Neumark (Landschaft)

Neumark (Landschaft)
Das brandenburg-neumärkische Wappen

Die Neumark (poln. Nowa Marchia) ist eine östlich der Oder in Polen gelegene historische Landschaft. Sie gehörte bis 1945 zur preußischen Provinz Brandenburg.

Inhaltsverzeichnis

Geografische Lage

Die Neumark war im Westen und Süden von der Oder begrenzt, im Norden grenzte sie an die Provinz Pommern und im Osten an Polen bzw. von 1815 bis 1920 an die preußische Provinz Posen. Neben der Oder beherrschten die Flüsse Warthe und Netze mit ihren weiten Sumpfgebieten die Landschaft. Zur Zeit ihrer größten Ausdehnung (Ende des 17. Jahrhunderts) umfasste die Neumark die Kreise Königsberg Nm., Soldin, Landsberg (Warthe), Friedeberg Nm., Arnswalde, Dramburg, Schivelbein, Sternberg, den vormals schlesischen Kreis Crossen und den historisch-geographisch zur Niederlausitz gehörenden Kreis Cottbus. Da nach der Oderregulierung im 18. Jahrhundert der Grenzverlauf im Westen nicht geändert wurde, erstreckte sich die Neumark seitdem auch auf das heutige westliche Oderufer. Diese im späteren Landkreis Königsberg Nm. gelegenen Orte [1] (unter anderem die Gemeinden Bralitz, Altglietzen, Schiffmühle, Neutornow, Gabow, Neuenhagen,Hohenwutzen, Neurüdnitz, Altreetz, Adlig Reetz, Königlich Reetz, Altwustrow,Neuwustrow, Croustillier, Neuküstrinchen, Neuranft, Karlsbiese, Karlshof, Alt und Neu Bleyen, die Gemeindeteile Neulietzegöricke, Zäckericker Loose, Zelliner Loose, Drewitz Ausbau, Güstebieser Loose, Schaumburg) sowie die westlich der Oder gelegenen Gemeindeteile der Stadt Küstrin und der im Landkreis Weststernberg gelegenen Gemeinden Aurith und Kunitz (Kunitz-Loose) verblieben als Reste der Neumark nach 1945 bei Brandenburg.

Geschichte bis 1320

Die Mark Brandenburg im Spätmittelalter

Bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts war das Gebiet der späteren Neumark dünn von slawischen Stämmen besiedelt und stand seit Ende des 10. Jahrhunderts unter der Herrschaft Polens. Vom dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts an begann die Einwanderung niederdeutscher Siedler nördlich und südlich von Warthe und Netze zunächst auf Initiative der pommerschen und polnischen Herrscher. Sie bedienten sich dabei der Orden der Templer, Johanniter und Zisterzienser, die zunächst Klöster gründeten und dann in deren Bereich Siedlungen errichteten. Im Norden bauten Pommern und Polen zum Schutz der Grenze Burgen, zu deren Füßen ebenfalls neue Siedlungen entstanden.

Auch die Brandenburger Markgrafen aus dem Haus der Askanier waren bestrebt, östlich der Oder Fuß zu fassen. Zu einem wichtigen Stützpunkt wurde die Kastellanei Zantoch mit dem einzigen Wartheübergang. Sie war in polnischer Hand, wegen ihrer strategischen Bedeutung aber über lange Zeiten ein Streitobjekt mit den Pommern gewesen. Des Streites müde überließ Großpolenherzog Przemysl I. 1254 die Kastellanei dem brandenburgischen Markgrafen Konrad als Mitgift für seine Tochter Konstanza. Zur Sicherung des Gebietes gründete Markgraf Johannes I. 1257 die Stadt Landsberg. Durch weiteren Landerwerb konnten die Askanier ihren Herrschaftsbereich weiter nach Osten bis zum Fluss Drage und nach Norden bis zum Fluss Persante ausdehnen. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts war die Besiedelung der „Terra trans Oderam“ im Wesentlichen abgeschlossen (der Name Neumark wird erstmals 1383 gebraucht: „die nuwe Mareke uff dissit oder obir der Oder“). Die neuen Siedler waren in der Hauptsache aus den Magdeburger und altmärkischen Landen gekommen. Zum Machtzentrum der Neumark, wie das Gebiet etwa vom 15. Jahrhundert an genannt wurde, entwickelte sich die Stadt Soldin, die 1261 in den Besitz der Askanier gekommen war.

