Graphitbrand zu vermeiden. Eine Freisetzung radioaktiven Materials bei einem Bruch des Reaktors ist somit gegeben.

In jüngster Zeit ist die Diskussion um die Sicherheit eines Kugelhaufenreaktors durch eine sicherheitstechnische Neubewertung des Kugelhausreaktors „AVR“ im "Moormann Report" [1] wieder aufgeflammt. Bisher kaum beachtete Probleme stehen im Mittelpunkt der Diskussion, die auch Konsequenzen für geplante oder im Bau befindliche Kugelhaufenreaktoren (z . B. PBMR der Eskom, Südafrika) haben können. Wesentliche Punkte mit Konsequenzen für die Planung und den Betrieb eines Kugelhaufenreaktors sind:

Referenzen

  1. Sicherheitstechnische Neubewertung des AVR-Kugelhaufenreaktors (Moormann, R. (2008): A safety re-evaluation of the AVR pebble bed reactor operation and its consequences for future HTR concepts. Berichte des Forschungszentrums Jülich JUEL-4275, Forschungszentrum Jülich (Hrsg.) (PDF-Datei, englisch)

Siehe auch

Weblinks


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