Paul Wilhelm Schmidt

Paul Wilhelm Schmidt

Paul Wilhelm Schmidt (* 25. Dezember 1845 in Berlin; † 12. Juni 1917 in Riehen bei Basel) war ein deutscher, größtenteils in Basel lehrender Theologe und gilt bis heute als einer der wichtigsten Schweizer Repräsentanten der liberalprotestantischen Richtung in Theologie und Kirche zum Ausgang des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Paul Schmidt war der zweitälteste Sohn des Ersten Lehrers an der Französischen Domschule Berlin Eusebius Schmidt und der – wie dieser aus Woldenberg in der Neumark stammenden – Auguste Meyer (1819–1871) und der Bruder des Berliner Gymnasialprofessors Johannes Eusebius Samuel Schmidt (1841–1925). Zusammen mit seinen vier Geschwistern wuchs Schmidt in den Räumen des Französischen Doms auf, in dessen zur Jägerstraße hin gelegenen Räumen seinem Vater eine Dienstwohnung zugewiesen worden war, besuchte die Französische Domschule und anschließend das Französische Gymnasium, an dem er im Alter von 16 Jahren die Reifeprüfung bestand. Sein Bruder Johannes beschreibt ihn als – auch im Singen und Schauspiel – hochbegabten, frühreifen Jungen, der schon als Vierjähriger lernbegierig neben dem schnell ausschreitenden Vater zur Schule einher trabte.

Nach dem Abitur studierte Schmidt Theologie und Philosophie an den Universitäten Berlin und Halle (Saale). In Halle promovierte er 1865 zum Dr. phil. 1869 habilitierte er sich an der Berliner Theologischen Fakultät für das Fach Neues Testament. Von 1869 bis 1876 war er als Privatdozent Mitglied der Berliner Fakultät. Als Redakteur der liberalen Protestantischen Kirchenzeitung hat er dann allerdings in jugendlichem Eifer nicht nur die kirchlichen Verhältnisse der Hauptstadt, sondern auch die Professoren der theologischen Fakultät so scharf angegriffen, dass er sich die Aussicht auf eine Professur in Berlin verscherzte.[1]

1875 wurde Schmidt als Ordinarius für Neues Testament an die Theologische Fakultät der Universität Basel berufen. Diese Berufung war nicht unumstritten; in einer zeitgenössischen Dokumentation hieß es, dass die Professur Schmidt vom Regierungsrat in Übergehung eines Mehrheitsantrages der Kuratel in Rücksicht auf die der Mehrheit der hiesigen Bevölkerung entsprechende freiere Richtung des Herrn Schmidt übertragen worden sei.[2] 1885 verlieh ihm die Theologische Fakultät der Universität Straßburg die Würde eines Doktors der Theologie. 1887/88 war er Rektor der Universität und von 1896 bis 1905 Mitglied des kantonalen Erziehungsrates. Auch dem städtischen Humanistischen Gymnasiums widmete er vom Jahre 1896 bis 1911 als Inspektionspräsident seine Dienste. 1893 lehnte er einen Ruf nach Zürich ab. Wenige Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahm er die schweizerische Staatsbürgerschaft an. In seiner Persönlichkeit wird Schmidt vielfach als warmherziger, fördernder Lehrer geschildert. Zu kompromißloser Schärfe in der polemischen Auseinandersetzung neigend, hat er doch zugleich über integrative Eigenschaften verfügt. In Basel amtierte Schmidt mehr als vier Jahrzehnte bis zu seinem Tode im Juni 1917.

Werke

(aufgelistet in Anlehnung an BBKL Herzberg 2001, siehe Einzelnachweise!)

  • Spinoza und Schleiermacher. Die Geschichte ihrer Systeme und ihr gegenseitiges Verhältniß. Ein dogmengeschichtlicher Versuch, Berlin 1868
  • Protestanten-Bibel Neuen Testaments. Unter Mitwirkung von Dr. Bruch et. al. herausgegeben von Paul Wilhelm Schmidt und Franz von Holtzendorff, Leipzig 1872 [Dritte Auflage: Protestanten-Bibel Neuen Testaments. Unter Mitwirkung von Dr. Bruch et. al. herausgegeben von Paul Wilhelm Schmidt und Franz von Holtzendorff. Dritte, völlig neu durchgesehene Auflage. Mit einer Beigabe: Wie lesen wir die Protestantenbibel?, Leipzig 1879
  • Über die Abnahme des theologischen Studiums. Bericht, vorgetragen auf dem 8. Deutschen Protestantentage in Wiesbaden, Berlin 1874
  • Was trennt »die beiden Richtungen« in der evangelischen Kirche? Ein Beitrag zur Schätzung der kirchlichen Gegensätze, Berlin 1880
  • Neutestamentliche Hyperkritik an dem jüngsten Angriff gegen die Aechtheit des Philipperbriefes auf ihre Methode hin untersucht. Nebst einer Erklärung des Briefes, Berlin 1880
  • A short Protestant commentary on the books of the New Testament. With general and special introductions. Edited by Paul Wilhelm Schmidt and Franz von Holtzendorff. Translated from the third edition of the German by Francis Henry Jones. Three volumes, London 1882/1883/1884]
  • Anmerkungen über die Komposition der Offenbarung Johannis, Freiburg im Breisgau 1891
  • Die Geschichte Jesu, Freiburg im Breisgau 1899 [Zweiter Abdruck: Freiburg 1899; Dritter Abdruck: Tübingen / Freiburg im Breisgau 1900]
  • Die Geschichte Jesu. Erläutert. Mit drei Karten von K. Furrer, Tübingen 1904
  • Die Geschichte Jesu. Mit einer Geschichtstabelle. Volksausgabe, Tübingen 1906 [Neuer durchgesehener Abdruck: Tübingen 1909]
  • Die Apostelgeschichte bei De Wette-Overbeck und bei Adolf Harnack, Basel 1910
  • Das freie Christentum, sein kirchliches Recht und seine religiöse Aufgabe, Berlin 1913

