Paul Hermberg

Paul Hermberg

Paul Hermberg (ursprünglich: Paul Gustav August Hermberg (* 16. März 1888 in Münsterdorf; † 24. Januar 1969 in Berkeley) war ein deutscher Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Pfarrerssohn studierte nach einigen Semestern Geschichte und Philosophie ab 1909 in Kiel Nationalökonomie und Statistik und promovierte dort 1913. Anschließend war er als Privatdozent und als Assistent am Weltwirtschaftsinstistut tätig. Von 1914 bis 1918 leistete er als Feldartillerist Kriegsdienst und wurde verwundet. 1919 trat er der SPD bei. 1924 wechselte er an die Universität Leipzig, die ihn 1925 zum außerplanmäßigen Professor für Sozial- und Wirtschaftsstatistik ernannte. 1929 berief ihn die Universität Jena zum ordentlichen Professor. Auf eigenen Wunsch ließ sich Paul Hermberg nach dem Regierungsantritt der Nationalsozialisten in den Ruhestand versetzen.[1]

1936 wanderte Hermberg nach Kolumbien aus, wo er für die Regierung tätig war.[2] 1940 gelangte er in die USA und wurde als staatlich angestellter Volkswirt bei der Entwicklung des Marshallplanes beschäftigt. 1946 kehrte er als Angestellter der Abteilung für Handel und Industrie der amerikanischen Militärverwaltung nach Deutschland zurück.[3] Ab 1956 war Hermberg zuerst als Lehrbeauftragter, dann als Honorarprofessor an der FU Berlin tätig und verbrachte seinen Lebensabend in Kalifornien.[1]

Seit 1923 war er mit Annemarie Hermberg verheiratet. Gemeinsam hatten sie vier Kinder.

Wissenschaftliche Arbeit

Paul Hermberg promovierte 1913 zu Schwankungen in der Bevölkerungsentwicklung seines Geburtsortes bei Ferdinand Tönnies und wurde einer der ersten Assistenten am kurz darauf gegründeten „Königlichen Institut für Weltwirtschaft und Seehandel“, dem späteren Institut für Weltwirtschaft. Als Vorgänger Adolph Löwes baute er die selbständige Institutsabteilung für Statistik auf, während sich der Schwerpunkt seiner Forschungen immer mehr zur statistisch gesicherten Erfassung wirtschaftsbezogener Angaben zur systematischen Aufbereitung der Lohn-, Preis- und Produktionsentwicklung verschob.[1] Neben seiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit leitete Hermberg ab 1924 als Nachfolger Hermann Hellers das Leipziger Amt für Volksbildung.[4]

Als Gegengewicht zur Macht der Wirtschaftsführer forderte Hermberg eine starke Gewerkschaftsmacht. In den letzten Jahren der Weimarer Republik arbeitete Hermberg im linkssozialistischen Kreis mit, der sich um die von Paul Levi gegründete Zeitschrift Klassenkampf gebildet hatte.[5] Er entwickelte ein eher planwirtschaftlich ausgerichtetes Wirtschaftsmodell und befasste sich vor allem mit der Verteilungsorganisation sowie mit der für ihn entscheidenden Frage, ob durch eine planwirtschaftliche Volkswirtschaftslenkung Inflation, Massenarbeitslosigkeit und die daraus folgende Not verhindert werden könnten.[6]

Werke (Auswahl)

  • Die Wirtschaft und die Gewerkschaften. Vortrag. Verlagsgesellschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, Berlin 1925.
  • Planwirtschaft. Verlagsgesellschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, Berlin 1933.
  • The Revival of German Economy and the American Impact. In: The American Review. 2, 1963, S. 146–166.

Literatur

  • Klemens Wittebur: Die Deutsche Soziologie im Exil. 1933–1945. Dissertation. 1989. Lit, Münster, Hamburg 1991, S. 62.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Detlef Siegfried: Das radikale Milieu. Kieler Novemberrevolution, Sozialwissenschaft und Linksradikalismus 1917–1922. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2004, S. 57f.
  2. Klemens Wittebur: Die deutsche Soziologie im Exil 1933–1945. Eine biographische Kartographie. 1991, S. 62.
  3. Diethelm Prowe: Weltstadt in Krisen. Berlin 1949–1958. Berlin 1973, S. 75.
  4. Josef Olbrich, Horst Siebert: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland 2001 Opladen S.226
  5. Ernst-Viktor Rengstorff: Links-Opposition in der Weimarer SPD. Die „Klassenkampf-Gruppe“ 1928–1931. 2. Auflage. Hannover 1978, S. 21ff.
  6. Walter Euchner, Helga Grebing u. a.: Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland. Sozialismus – Katholische Soziallehre – Protestantische Sozialethik. Ein Handbuch. Wiesbaden 2005, S. 338ff.

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