Vom Aussterben der Askanier bis zur Reformation

Mit dem Aussterben der Askanier 1320 ließ das Interesse Brandenburgs an der Neumark spürbar nach. Weder die Wittelsbacher (1323–1373) noch die Luxemburger Herrschaftshäuser kümmerten sich um die Weiterentwicklung ihrer östlich der Oder gelegenen Gebiete. Das politische Vakuum nutzten die Polen mit mehrfachen zerstörerischen Einfällen, und Raubritter terrorisierten die Bevölkerung. 1402 wurde die Neumark an den Deutschen Ritterorden verpfändet, 1429 ging sie in dessen Besitz über, doch ließ auch der Orden das Land weiter verfallen. Im Jahre 1433 wurden Teile der Neumark von Hussiten schwer zerstört. Anfang Juni begann der Einmarsch von Hussiten und Polen, am 4. Juni wurde Zantoch erobert, vom 9. bis 15. Juni Landsberg belagert. Währenddessen wurde in weitem Umkreis alles verwüstet, zahlreiche Dörfer wurden niedergebrannt. Am 15. Dezember 1433 schlossen der Deutsche Orden und der König von Polen einen Frieden auf zwölf Jahre, er sah unter anderem vor, dass der Orden den Bischöfen von Polen alle Güter, Dörfer und Besitzungen, die ihnen von alters her gehört hatten, wieder einräumen sollte.

Die eigene Misswirtschaft zwang den Orden, die Neumark bereits 1454 wieder an den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich II. aus dem Hause Hohenzollern zu verpfänden. Nachdem Friedrich II. die Neumark 1463 für 40.000 Gulden endgültig erworben hatte, gehörte die Neumark mit Ausnahme der Zeit zwischen 1535 und 1571 auf Dauer zu Brandenburg. 1535 machte Markgraf Hans von Küstrin die Neumark zeitweise zu einem selbständigen Staatsgebilde und leitete die Konsolidierung des Landes ein. Dabei wirkten sich die Folgen der 1537 eingeführten Reformation günstig aus, denn aller Stifts- und Klosterbesitz mit seinen reichen Einnahmen wurde in landesherrliches Eigentum überführt.

Die Neumark von der Reformation bis zum Wiener Kongress 1815

1548 wurde der Regierungssitz von Soldin nach Küstrin verlegt. Mit dem Tode von Hans von Küstrin sowie von dessen Bruder 1571 gab es keine erbberechtigten männlichen Nachkommen und die Neumark wurde wieder mit dem Kurfürstentum Brandenburg vereinigt. Der Dreißigjährige Krieg machte der Neumark schwer zu schaffen. Schwedische wie kaiserliche Truppen zogen plündernd und brandschatzend durch das Land, die Pestepidemien der Jahre 1626 und 1631 rafften die Bevölkerung dahin. Während der schwedischen Besetzung musste die Neumark 60.000 Taler und 10.000 Wispel Roggen an Stationierungskosten aufbringen.

Mit der Gründung des preußischen Staates 1701 begann sich die Situation der Neumark wieder zu verbessern. Bereits unter König Friedrich I. setzte eine neue Kolonisationswelle ein, und zu den neuen Einwanderern zählten auch zahlreiche reformierte Franzosen, die ihres Glaubens wegen ihre Heimat verlassen mussten. Zielgerichtet wurde in der Neumark das Tuchmacherhandwerk angesiedelt. Einen erneuten Rückschlag für das wirtschaftliche Leben brachte der Siebenjährige Krieg mit sich, als erneut hohe Kontributionen aufgebracht werden mussten. Erheblicher Landgewinn und wirtschaftliche Konsolidierung kam durch das Trockenlegungsprogramm von Friedrich dem Großen für das Warthe- und Netzebruch ab 1770 für die Neumark zum Tragen.

Die Neumark von 1815 bis 1945

Verwaltungsgliederung der Neumark 1818

Die Neugliederung Preußens auf Grund der territorialen Veränderungen durch den Wiener Kongress 1815 veränderte auch die politische Gliederung der Neumark. Die Kreise Dramburg und Schivelbein sowie die nördlichen Teile des Kreises Arnswalde mit der Stadt Nörenberg wurden der Provinz Pommern zugeschlagen. Das verbliebene Gebiet der Neumark mit den Kreisen Landkreis Königsberg/Nm., Soldin, Arnswalde, Friedeberg, Landsberg (Warthe), Sternberg (1873 geteilt in Weststernberg (Reppen) und Oststernberg (Zielenzig)), Züllichau-Schwiebus und Crossen wurde in den neu geschaffenen Regierungsbezirk Frankfurt der Provinz Brandenburg eingegliedert. Zum 1. Januar 1836 wurde der Kreis Küstrin aufgelöst und auf die Kreise Königsberg/Nm., Landsberg (Warthe) und Lebus aufgeteilt. Als 1938 die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen aufgelöst wurde, wurde die Neumark um die Kreise Schwerin (Warthe) sowie Teile der Kreise Meseritz und Landkreis Bomst erweitert, im Gegenzug gingen aber die Kreise Arnswalde und Friedeberg an die Provinz Pommern.

