Aulus Gellius

Aulus Gellius

Aulus Gellius (durch die Zeit des Mittelalters auch irrtümlicherweise als Agellius bekannt) ist ein lateinischer Schriftsteller des 2. Jahrhunderts n. Chr. und schrieb das Werk Noctes Atticae.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Aulus Gellius wurde vermutlich 130 n. Chr. geboren. Der Geburtsort Rom ist in der Forschung umstritten. Diskutiert wird auch Herkunft aus der Provinz Africa. Sicher hat Gellius allerdings den Großteil seines Lebens in der Hauptstadt des römischen Reiches verbracht und ist dort wohl auch gestorben. Aus seinem Werk lässt sich sein Geburtsjahr um 130 datieren, was in der modernen Forschung auch allgemein bestätigt wird. Frühere Termine (107-120 n. Chr.) berücksichtigen neben Gellius' eigenen Angaben auch andere Quellen, die aber keine sichere Relevanz besitzen. Auch über sein Todesjahr (wohl um 180 n. Chr.) kann nur spekuliert werden.

Über Gellius' Person und Leben sind wir nur durch seine eigenen vereinzelten Hinweise informiert. Er studierte in Rom Grammatik bei Apollinaris Sidonius und Rhetorik wahrscheinlich bei Antonius Iulianus aber auch bei Marcus Cornelius Fronto, so dass er eine sehr gute Ausbildung genoss. In Rom wurde er später zum Richter der iudicia privata gewählt.

Ungefähr im Alter von 30 Jahren – mindestens in den Jahren 165 bis 167 – weilte Aulus Gellius für weitere Studien, wie das der Philosophie, in Athen. Dort wurde er Schüler des Philosophen Tauros, eines Platonikers, der eine private Philosophenschule leitete. Er wurde ein Freund des Politikers und Mäzens Herodes Atticus, der ebenfalls ein Schüler des Tauros war. Mit Apuleius ist er höchstwahrscheinlich in Rom (bei einem gemeinsamen Gönner?) bekannt geworden. Auch der berühmte Philosoph und Sophist Favorinus von Arelate übte einen großen Einfluss auf ihn aus; Gellius bezeichnet ihn als homo ille fandi dulcissimus.

Noctes Atticae

Entstehung

Sein einziges Werk, das Sammelwerk Noctes Atticae („Attische Nächte“), verfasste Gellius um das Jahr 170.

Benannt ist das Werk nach den langen Winternächten, die Gellius in der Umgebung Athens in Attika verbrachte, auch wenn er später in Rom daran weiterarbeitete.

quoniam longinquis per hiemem noctibus in agro ... terrae Atticae commentationes hasce ludere ac facere exorsi sumus, idcirco eas inscripsimus noctium esse Atticarum

Das Werk ist aber ebenfalls ein Spiegelbild der Atmosphäre des literarischen Salons des 2. Jahrhunderts, einer zweisprachigen Literaturepoche. Das in zwanzig Bücher gegliederte Werk – von Buch VIII sind nur die ausführlichen Inhaltsangaben erhalten – zählt zur Gattung der Buntschriftstellerei.

Form und Stil

Häufig verwendet Gellius nicht nur lateinische, sondern auch griechische Zitate von historischen Persönlichkeiten dieser Zeit, sodass die typische Zweisprachigkeit dieser Epoche vermittelt wird.

Er fügt streitende Grammatiker oder Philosophen und exakte Zitate in seine Texte ein, anstatt sich mit dem Thema bzw. mit dem Problem näher auseinanderzusetzen und dieses zu erörtern. Er nutzt direkte und indirekte Rede, um Lebhaftigkeit zu erreichen.

Der Leser der Bücher erhält Orientierungshilfen wie eine Vorrede, Überschriften, ein Inhaltsverzeichnis oder Personenbeschreibungen, die vor allem durch Gellius’ Verwendung nach und nach verbreitet wurden.

Die Textform, auf die sich der Autor meist beruft, ist mit einem Essay oder einer Anekdote zu vergleichen. Die Sammlung dieser Kurz-Essays kann als Miszellanwerk bezeichnet werden. Somit handelt es sich nicht um eine Enzyklopädie. Er ist in der Lage, kompakte Texte durch eine Vorrede, die Erläuterung des Sachverhaltes und eine abschließende Moral zu einer stimmigen Gesamtheit zu formulieren.

Für diese Textart typisch, sind die Noctes Atticae geprägt durch eine präzise Sprache. Diese wird unter anderem durch Archaismen unterstrichen, die Gellius’ Schreibweise näher charakterisieren.

Inhalte

Die Noctes Atticae sind für einen breiten Leserkreis angelegt, daneben aber auch als Lehr- und Unterhaltungsbuch für Gellius' Kinder geschrieben worden. Sie zählen dadurch auch zu den Erziehungsbüchern ad filios.

In seinen Texten setzt er sich unter anderem mit verschiedenen Problemen aus der Philosophie, mit Textkritik, den Rechtswissenschaften und der Sakrallehre auseinander. Sein Werk stellt somit eine Widerspiegelung der Bildung und des Wissens der Kaiserzeit des 2. Jahrhunderts n. Chr. dar.

