Pawel Petrowitsch Postyschew

Pawel Petrowitsch Postyschew
Pawel Petrowitsch Postyschew
Pawel Petrowitsch Postyschew (1934)

Pawel Petrowitsch Postyschew (russisch Павел Петрович Постышев, * 6. Septemberjul./ 18. September 1887greg. in Iwanowo-Wosnessensk; † 26. Februar 1939) war ein sowjetischer Politiker.

Postyschew war der Sohn eines Webers. 1901 trat er in die revolutionäre Bewegung ein und 1904 in die RSDRP. Zwei Jahre später war er im Vorstand der Gewerkschaft der Kattun-Drucker und des Stadtkomitees der Partei.

Inhaltsverzeichnis

Ferner Osten

1908 verhaftet, verbannte man ihn in den sibirischen Oblast Irkutsk wo er 1914-17 wiederum Mitglied der RSDRP war. Im Revolutionsjahr wurde er deren Abgeordneter sowie Mitglied des Militärischen Komitees und der Gewerkschaftszentrale. 1918 wurde er Mitglied des Revolutionstribunals, der Regierung Zentralsibiriens und Vertreter des Fernen Ostens im Rat der Volkskommissare. Möglich ist auch, das Postyschew am Polnisch-Sowjetischer Krieg teilnahm und dort Isaac Babel kennenlernte [1].

Er gilt als einer der Organisatoren des „ Roten Terrors“ in Sibirien und dem Fernen Osten, dem Grausamkeiten selbst unter den Bolschewiki zugeschrieben werden. 1920 war er Repräsentant des Zentralkomitees der Kommunistische Partei Russlands (B), KPR(B), in der Region Chabarowsk und 1921/22 der Regierung der Fernöstlichen Republik (ДВР) in der Pribaikal-Region (westlich des Baikalsees). Zu dieser Zeit war er im Militärkollegium der Ostfront des Russischen Bürgerkrieges und Mitgründer des Instituts der Militärkommissare der Fernostarmee. Postyschew organisierte den "Sturms der Roten Armee auf Wolotschajewka" mit, der in dem Lied Partisanen vom Amur erwähnt wird. Ende 1922 wurde er Regionalkommissar der Fernöstlichen Republik in Werchneudinsk.

Ukraine

Beginnend als "Organisations-Instrukteur" der Kiewer KP stieg er in den Jahren 1924-30 vom örtlichen Parteisekretär zum Kandidaten des ZK der KP der Ukrainischen SSR und weiter zum Mitglied sowie zuletzt Sekretär des Zentralkomitees der KP sowie Mitarbeiter des Orgbüros in Moskau auf. Hier leitete er 1930-33 u.a. die Propaganda-Abteilung.

Wegen "Schwierigkeiten mit der Form der Getreidesammlung" (heute bekannt als Holodomor) entsandte man Postyschew im März 1933 als 2. Sekretär der Partei mit Sonderbefugnissen wieder in die Ukraine. Er hatte sich im November 1932 als Vorsitzender einer Kommission im Unterwolgakreis mit der Forderung "den Plan der Getreideerfassung mit allen Mitteln zu erfüllen" profiliert. Den Sekretär des Kreiskomitees der Partei, der einwendete, das das unmöglich sei, enthob Postyschew dabei seines Amtes; einen Kolchos-Vorsitzenden, dem 4 Prozent Planerfüllung fehlten, ließ er verhaften. Dafür stellte man Postyschew an die Seite von Kossior, um die Befolgung der Weisungen Kaganowitschs zu überwachen [2].

Auf dem 12. Parteikongress der ukrainischen KP referierte er über die Lage [3]. Er wirkte in der Folge als Hauptorganisator der Repressierung der ukrainischen Intelligenz (1932-37) wegen "Nationalismus" und wurde konsequenterweise am 1. Februar 1934 Kandidat des Politbüros des ZK der KP. Postyschew "säuberte" die ukrainische KP von sogenannten Nationalisten, die auch mit Hilfe gefälschter Beweise inhaftiert und teils hingerichtet wurden, so dass zuletzt zwei Drittel der Mitglieder entfernt worden waren; begleitet von der Inhaftierung hunderttausender einfacher Bürger. Nach anderer Quelle soll erst Chruschtschow, der ihn später in dieser Funktion (und auch als Kandidat des Politbüros) „beerbte“, die Säuberungen beschleunigt haben, die Postyschew noch zu bremsen versuchte [4]. Zu jener Zeit besuchte Isaac Babel die Kolchosen der Ukraine und Postyschew stellte ihm dafür zwei Autos zur Verfügung.

Im "Moskauer Prozeß der 16" gegen das "Vereinigte Zentrum des trotzkistisch-sinowjewistischen konterrevolutionären Blocks" 1936 wurden unterdessen Sinowjew und Kamenew wegen Planung eines Anschlags u.a. auf Postyschew verurteilt. [5]

1937 zum Vertreter des Obersten Gerichtshofes der UdSSR ernannt, entsandte man Postyschew zur Partei nach Kuibyschew. Eine örtliche Parteikonferenz unter seiner Leitung analysierte die "Schädlingsarbeit" von "Volksfeinden" und deren unzureichende Verfolgung durch die verschiedenen Parteigliederungen, so dass im Ergebnis 110 Gebietssekretäre verhaftet und 30 Bezirksparteikomitees aufgelöst wurden. Chruschtschow schrieb in seinen Memoiren, dass Postyschew "die Art Person war, die manchmal den Umgangston mit unzulässiger Grobheit verschärfte."

