Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz

Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz
Kastel und Kostheim
Amöneburg (oben)

Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz waren die zwischen 1908 und 1945 eingemeindeten Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim nördlich der Mainmündung sowie Bischofsheim, Gustavsburg und Ginsheim südlich der Mainmündung. In den sechs Stadtteilen lebte zwar der kleinere Teil der Mainzer Bevölkerung, sie stellten aber 53 Prozent des Stadtgebietes dar. Aufgrund der Grenzziehung zwischen der amerikanischen und der französischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg fielen sie bei der Neugründung der Länder in Deutschland an Groß-Hessen (heutiges Hessen), während das linksrheinische Mainz zum neu geschaffenen Land Rheinland-Pfalz kam. Die drei südmainischen Stadtteile gehören heute zum Kreis Groß-Gerau, die drei nordmainischen zur Stadt Wiesbaden.

Inhaltsverzeichnis

Administrative Ausgangslage

Grenzlage von Mainz im Großherzogtum Hessen 1841

Die Stadt Mainz gehörte seit dem Wiener Kongress zum Großherzogtum Hessen(-Darmstadt) und nach 1918 im Nachfolgeweg zum Volksstaat Hessen. Mainz war dort Hauptstadt der Provinz Rheinhessen. Die auf dem rechten Rheinufer etwas nördlich liegende Nachbarstadt Wiesbaden, ehemalige nassauische Residenz, gehörte dagegen seit dem preußisch-österreichischen Krieg 1866/67 zur preußischen Provinz Hessen-Nassau.

Die Ausbreitung des rechtsrheinischen Mainz

Die ebenfalls im Großherzogtum Hessen liegenden, aber rechtsrheinischen Nachbargemeinden Kastel und Amöneburg wurden am 1. April 1908 in die Stadt Mainz eingemeindet. Kastel ist der historische Mainzer Brückenkopf unmittelbar gegenüber der Altstadt und durch die Römerbrücke seit römischer Zeit mit Mainz verknüpft, war also schon lange vor der Eingemeindung eng mit Mainz verbunden.

Amöneburg besaß bedeutende chemische Industrie, das Industriegebiet ging nahtlos in das der Nachbarstadt Biebrich (preußische Provinz Hessen-Nassau) über. Nach der Eingemeindung von Biebrich nach Wiesbaden (1926) verlief die Grenze zwischen beiden Großstädten, welche gleichzeitig auch die preußisch-hessische Landesgrenze war, entlang der Albertstraße, die die Chemische Fabrik Kalle in Biebrich und die Chemischen Werke Albert in Amöneburg trennte. Nach dem Krieg wurden beide Betriebe von der Hoechst AG übernommen, die sie 1988 zu einem gemeinsamen Werk Kalle/Albert zusammenlegte. Das Werk bildet seit 1997 den Industriepark Kalle-Albert, die ehemalige Landesgrenze ist jedoch immer noch durch den Straßenverlauf erkennbar.

Am 1. Januar 1913 wurde die unmittelbar vor dessen Mündung am Nordufer des Mains gelegene Gemeinde Kostheim Stadtteil von Mainz. Am 1. Januar 1930 folgte schließlich die Eingemeindung der südlich des Mains gelegenen Orte Ginsheim, Gustavsburg und Bischofsheim. Das Mainzer Stadtgebiet lag damit sowohl beiderseits des Rheins als auch beiderseits des Mains, die Mainmündung (Mainspitze) gehörte damit ganz zur Mainzer Gemarkung.

Die Teilung der Stadt

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurde das nach Abtrennung der Ostgebiete verbliebene Reichsgebiet in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Dabei wurde, dem Zonenprotokoll folgend, im Bereich Mainz/Wiesbaden der Rhein als natürliche Grenze gewählt. Links des Rheines war die französische und rechts des Rheines die amerikanische Besatzungszone. Die Alliierten Siegermächte gingen dabei, ähnlich wie beispielsweise in Frankfurt (Oder), Guben oder Görlitz ausschließlich von praktischen Erwägungen aus und interessierten sich wenig dafür, ob durch diese Grenzziehung ein Stadtgebiet in zwei Hälften getrennt wurde. Im Gegensatz zu den anderen genannten Städten konnten die Bürger in Mainz nach einiger Zeit wieder relativ einfach zwischen den beiden Besatzungszonen hin und her reisen.

