- Pfeilkreuzler
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Die Pfeilkreuzler (offiziell: Pfeilkreuzlerpartei – Hungaristische Bewegung, ungarisch Nyilaskeresztes Párt – Hungarista Mozgalom, kurz NYKP), auch Hungaristen, waren eine 1937 von Ferenc Szálasi gegründete nationalsozialistische Partei in Ungarn. Mit Unterstützung des Dritten Reiches errichteten die Pfeilkreuzler von 15. Oktober 1944 bis 28. März 1945 in den noch nicht von der Roten Armee besetzten Teilen Ungarns eine nationalsozialistische Regierung, unter der mehrere zehntausend Menschen ermordet wurden.
Inhaltsverzeichnis
Bezeichnungen
- 1935–1937: Partei des Nationalen Willens (ungarisch: Nemzet Akaratának Pártja, kurz NAP)
- 1937–1938: Ungarische Nationale Sozialistische Partei (ungarisch: Magyar Nemzeti Szocialista Párt, kurz MNSZP)
- 1938–1939: Nationalsozialistische Ungarische Partei – Hungaristische Bewegung (ungarisch: Nemzetiszocialista Magyar Párt – Hungarista Mozgalom, kurz NSZMP – HM)
- 1939–1945: Pfeilkreuzlerpartei – Hungaristische Bewegung (ungarisch: Nyilaskeresztes Párt – Hungarista Mozgalom, kurz NYKP)
Geschichte
1935 gründete Ferenc Szálasi die Partei des Nationalen Willens, aus der am 23. Oktober 1937 offiziell die Pfeilkreuzler entstanden. Der Parteigruß lautete „Kitartás!“ (deutsch: „Durchhalten!“).[1] Ein ehemals jüdisches Bürgerpalais (das heutige Museum „Haus des Terrors" in Budapest) auf der dicht begrünten Prachtallee – der Andrássy út – diente von 1939 bis 1944 unter dem Namen „Haus der Loyalität“ den Pfeilkreuzlern als Parteizentrale, inklusive Folterkellern in den Untergeschossen.
Bei der ungarischen Parlamentswahl im Jahre 1939 erreichte die Pfeilkreuzlerpartei ihren größten Erfolg. Sie erhielt 900.000 Stimmen (rund 25 Prozent) und zählte 250.000 Parteimitglieder,[2] war aber dennoch bis zum 15. Oktober 1944 nie an einer Regierung beteiligt. Erst nachdem der Versuch der Regierung unter Reichsverweser Miklós Horthy, einen Separatfrieden mit den Alliierten zu schließen, gescheitert war, übernahm sie die Führung einer Regierungskoalition, nachdem Ungarn von Deutschland im März 1944 besetzt worden war.
Mit ihrer Hilfe konnte die zweite, von den Deutschen geplante Deportationswelle des Holocaust im November 1944 durchgeführt werden, in dessen Folge 76.000 Juden deportiert wurden.[3] Da jedoch die Transportmittel Kriegsbedingt ausfielen, wurden die Juden zu Fuß auf Todesmärsche in Richtung österreichische Grenze geschickt. Viele von ihnen starben auf dem Weg an Erschöpfung, oder wurden von der Begleitmannschaft getötet. Ende November wurden die Fußmärsche von Szálasi gestoppt, da er Transportmittel verlangte, mit denen die Juden deportiert werden könnten. Das endgültige Ende der Deportationen bedeutete allerdings in keinster Weise eine Entspannung der Lage für die ungarischen Juden. In Ghettos zusammengepfercht, wurden sie Opfer grausamster Gewalttaten marodierender Pfeilkreuzler.[4]
Bereits gleich nach der Machtübernahme der Pfeilkreuzler im Oktober 1944 wurden tausende ungarische Juden am Ufer der Donau erschossen. Der ungarische Historiker Krisztián Ungváry spricht von 2.600 bis 3.600 Juden, die auf diese Art ermordet wurden.[5] In ganz Budapest fanden Massaker statt, so z. B. am 12. Januar 1945 im jüdischen Krankenhaus in der Maros-Straße, als etwa 90 Ärzte von einem Pfeilkreuzlertrupp erschossen wurden.[6] Ebenso wie in Kroatien taten sich einige Priester bei den Tötungen besonders hervor. So gab ein Pater Kun zu, er habe etwa 500 Juden ermordet. Gewöhnlich befahl er: „Im Namen Christi – Feuer!“ Auch Frauen beteiligten sich aktiv an den Massenmorden.[7]
Bis zum Ende der Schlacht um Budapest, nach welcher Ungarn vollständig von der Roten Armee besetzt wurde, sollen allein in Budapest insgesamt 50.000 Juden von der Nazi-Partei ermordet worden sein. Durch die Unterstützung der deutschen Behörden bei Erfassung, Sammlung und Deportierung der ungarischen Juden in deutsche Konzentrationslager tragen die Pfeilkreuzler nach Angaben des United States Holocaust Memorial Museum Mitverantwortung für den Tod von rund 500.000 weiteren ungarischen Bürgern jüdischer Abstammung.
