Avitus

Avitus
Avitus auf einem Tremissis.

Eparchius Avitus[1] (* um 385 in der Auvergne; † Anfang 457) war von 455 bis 456 weströmischer Kaiser.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und politisches Wirken

Avitus wurde in der Auvergne um das Jahr 385[2] als Spross einer vornehmen, traditionsreichen gallorömischen Familie geboren. Sein Vater hieß Agricola, war zweimal gallischer Prätorianerpräfekt gewesen und hatte 421 auch den Konsulat bekleidet. Avitus hatte eine Tochter, Papianilla, und zwei Söhne, Ecdicius und Agricola.

Um 420 diente Avitus dem späteren Kaiser Constantius III. und knüpfte erste Kontakte mit dem westgotischen Hof in Toulouse; sein Schwiegersohn war Sidonius Apollinaris, dem wir auch wichtige Nachrichten für diese Zeit und bezüglich des Avitus verdanken. 430 und 435 war Avitus unter dem Reichsfeldherrn Aëtius tätig, bevor er 437 selbst das prestigeträchtige und einflussreiche Amt des Heermeisters für Gallien übernahm. Nach dieser Tätigkeit wurde er zwei Jahre später in ungewöhnlicher Weise Prätoriumspräfekt für Gallien, weil normalerweise die zivile und militärische Laufbahn strikt voneinander getrennt waren.

Obgleich Gallien zu dieser Zeit aufgrund der Völkerwanderung ständiges Krisen- und Kriegsgebiet war, war es für die weströmischen Kaiser nach dem Wegfall Britanniens und Nordafrikas sowie der weitgehenden Verwüstung Hispaniens das wichtigste Reichsgebiet neben Italien. Vor allem die gallischen Steuerzahlungen, die den gesamten weströmischen Staatshaushalt sicherten, waren extrem wichtig. Darum war die Präfektur, die Avitus besetzte und die für die Steuererhebung zuständig war, ein politisch besonders bedeutendes Amt.

Avitus erzielte als Präfekt seine größten Erfolge, als er durch geschickte Verhandlungen die marodierenden Westgoten unter ihrem König Theoderich I. zu einem Friedensvertrag überreden konnte. Nach deren Rückzug aus Gallien auf die iberische Halbinsel zog sich Avitus, mittlerweile ein Freund der westgotischen Königsfamilie geworden, ins Privatleben zurück (um 440).

Diplomatie

Erst über zehn Jahre später sind uns wieder politische Aktivitäten seinerseits überliefert, als er auf Bitten des römischen Kaisers Valentinian III. hin seine Kontakte nutzte und als Diplomat die Westgoten dazu brachte, sich einer militärischen Allianz gegen die immer weiter vordringenden Hunnen anzuschließen. Er meisterte diese Aufgabe und Theoderich I. verbündete sich mit den Römern unter Führung des Aetius. Der Westgotenherrscher führte selbst seine Armee in die berühmte, alles entscheidende Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, in der er den rechten Flügel befehligte, aber dabei umkam.

455 wurde Petronius Maximus Kaiser. Er versuchte, seine instabile Herrschaft abzusichern und holte deshalb erfahrene Senatoren in die Politik zurück, darunter Avitus. Er wurde in den Rang des Reichsfeldherrn erhoben und sollte sich wiederum diplomatisch mit den Westgoten beschäftigen. Sein Schwiegersohn, der Dichter Sidonius Apollinaris, berichtete, durch die Vermittlung des Avitus habe sogar ein neuer Krieg mit ihnen verhindert werden können.

Doch nur kurz darauf überschlugen sich die Ereignisse: Petronius Maximus versuchte vor den bei Rom gelandeten Vandalen sowie vor der Stadtbevölkerung, die ihn verachtete, zu fliehen, doch scheiterte dies; er wurde erkannt und am 31. Mai 455 getötet. Der junge westgotische König Theoderich II., der vielleicht sogar Latein bei Avitus gelernt hatte, drängte diesen nun, sich zum Kaiser zu erheben, und versprach die Unterstützung seines Volkes.

Kaiserherrschaft

Avitus zögerte nicht lange und nahm das Angebot an. Auf Forderung des westgotischen Königs wurde nun – was die Schwäche des Weströmischen Reichsteils verdeutlichte – in Beaucaire eine außerordentliche Sitzung des gallischen Landtages aus den Notabeln der gesamten Präfektur einberufen, die Avitus am 9. Juli 455 ihr Einverständnis gaben. Zustimmung kam auch aus der mittlerweile fast völlig verwüsteten Region Pannonien. Der oströmische Kaiser Markian verweigerte Avitus allerdings die formelle Anerkennung.