Literatur

  • Matthias WolfesSchmidt, Paul Wilhelm. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 18, Herzberg 2001, ISBN 3-88309-086-7, Sp. 1254–1260.
  • Matthias Wolfes: Schmidt, Paul Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 212 f.
  • Julius Websky: Das positive Christentum des Protestantenvereins, Berlin 1882
  • Heinrich Bassermann: Die Bedeutung des Liberalismus in der evangelischen Kirche. Vortrag, gehalten am 11. März 1883 in Wiesbaden, Wiesbaden 1883
  • Der allgemeine deutsche Protestantenverein in seinen Statuten, den Aussprachen seines engern, weitern und geschäftsführenden Ausschusses und den Thesen seiner Hauptversammlungen 1865–1888, Berlin 1889
  • Paul Mehlhorn: Protestantenverein. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 16, Hinrichs, Leipzig 1905, S. 127–135.
  • Eberhard Vischer: Die Lehrstühle und der Unterricht an der theologischen Fakultät Basels seit der Reformation, in: Festschrift zur Feier des 450jährigen Bestehens der Universität Basel, Basel 1910
  • Alfred Fischer: Professor P. W. Schmidt, in: Protestantenblatt. Wochenschrift für den deutschen Protestantismus 50 (1917), 407-408
  • J. G. B.: Professor Dr. P. W. Schmidt †, in: Nationalzeitung. Ausgabe vom 14. Juni 1917.
  • Karl Ludwig Schmidt: Zum 100. Geburtstag von Paul Wilhelm Schmidt, in: Basler Nachrichten. Ausgabe vom 24. Dezember 1945
  • [Korr.:] Professor Paul Wilhelm Schmidt. Zum 100. Geburtstag am 25. Dezember 1945, in: Nationalzeitung. Ausgabe vom 24. Dezember 1945 (mit Porträtphotographie)
  • Ernst Staehelin: Karl Barths Vorgänger auf dem Basler Lehrstuhl für systematische Theologie, in: Theologische Zeitschrift 12 (1956), 162-187; - Edgar Bonjour: Die Universität Basel von den Anfängen bis zur Gegenwart 1460–1960, Basel 1960
  • Herbert Gottwald u. Heinz Herz: Deutscher Protestantenverein (DPV) 1863–1945, in: Dieter Fricke (Hrsg.): Lexikon der Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789–1945). Band 2, Köln 1984, 251-257
  • Albert Schweitzer: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tübingen 1984 [Erstauflage: Tübingen 1906]
  • Friedrich Wilhelm Graf: Kulturprotestantismus. Zur Begriffsgeschichte einer theologiepolitischen Chiffre, in: Archiv für Begriffsgeschichte 28 (1984), 214-286
  • Gangolf Hübinger: Kulturprotestantismus und Politik. Zum Verhältnis von Liberalismus und Protestantismus im wilhelminischen Deutschland, Tübingen 1994
  • Claudia Lepp: Protestantisch-liberaler Aufbruch in die Moderne. Der deutsche Protestantenverein in der Zeit der Reichsgründung und des Kulturkampfes (Religiöse Kulturen der Moderne. Band 3), Gütersloh 1996
  • KJ 44, 617
  • DBJb II (1928), 670
  • Johannes E. S. Schmidt: Die Französische Domschule und das Französische Gymnasium zu Berlin. Schülererinnerungen 1848–1861. Herausgegeben und kommentiert von Rüdiger R. E. Fock. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-3478-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Johannes E. S. Schmidt: Die Französische Domschule und das Französische Gymnasium zu Berlin. Schülererinnerungen 1848–1861. Herausgegeben und kommentiert von Rüdiger R. E. Fock. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-3478-0
  2. Vgl. BBKL-Eintrag zu Schmidt.

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