Südlich des ungarischen Parlaments in Budapest, am unteren Donaukai, wurde ein Holocaust-Mahnmal des Künstlers Gyula Pauer in Zusammenarbeit mit dem Filmregisseur Can Togay errichtet: Schuhe am Donauufer. Auf einer Länge von 40 Metern wurden zum Andenken an die Erschießungen von 1944/45 sechzig Paar Schuhe aus Metall gereiht.
Namensgebung
Die oben genannte Partei des nationalen Willens verwendete ein Symbol, das an das Hakenkreuz der deutschen Nationalsozialisten angelehnt war. Dieses war ein aufrechtes symmetrisches Kreuz mit Pfeilspitzen an den Enden (gewöhnlich in einem weißen Kreis auf rotem Grund) und stand bei der späteren Benennung der Partei für den Namen.
Die vier Arme des Pfeilkreuzes liefen in Pfeilspitzen aus. Diese sollten die Stoßkraft der Bewegung versinnbildlichen, die ihr Symbol auf Armbinden trugen. Sie stellten darüber hinaus einen Rückgriff auf die nationale Vergangenheit dar, denn Pfeilsymbole waren schon von den magyarischen Eroberern Ungarns geführt worden. Das Pfeilkreuz gelangte 1933 zu größerer Bedeutung, als sich faschistische Splittergruppen vereinigten, die zuvor das Hakenkreuz benutzt hatten. Nach dem Hakenkreuz ist das Pfeilkreuz das eindringlichste antisemitische Zeichen. Zudem symbolisieren die Pfeile alle Himmelsrichtungen. Das Pfeilkreuz sollte damit symbolisieren, dass alle im Vertrag von Trianon verlorenen Gebiete zurückerobert werden müssen.
Einzelnachweise
- ↑ www.dradio.de, vom 12. April 2008, Rückkehr der Gespenster?(online)
- ↑ Nation, Konfession, Geschichte: zur nationalen Geschichtskultur Ungarns - Von Árpád von Klimó, S. 268 (online)
- ↑ Nationen und ihre Selbstbilder: postdiktatorische Gesellschaften in Europa - von Regina Fritz,Carola Sachse, S. 139 (online)
- ↑ Igor-Philip Matić: Edmund Veesenmayer: Agent und Diplomat der nationalsozialistischen Expansionspolitik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2002, S. 263
- ↑ Gerhard Botz, Stefan Karner: Krieg. Erinnerung. Geschichtswissenschaft. Böhlau Verlag, Wien 2009, S. 324
- ↑ Gerhard Botz, Stefan Karner: Krieg. Erinnerung. Geschichtswissenschaft. Böhlau Verlag, Wien 2009, S. 324-325
- ↑ Saul Friedländer, Martin Pfeiffer: Das Dritte Reich und die Juden: Die Jahre der Vernichtung, 1939-1945. C.H.Beck, 2006, S. 670
Literatur
- Margit Szöllösi-Janze: „Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung“, in: Geschichte und Gesellschaft 12 (1986), S. 163–182.
- Margit Szöllösi-Janze: „Die Pfeilkreuzlerbewegung in Ungarn. Historischer Kontext, Entwicklung und Herrschaft“ (= Studien zur Zeitgeschichte 35), Oldenbourg München 1989 (Dissertation 1986), ISBN 3-486-54711-9
- Margit Szöllösi-Janze: „Pfeilkreuzler, Landesverräter und andere Volksfeinde – Generalabrechnung in Ungarn“, in: Klaus-Dietmar Henke/Hans Woller (Hg.), Politische Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg, München 1991, S. 311–357.
- Nina Gladitz/Perez Lorenzo: Der Fall Giorgio Perlasca. In: Dachauer Hefte Nr. 7 (1991) S. 129–143 ISSN 0257-9472 (ZDF-Dokumentarfilm Perlasca von 1992)
- Enrico Deaglio: Die Banalität des Guten. Die Geschichte des Hochstaplers Giorgio Perlasca, der 5200 Juden das Leben rettete, 1993, ISBN 3-8218-1150-1
- Miklós Lackó, Arrow-cross men, national socialists , Studia historica Academiae Scientiarum Hungaricae ; 61, Budapest, Akad. Kiado, 1969
Weblinks
Commons: Pfeilkreuzler – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienKategorien:- Antisemitismus
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