Zunächst schien die Herrschaft des Avitus abgesichert zu sein: Von Ostrom zumindest stillschweigend toleriert und von den Westgoten gestützt, glaubte er ausreichend Rückhalt zu haben. Doch als er sich nach Italien begab, erkannte er, dass die dortige Senatorenschicht heftig opponierte und ihn mit Verleumdungen angriff, da sie seine gallische Herkunft kritisierte und statt seiner einen Kaiser aus den eigenen Reihen bevorzugte.

Zunächst jedoch drohte eine viel direktere Bedrohung durch den Vandalenkönig Geiserich, dessen Kriegsflotte von rund 60 Schiffen das Tyrrhenische Meer unsicher machte und die Küsten der italischen Halbinsel angriff. Gleichzeitig wüteten die Sueben in Hispanien, und Pannonien fürchtete eine weitere Verwüstung. Avitus suchte unter dem Eindruck all dieser Gefahren eine arbeitsteilige Lösung zu erreichen: Er bat seinen Freund Theoderich II. um Unterstützung in Spanien und widmete sich persönlich den Verhältnissen in Pannonien.

Um der maritimen Bedrohung durch Geiserich Herr zu werden, ernannte er einen im römischen Heer tätigen germanischen Offizier zum obersten Heermeister: Flavius Ricimer. Als dieser bei Agrigent in Sizilien einen Seesieg über eine vandalische Flottenabteilung errang, konnte diese Bedrohung kurzzeitig eingedämmt werden.

Abstieg und Ende

Gleichzeitig war jedoch in Rom eine schwere Hungersnot infolge der Kämpfe zur See ausgebrochen. Avitus erkannte, dass die kostenlosen Getreidespenden des Staates mittlerweile überhand genommen hatten, weil sogar die bei Rom stationierten Germanen im römischen Heer diese kostenlosen Leistungen beanspruchten. Der Kaiser entschied, diese Truppen zu entlassen, beging damit allerdings einen schwerwiegenden Fehler: Zur Finanzierung der Entlassungen ließ er zahlreiche Bronzestatuen in und um Rom einschmelzen, um aus ihnen Münzen auszuprägen, was die Bürger noch mehr gegen ihn aufbrachte. Gleichzeitig verlor er mit der Entlassung der vorwiegend gotischen Soldaten ein wichtiges Druckmittel gegenüber der Stadtbevölkerung, die sich nun dem siegreichen Ricimer zuwandte.

Dieser nutzte die Situation sofort und schloss ein politisches Bündnis mit einigen Senatoren und seinem jüngeren Kollegen als Truppenbefehlshaber, Iulius Valerius Maiorianus, um Avitus zu entmachten. Dieser versuchte daraufhin, sich nach Gallien zu begeben. Am 26. Oktober 456 wurde er jedoch mitsamt seinen verbliebenen Anhängern bei Piacenza geschlagen und gezwungen abzudanken. Die sich anschließende Weihe zum Bischof dieser Stadt vermochte das Schicksal des Avitus aber nicht zu retten, denn er kam im Januar 457 durch Vergiften ums Leben. Ob er auf Anstiften Ricimers hin ermordet wurde, bleibt freilich offen; sein spätere Nachfolger Majorian wird als Verantwortlicher jedenfalls weitgehend ausgeschlossen.

Avitus' Sohn Ecdicius stieg später unter Kaiser Iulius Nepos 474 zum Heermeister in Gallien auf.

Literatur

  • Alexander Demandt: Geschichte der Spätantike, München, 2. Auflage 2007, S. 205-207.
  • John Drinkwater und Hugh Elton (Hgg.): Fifth-Century Gaul: A Crisis of Identity?, Cambridge 1992, ISBN 0-521-41485-7.
  • Dirk Henning: Periclitans res Publica: Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5-493 n. Chr. Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07485-6.
  • Ralph W. Mathisen: Sidonius on the Reign of Avitus: A Study in Political Prudence, in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 109, 1979, S. 165-171.
  • Ralph W. Mathisen: Avitus, Italy and the East in AD 455-456, in: Byzantion 51, 1981, S. 232-247.
  • Ernst Stein: Geschichte des spätrömischen Reiches, Bd. 1, Wien 1928, S. 543–551.

Weblinks

 Commons: Avitus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. In älterer Literatur Marcus Maecilius Avitus geschrieben, es ist aber nur Eparchius überliefert. ICVR-08, 20823: Locus Geronti presb(yteri) / depositus XIIII Kal(endas) Iul(ias) / cons(ulatu) Eparchi Aviti.
  2. Avitus übernahm erstmalig um 420 eine politische Aufgabe. Sidonius Apollinaris bezeichnet ihn dabei als iuuenis, also etwas in den Dreißigern stehend (Carmen VII, 208).


Vorgänger Amt Nachfolger
Petronius Maximus Römischer Kaiser
455–456
Majorian

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