Die Rote Armee erreichte die Neumark Ende Januar 1945. Von den 645.000 Einwohnern (Volkszählung 1939) waren noch rund 400.000 im Lande [2]. Von ihnen kamen in den darauffolgenden Wochen bis Kriegsende viele ums Leben. Das ostbrandenburgische Gebiet war damit die Region Deutschlands mit den höchsten Verlusten unter der Zivilbevölkerung.

Die Neumark in Polen

Im Frühjahr 1945 unterstellte die UdSSR das Gebiet der polnischen Zivilverwaltung. Durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz (Potsdamer Abkommen) vom Juli/August 1945 kam das Gebiet vorbehaltlich einer friedensvertraglichen Regelung zur Volksrepublik Polen. Die noch ansässige deutsche Bevölkerung wurde bis 1947 fast vollständig vertrieben und per Dekret vom 6. März 1946 enteignet. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, zumeist Spezialisten wie Techniker für Wasserwerke, wurde zurückgehalten und musste Zwangsarbeit leisten. Diese Personengruppe durfte Ostbrandenburg Anfang der 1950er-Jahre verlassen. An Stelle der deutschen Bevölkerung traten zu etwa zwei Dritteln Zuwanderer aus Zentralpolen sowie zu ca. einem Drittel ebenfalls aus ihrer Heimat vertriebene Ostpolen und Ukrainer. 1975–1998 gehörte die Neumark zu den Woiwodschaften Gorzów Wielkopolski (Landsberg/Warthe) und Zielona Góra (Grünberg); nur ein kleiner Teil um Chojna (Königsberg Nm.) gehörte zur Woiwodschaft Szczecin (Stettin). Die völkerrechtliche Zugehörigkeit zu Polen wurde 1990 mit Abschluss des deutsch-polnischen Grenzvertrags bestätigt.

Mit der Neugliederung Polens nach der Demokratisierung kam der größte Teil der Neumark zur Woiwodschaft Lebus, deren Kernland sie nun bildet. Ein kleiner Teil gehört zur Woiwodschaft Westpommern. Seit dem 1. Januar 1999 gehört fast die gesamte Neumark der Woiwodschaft Lebus an.

Infrastruktur der Neumark

Das Gebiet der Neumark war von jeher von der Land- und Forstwirtschaft geprägt. Auch die mittelgroßen Siedlungen waren zumeist Ackerbürgerstädte. Vom 19. Jahrhundert an gewann das Tuchmachergewerbe an Bedeutung. Mit dem Bau der modernen Verkehrswege, die Reichsstraße 1 BerlinKönigsberg und die Ostbahn durchquerten die Neumark, wurde auch die Voraussetzung für industrielle Ansiedelungen geschaffen. Sie waren hauptsächlich auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft ausgerichtet und konzentrierten sich auf die beiden großen Städte Landsberg und Küstrin.

Siehe auch

Literatur

  • Erich Blunck (Hg.): Die Kunstdenkmäler des Kreises Königsberg (Neumark). Geographisch geologische Übersicht / Die Stadt Königsberg / Die nördlichen Orte / Die Stadt Cüstrin / Sie südlichen Orte (Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, 7 T. 1). Vossische Buchhandlung, Berlin 1927–1929.
  • Gerd Heinrich: Berlin und Brandenburg. Mit Neumark und Grenzmark Posen-Westpreußen (Kröners Taschenausgabe, 311). Alfred Kröner Verlag, Stuttgart ³1995, ISBN 3-520-31103-8. – Mit einigen Beiträgen von Johannes Schultze zu Orten der Neumark.
  • Jörg Lüderitz: Die Neumark entdecken. 3. Auflage. Berlin 2003, ISBN 3-89794-019-1.
  • Jörg Lüderitz (Hrsg): Neumärkisches Lesebuch. Landschaften und Menschen im östlichen Brandenburg. Berlin 2004, ISBN 3-89794-043-4.
  • Bernd Vogenbeck, Juliane Tomann, Ziemia Lubuska: Almanach Terra Transoderana. Zwischen Neumark und Ziemia Lubuska. Berlin 2008, ISBN 978-3-937233-50-5.
  • Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Neumark.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gemeindeverzeichnis Deutschland 1900 – Landkreis Königsberg (Neumark)
  2. Jörg Lüderitz:Die Neumark: Durch die alte Kulturlandschaft östlich der Oder, Berlin 2008, ISBN 978-3-89794-122-9

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