Quereinsteiger

Quereinsteiger

Als Quereinsteiger oder auch Seiteneinsteiger wird eine Person bezeichnet, die aus einer fremden Sparte/Branche in ein neues Betätigungsfeld wechselt, ohne die für diesen Beruf/Branche sonst allgemein übliche „klassische“ Berufsausbildung/Studium absolviert zu haben.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Rahmenbedingungen

In Deutschland gibt es geschützte Berufsbezeichnungen, die für Quereinsteiger und einstellende Unternehmen/Arbeitgeber zu beachten sind. Dies betrifft zum Beispiel Apotheker, Arzt, Notar und weitere. Im Allgemeinen können Unternehmen jede Person mit beliebiger Qualifikation und Erfahrungen einstellen. Sie dürfen nur in der Ausführung von Tätigkeiten nicht gegen bestehendes Recht verstoßen und müssen in der Außenwirkung unmissverständliche Titel führen. Siehe hierzu Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen.

Im weiteren Sinne sind auch Personen als Quereinsteiger zu bezeichnen, die einen extremen Branchenwechsel vollziehen. Hierbei entfällt die Problematik von geschützten Berufsbezeichnungen, da diese unangetastet bleiben.

Nach dem Niedersächsischen Beamtengesetz (NBG), das am 1. April 2009 inkraft getreten ist, können Quereinsteiger gemäß § 14 NBG (Zugang zu den Laufbahnen) beim Eintritt in den öffentlichen Dienst in Niedersachsen bis zum Lebensalter 45 verbeamtet werden, wenn sie nachweisbare Fachkenntnisse und Berufserfahrungen mitbringen.

Keine Probleme ergeben sich bei nicht geschützten Berufsbezeichnungen wie Schauspieler, Journalist, Politiker, Sänger, Produzent, Moderator, Künstler usw.

Hintergrund

Quereinsteiger setzen häufig ihre Talente, Fähigkeiten und Erfahrungen ein, um ihr Interesse an bestimmten Aufgaben in ein Beschäftigungsverhältnis umzuwandeln. In einigen Fällen werden auch Hobbys zum Beruf gemacht.

Dieser Schritt wird zum einen durch Selbstmotivation ausgelöst oder durch geänderte Rahmenbedingungen im aktuellen Berufsleben (zum Beispiel Kündigung, neue Aufgaben in Unternehmen) begünstigt.

Quereinsteiger werden auch gezielt von Unternehmen eingestellt, um zum Beispiel branchenfremdes Wissen zu erhalten. Hierbei spielen artfremde und exotischen Berufs- und Lebenserfahrungen für die Unternehmen eine wichtige Rolle. Die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten erwirbt der Quereinsteiger in der Regel im Training on the Job und Weiterbildung.

Selbständige die sich in einem neuen Aufgabengebiet verwirklichen, welches nicht unmittelbar mit der eigenen Qualifikation/Branchenerfahrung verbunden ist, können auch als Quereinsteiger bezeichnet werden.

Staatliche Unterstützung

In Deutschland fördert die Bundesagentur für Arbeit die Aufnahme eines Beschäftigtenverhältnisses oder die Existenzgründung aus der Arbeitslosigkeit für Quereinsteiger bei einem für die Sicherung des Lebensunterhalts tragfähigen Konzept. Bei einem Lehrberuf oder einem Beruf, bei dem ein Studium oder eine sonstige fachliche Ausbildung zwingend vorgeschrieben ist – etwa Fleischer, Konditor, Arzt oder Krankenschwester – ist ein Quereinstieg grundsätzlich nicht möglich. So darf sich in Deutschland zum Beispiel jemand, der keine Lehre als Uhrmacher absolviert hat oder die Gesellenprüfung nicht bestanden hat, zwar als Quereinsteiger selbständig machen, auf dem Firmenschild jedoch keine Berufsbezeichnung führen, die seine Qualifikation höher erscheinen lässt als sie ist oder die zu Verwechslungen führen kann.