Ab September 1945 formierten die Militärregierungen der Besatzungsmächte, jede in ihrer eigenen Zone, die deutschen Länder als Grundlage des demokratischen Neuaufbaus in Deutschland neu bzw. reanimierten vorhandene Strukturen, was im Bereich Mainz/Wiesbaden zur Auflösung Preußens und des Volksstaates Hessen führte. Aus den größten Teilen des Volksstaates Hessen und der ehemaligen preußischen Provinz Hessen-Nassau gründeten die Amerikaner das Land Groß-Hessen, das jetzige Land Hessen. Die Franzosen errichteten aus dem abgetrennten linksrheinischen Teil des Volksstaates Hessen (Rheinhessen), dem ebenfalls zur französischen Zone gefallenen Teil von Hessen-Nassau (Regierungsbezirk Montabaur), dem südlichen Teil der preußischen Rheinprovinz und der vormals bayerischen Pfalz ein völlig neues Land Rheinland-Pfalz.

Die rechtsrheinischen Stadtteile von Mainz waren dementsprechend, anders als der Rest der Stadt, bei Hessen verblieben, hatten aber ihren kommunalpolitischen Bezugspunkt verloren. Die drei Stadtteile nördlich des Mains, Amöneburg, Kastel und Kostheim, wurden deshalb in „treuhänderische Verwaltung“ der Stadt Wiesbaden gegeben, während die südlich des Maines gelegenen Stadtteile Bischofsheim, Ginsheim und Gustavsburg wieder ihre Eigenständigkeit erhielten und Bestandteil des Landkreises Groß-Gerau wurden. Ginsheim und Gustavsburg schlossen sich dabei zur Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg zusammen.

Kastel und Amöneburg waren damit 37 Jahre lang, Kostheim 32 Jahre und Bischofsheim, Ginsheim und Gustavsburg 15 Jahre lang formal kommunaler Bestandteil von Mainz. Alle Bestrebungen, den sogenannten AKK-Konflikt im Sinne einer Rückgliederung zumindest von Amöneburg, Kastel und Kostheim nach Mainz zu lösen, blieben bis heute ergebnislos.

Die heutige Situation

Nach wie vor tragen die drei nördlich des Mains gelegenen heutigen Stadtteile der Landeshauptstadt Wiesbaden den Namen der alten Mutterstadt Mainz, heißen also Mainz-Kastel, Mainz-Kostheim und Mainz-Amöneburg, der Name Wiesbaden ist im Stadtteilnamen nicht vorhanden. Die Bahnhöfe der Gemeinden Bischofsheim und (Ginsheim-)Gustavsburg tragen bis heute den Namen „Mainz-Bischofsheim“ und „Mainz-Gustavsburg“.

Postalisch gehören Mainz-Kastel (55252) und Mainz-Kostheim (55246) ebenfalls zu Mainz (55xxx) und werden aus dem Briefzentrum 55 in Mainz-Hechtsheim bedient. Mainz-Amöneburg (65203) gehört postalisch hingegen zu Wiesbaden (65xxx) und in Kastel befindet sich das Briefzentrum 65 für Wiesbaden. Ebenso ist die Vorwahl 06134 der Stadtteile Mainz-Kastel und Mainz-Kostheim dem Telefonknoten Mainz (06131), Mainz-Amöneburg mit der Vorwahl 0611 hingegen Wiesbaden (0611), zugeordnet.

Die Frage der abgetrennten Mainzer Stadtteile (ganz überwiegend der nördlich des Mains gelegenen) ist bis heute immer wieder Gegenstand heftiger lokalpolitischer Debatten (siehe auch AKK-Konflikt). Dieses Thema wird bis heute in der auch rechts des Rheines gefeierten Mainzer Fastnacht immer wieder angesprochen. Praktisch ist das Thema bis heute noch relevant, da zwar die Abtrennung die kommunale und Landeszugehörigkeit änderte, jedoch die Grundstücke etc. einschließlich der öffentlichen Flächen sich zunächst und zum Teil heute noch in Eigentum der Stadt Mainz befinden. Dennoch arbeiten die benachbarten Landeshauptstädte seit langem in vielen kommunalen Angelegenheiten eng zusammen, beispielsweise im Öffentlichen Personennahverkehr oder bei der Feuerwehr.

Rechtliche Möglichkeiten einer Wiedervereinigung

Die mittlerweile über 60 Jahre alte Landesgrenze stellt für eine Restitution ein fast unüberwindliches Hindernis dar, da eine Änderung der Landeszugehörigkeit nur nach Artikel 29 des Grundgesetzes möglich wäre. Durch eine Änderung dieses Artikels in Bezug auf die Zahl der betroffenen Einwohner (Grenze liegt jetzt bei 50.000) wäre es heute zwar möglich, ähnlich wie beim Amt Neuhaus, nur per Staatsvertrag und ohne vorher obligatorische Volksabstimmung die Landeszugehörigkeit zu ändern, über die reine Phase von öffentlichen Gedankenspielen ist dies aber bisher nie hinaus gekommen, da von hessischer Seite stets Ablehnung signalisiert worden war.

Siehe auch

Weblinks

  • Vereintes Mainz e.V. – Verein für die „Wiedervereinigung“ von Mainz mit seinen rechtsrheinischen Vororten

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