Januar-Plenum 1938

Auf dem Plenum des ZK der WKP (B) in Moskau am 14. Januar 1938 referierte G. Malenkow "Über Fehler der Parteiorganisationen beim Ausschluss von Kommunisten aus der Partei". Er kritisierte "die hohe Zahl der ausgeschlossenen Parteimitglieder und verurteilten Bürger, ohne dass es Namenslisten dieser Personen gäbe, sondern nur Listen von Zahlen". Das Plenum beschloss das Ende "unbegründeter Massenausschlüsse aus der Partei". Zuvor hatte das Politbüro am 9. Januar entschieden, dass Postyschews Vorgehen in Kuibyschew "politisch schädlich" und "provokativ" gewesen war [6]

Postyschew wurde daneben für die Bemerkung, dass es "kein einziges ehrliches Mitglied in allen Parteiorganisationen gibt", aus der Liste der Kandidaten für das Politbüro entfernt [7], bald darauf aus der Partei ausgeschlossen und am 21. Februar verhaftet. Fünf Tage später zum Tode verurteilt, erschoss man ihn sofort.

Postum

Als "Familienmitglied eines Vaterlandsverräters" (TschSIR) war Postyschews jüngster Sohn Wladimir 1941 in Knjaschpogost, Komi, inhaftiert [8].

1956 rehabilitierte man P. P. Postyschew. In Wladiwostok ist eine Straße nach ihm benannt. 1935 hieß ein Gebiet der Region Primorje "Postyschewski", welches drei Jahre später in "Krasnoarmeski" umbenannt wurde. Eine Tageszeitung, die "Postyschewez" heißen sollte, wurde in dieser Zeit im letzten Moment in "Bolschewik" umbenannt [9].

Der Weihnachtsbaum

Postyschew ist heute in Russland noch bekannt für seine "Rehabilitierung des Weihnachtsbaumes". In den 1920er Jahren hatte der Komsomol eine Kampagne gegen die "bourgeoise Degeneration" und den "Popen-Obskurantismus" christlicher Weihnachtsfeiern geleitet. Da der entsprechende Handel nicht gestoppt werden konnte, konzentrierte man sich 1927 mit politischer Satire (u.a. schrieb Dichter Simeon Kirsanow ein Spottgedicht) und Karikaturen auf den Weihnachtsbaum. Nach vielen Jahren der antireligiösen Kampagne veröffentlichte die Prawda am 28. Dezember 1936 einen Brief Postyschews, der "das Vergnügen der Reichen aus vorrevolutionärer Zeit für alle Kinder als sowjetischer Weihnachtsbaum in öffentlichen Gebäuden" möglich machen sollte. Es gab darüber keinen Politbüro-Beschluss; Postyschew hatte die "Rehabilitierung", die im ganzen Land aufgegriffen wurde, persönlich mit Stalin abgesprochen. Sie ging einher mit einem gesellschaftlichen Wandel: der Abschaffung der Lebensmittelkarten 1935, der beginnenden Produktion russischen Sekts und der Wiederzulassung von Jazz und Foxtrott [10].

Medien

  • Pawel Postyschew: Marxistisch-Leninistische Erziehung. Moskau-Leningrad: Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter in der UdSSR, 1933.
  • Wadim Sacharowitsch Rogowin: Gab es eine Alternative 5. Die Partei der Hingerichteten. Arbeiterpresse. 1998. ISBN 3886340724
  • Film: Parole unnötig. (russ.: PAROL NJE NUSHEN), UdSSR, Gorki-Studio.1967. R: Boris Grigorjew, D: Michail Fjodorow als Postyschew

Quellen

  1. Reinhard Krumm: ‚’Isaak Babel’’. Rowohlt, Reinbek; 2003
  2. S.W. Kultschizki: 1933: die Hungertragödie". Kiew 1989, S. 38
  3. Proletarian (Charkow 1934), No.15-21. Zit. nach W.E.D. Allen: The Ukraine, Cambridge 1940, S.326.
  4. Holmberg, Nils, Friedliche Konterrevolution, Oberbaumverlag Berlin 1974, Teil I S. 34
  5. Urteil des Prozesses vom 23. August 1936, Stalinwerke
  6. Memorial, „Der Große Terror“: 1937-1938 . Kurz-Chronik
  7. Grover Furr, Stalin und der Kampf für demokratische Reformen
  8. http://www.memorial.krsk.ru/deu/Dokument/Memuar/noname4.htm Memorial, Aus den Erinnerungen eines TschSIR
  9. Tamara КАЛИБЕРОВА: Улица Постышева празднует именины. In "Wladiwostok" 2205/2007
  10. Radio Free Europe: Елка, фокстрот и шампанское, Januar 2005

Weblinks


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