Quereinsteiger in der Wirtschaft

Quereinsteiger ist zum Beispiel ein Ingenieur, der zum Vorstand in einer großen deutschen Aktiengesellschaft für das Ressort Personal oder Controlling/Finanzen berufen wird. Auch Juristen, die zum Beispiel vom Verband in die freie Wirtschaft wechseln, oder Diplom-Kaufleute, die von der Automobil- in die Medizinbranche wechseln.

Prominente Beispiele in der Wirtschaft sind: Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender Axel Springer Verlag, der Germanistik, Theater- und Musikwissenschaft studiert hat. Markus Bauer, zukünftiges Vorstandsmitglied Allianz Versicherungen, der studierter Ingenieur ist. Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende der BVG, die unter anderem Psychologie und Pädagogik studierte.

Im weiteren Sinne sind Quereinsteiger dem Prinzip des Diversity Managements zuzuordnen. Unternehmen, die diesem Prinzip folgen, nutzen konstruktiv Vielfalt in der Mitarbeiterstruktur, um Unternehmensziele zu erreichen.

Quereinsteiger in der Politik

Zum Beispiel könnte man den früheren deutschen Bundesaußenminister Joschka Fischer als Quereinsteiger bezeichnen, da er unüblicherweise keine Ausbildung absolvierte, die ihn zu einer Karriere an der Spitze der deutschen Diplomatie empfohlen hätte. Auch in der Politik sind Quereinsteiger gelegentlich anzutreffen, zum Beispiel Hochschulprofessoren oder Künstler, die von der jeweiligen Partei entweder wegen ihrer Sachkunde oder wegen ihrer imagefördernden Prominenz nominiert oder in ein exponiertes Amt gewählt werden, ohne die klassische Parteikarriere absolviert zu haben. Beispiele in den USA sind die Wahl des Hollywood-Schauspielers Clint Eastwood 1986 zum Bürgermeister von Carmel oder von Arnold Schwarzenegger 2003 zum Gouverneur von Kalifornien. In Deutschland sind unter anderem die Hochschullehrerinnen Uta Ranke-Heinemann (parteilos für die PDS), Dagmar Schipanski (CDU) und Gesine Schwan (SPD) zu nennen, die jeweils (erfolglos) für das Amt der Bundespräsidentin kandidierten oder der ehemalige Manager von Werder Bremen Willi Lemke, der nach seiner Managerkarriere schließlich Innensenator für die SPD in Bremen wurde. In den Parteien sind sie nicht selten umstritten, vor allem bei altgedienten Berufspolitikern.

Quereinsteiger im Bildungswesen

Bei besonderem Fachkräftemangel kann man als Seiten- bzw. Quereinsteiger jedoch auch Zugang zu stark reglementierten Berufen wie beispielsweise dem Lehrerberuf (Lehrerausbildung) erhalten. Mit der Niedersächsischen Laufbahnverordnung (NLVO) – Bildung, die am 1. Juni 2010 inkraft getreten ist, können Quereinsteiger in den Lehrerberuf gemäß § 8 in Verbindung mit § 13 Absatz 1 bis zum Alter von 45 Jahren direkt (in der Regel zunächst auf Probe) verbeamtet werden.

Quereinsteiger in anderen Bereichen

Quereinsteiger wäre auch jemand, dem man ohne Fußball-Vorerfahrung im Leiten einer Fußballmannschaft deren Trainingsleitung anvertraut. Ein Quereinsteiger war im gewissen Sinne auch zum Beispiel Franz Beckenbauer als Bundestrainer (man nannte es dann „Teamchef“), da er keine formale Trainerausbildung absolviert hatte und der sich daher auf ausgebildete, lizenzierte Trainer stützen musste.

Literatur

  • Robert Lorenz/Matthias Micus (Hrsg.): Seiteneinsteiger. Unkonventionelle Politiker-Karrieren in der Parteiendemokratie. VS Verlag, Wiesbaden 2009. ISBN 9783531164830
  • Marc Böhmann: Das Quer-Einsteigerbuch. So gelingt der Start in den Lehrerberuf. Beltz Verlag, Weinheim / Basel 2011. ISBN 9783407255631

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