Wiederkehrende Elemente des Werks sind

  • Konflikte in Bezug auf das Erfüllen von Pflichten
  • Probleme unterschiedlicher Generationen
  • Juristische Themen
  • Themen der Sprache und Literatur
  • Wissenschaftliche / technische Themen
  • Vergleich der römischen und griechischen Kultur (insbesondere poetische Vergleiche [Mimesis])

Quellen

Einige der zitierten Autoren kennt Gellius wohl nur über Zwischenquellen. Seine Angaben entstammen jedoch nicht nur Nachschlagewerken, sondern auch Originaltexten. Zitate gibt er exakt wieder, betreibt eine frühe Form der Textkritik und vergleicht Handschriftenzeugen. Die vielen griechischen Textstücke der Noctes Atticae beweisen die Zweisprachigkeit seiner Zeit und entsprechendes Interesse des Publikums. Beispiele sind hier v. a. poetologische Vergleiche zwischen z. B. Caecilius Statius und Menander oder Homer, Theokrit und Vergil.

Zu den 275 Autoren, von denen Gellius Textauszüge sammelte und verarbeitete, zählten auch Cato, Cicero und Varro, die am häufigsten von ihm zitiert werden.

Gellius verwendet auch Zitate von Schriftstellern, deren Schriften im Laufe der Zeit verlorengegangen sind (wie zum Beispiel von Marcus Valerius Probus Berytius). Dies macht ihn zu einem wichtigen Textzeugen der Editionsphilologie.

Bedeutende Passagen sind unter anderem durch den Einfluss von folgenden Autoren entstanden:

Bedeutung und Fortwirken

Gellius ist einer der Schriftsteller, der die Rechtswissenschaft, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte der Zeit vor und während der Kaiserzeit der Nachwelt sehr präzise übermittelt hat. Die Noctes Atticae haben eine zentrale Bedeutung für die Rezeption des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, da sie die besondere Form der Miszellanschrift besitzen. Sie vermitteln ein lebendiges Bild der Lese- und Bildungskultur. Dabei wird nicht nur vom Inhalt ausgegangen, sondern auch von der narrativen Einkleidung der Werks, das geistige und kulturelle Interesse des kaiserzeitlichen Bildungsbürgertums gezeichnet.

Das achte Buch ist gänzlich verloren, und es existieren nur noch die Inhaltsangaben in der praefatio und als Überschriften. Der Beginn der praefatio und das Ende des letzten Buches sind verloren, ebenso die Überschriften des 19. Buches. Die von Gellius angekündigte Fortsetzung der Noctes Atticae ist wohl nicht mehr begonnen worden.

Während einige Autoren – wie zum Beispiel Nonius Marcellus, Macrobius – seine Texte bearbeiten, ohne seinen Namen zu nennen, arbeiten auch andere Autoren mit dem Werk von Aulus Gellius. Laktanz übernahm einige Gedanken von Gellius in seine Schriften. So kam es, dass Augustin, der Gellius' Schriften über Affektenlehre der Stoa übernahm, Gellius als vir elegantissimi eloquii (civ. 9,4) bezeichnete. Auch Marcellinus und Macrobius übernahmen Themen, Gedanken und Gliederungen von Gellius.

Zur Zeit des Mittelalters galt Gellius als sehr beliebt, und so war auch Johannes von Salisbury einer seiner Leser, denn derzeit entsprach er mit seiner Vermittlung der Allgemeinbildung und seinen moralischen Abhandlungen der Wissbegierde der gebildeten Schicht.

Als sein Nachfolger gilt der Buntschriftsteller Poliziano. Gellius wird auch bei anderen Autoren gerühmt. So erwähnt Hartmann Schedel ihn in seiner Weltchronik (1493). Auch der bekannte Essayschreiber Michel de Montaigne war ein Leser seines Werkes und setzt sich mit Gellius' Gedanken auseinander. Montaigne übernahm auch den typischen Dreischnitt bestehend aus Vorrede, Erzählung und Moral und verbreitete ihn. Anhand eines durch Gellius überlieferten Zitats Veritas Temporis filia (Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit) setzt Francis Bacon den Gedanken fort, Menschen seien durch Autoritäten gehemmt gewesen, die Welt selbst zu erkunden.

Am 1. Dezember 1641 wurde in Leipzig das sonntägliche Collegium Gellianum gegründet. Es fand nach den Gottesdiensten statt und beschäftigte sich mit philologischen Fragestellungen und Problemen.

Literatur

Zu Ausgaben und Übersetzungen von Gellius’ Werk siehe auch Artikel: Noctes Atticae.

  • Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boethius. Bd. 2, Wiss. Buchges., Darmstadt 1996, ISBN 3-423-30099-X, S. 1174-1179
  • Leofranc Holford-Strevens: Aulus Gellius. An Antonine Author and his Achievement. Oxford University Press, Oxford 1989, überarbeitete Ausgabe 2005, ISBN 0-19-928980-8.
  • Leofranc Holford-Strevens (Hrsg.): The worlds of Aulus Gellius. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-926482-1 (Aufsatzsammlung zum aktuellen Forschungsstand).
  • Jens-Olaf Lindermann: Aulus Gellius. Noctes Atticae, Buch 9 - Kommentar. Weißensee Verlag, Berlin, 2006, ISBN 978-3-89998-097-4.

Weblinks


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