Valentinian III.

Valentinian III.
Solidus, der zur Feier der Hochzeit Valentinians III. mit Licinia Eudoxia geprägt wurde, der Tochter des oströmischen Kaisers Theodosius II. Auf der Rückseite werden sie zu dritt in Hochzeitskleidung dargestellt.

Valentinian III. (* 2. Juli 419 in Ravenna; † 16. März 455 in Rom), mit vollständigem Namen Flavius Placidus Valentinianus, war von 425 bis 455 Kaiser des weströmischen Reiches.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Valentinian war der einzige Sohn des Heermeisters und kurzzeitigen Kaisers Constantius III. und der Galla Placidia, der Tochter von Theodosius I. und Enkelin Kaiser Valentinians I. Er wurde am 23. Oktober 424 in Thessaloniki im Namen seines Vetters Theodosius II., des Kaisers des Ostens, zum Caesar erhoben. Theodosius stattete ihn mit Truppen aus und schickte ihn nach Italien, wo er nach einem kurzen Krieg gegen den Usurpator Johannes am 23. Oktober 425 in Rom zum Augustus des Westens ausgerufen wurde.

Valentinian nannte sich fortan Imperator Caesar Flavius Valentinianus Augustus. Da er erst sechs Jahre alt war, als er Kaiser wurde, stand er während der Zeit seiner faktischen Unmündigkeit (de iure war ein römischer Kaiser auch als Minderjähriger rechtsfähig) unter der Vormundschaft seiner Mutter, die zunächst vom Heermeister Felix und dem comes Africae Bonifatius unterstützt wurde, dann ab 433 unter dem Einfluss des ehrgeizigen Heermeisters Aëtius, der seine Konkurrenten Felix und Bonifatius hatte ausschalten können.

437 heiratete Valentinian Licinia Eudoxia (* 422; † 462), die Tochter seines Vetters Theodosius II. und der Athenaïs.

Außen- und Verteidigungspolitik

Valentinians Regierung war gekennzeichnet durch den Zerfall des weströmischen Reichs infolge der Völkerwanderung. Bonifatius soll angeblich die Vandalen unter Geiserich zur Hilfe gerufen haben, was von der modernen Forschung jedoch sehr skeptisch betrachtet wird, da dies nur auf Prokopios von Caesarea zurückgeht, aber nicht in zeitgenössischen Quellen erwähnt wird. Es ist auch aufgrund des darauffolgenden Widerstands gegen die Vandalen, der von Bonifatius organisiert wurde, sehr unwahrscheinlich. Die jedenfalls darauffolgende Reichsbildung der Vandalen, begünstigt durch die sehr geringe römische Truppenstärke, umfasste bald die ganze Provinz Africa. Der römische General Aspar konnte ihrer Expansion zwar um 434 noch einmal Einhalt gebieten, doch 439 gelang ihnen die Einnahme Karthagos, was für Westrom eine Katastrophe bedeutete. Sizilien wurde verwüstet und Städte an der Westküste des Mittelmeeres von der vandalischen Flotte angegriffen. 441 scheiterte ein römischer Gegenangriff, und 442 erhielt Geiserich die Provinz Africa auch offiziell zugesprochen. Fortan kontrollierten die Vandalen die Getreideversorgung Italiens, das fast ganz von afrikanischem Korn abhing. Hinzu kam, dass dem Reich immer mehr die Kontrolle über große Teile Hispaniens an die Sueben (und später die Westgoten) entglitt, während in Gallien das Reich durchaus noch aktiv werden konnte. Aëtius sorgte dafür, dass dieser Reichsteil wenigstens zu seinen Lebzeiten nicht verloren ging. De facto beherrschten die Römer in Nordgallien bald jedoch nur die größeren Städte. Unterdessen plünderten die Franken Trier, Reims und Bonn.

Aëtius konnte vor allem aufgrund seiner lange Zeit guten Beziehungen zu den Hunnen und durch das geschickte Ausspielen germanischer Gruppen gegeneinander über mehrere Jahre einen militärischen Zusammenbruch Westroms verhindern. 450 allerdings kam es zum Konflikt mit den Hunnen. Zwar errang Aëtius 451 in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern einen taktischen Sieg über den Hunnenkönig Attila, doch das hielt diesen nicht von Plünderungen Norditaliens im folgenden Jahr ab. Erst mit dem Tod Attilas 453 brach der konstante militärische Druck durch die Hunnen zusammen. Weitere erfolgreiche Feldzüge hatte Aëtius bereits zuvor gegen die Westgoten in Südgallien, mit denen um 440 dauerhafte Friedensabkommen geschlossen wurden, und gegen die Burgunden am Rhein geführt, die weite Teile der Provinz Gallia Belgica erobert hatten.

Das Verhältnis zur östlichen Reichshälfte war zunächst gut, da Valentians Regentschaft seinem oströmischen Verwandten Theodosius zu verdanken war. Gemeinsam gaben beide Kaiser eine Gesetzessammlung in Auftrag, den Codex Theodosianus, der für das Gesamtreich Geltung haben sollte und 438 in Kraft gesetzt wurde. Als Theodosius aber 450 ohne leiblichen Erben starb und man in Konstantinopel eigenständig seinen Schwager Markian zum neuen Augustus erhob, ohne Valentinian zu konsultieren, reagierte er mit Empörung und weigerte sich zwei Jahre lang, den neuen Ostkaiser anzuerkennen. Wohl erst im Zusammenhang mit dem hunnischen Angriff auf Italien 452 akzeptierte Valentinian Markian offiziell als seinen Herrscherkollegen; doch laut dem zeitgenössischen Geschichtsschreiber Priskos (frg. 30) warf er noch 454 Aëtius vor, er habe ihn gegen seinen Willen überredet, den Usurpator im Osten nicht zu bekriegen.

Valentinians Ende

Mit dem Schrumpfen der römischen Macht wurde die Abgabenlast mehr und mehr untragbar und die Loyalität der verbliebenen Provinzen stark geschwächt: dem Westreich gingen die Mittel aus, um die notwendigen Truppen zu finanzieren. Dies führte zum Verlust weiterer Gebiete und damit wiederum zu weiter schrumpfenden Einnahmen. Ravenna war Valentinians gewöhnliche Residenz, aber er floh nach Rom, als Attila heranzog.

Als Attila 453 plötzlich starb, schien dem Kaiser offenbar der Moment gekommen, sich seines mächtigen Heermeisters zu entledigen. Im Herbst 454 wurde Aëtius, dessen Sohn Valentinians Tochter heiraten sollte, während einer Audienz von Valentinian ermordet – laut den Zeitgenossen Hydatius von Aquae Flaviae und Priskos eigenhändig. Der Kaiser sah offenbar keinen anderen Ausweg mehr. Seine Mittel genügten nicht mehr, um den übermächtigen Heermeister auf legalem Weg aus dem Verkehr zu ziehen. Doch konnte Valentinian aus der Ermordung keinen Gewinn ziehen, im Gegenteil: Am 16. März des folgenden Jahres wurde der Kaiser selbst durch zwei ehemaligen Gefolgsleute des Aëtius erschlagen, als er in Rom einer Truppeninspektion beiwohnen wollte.

Nach dem Tod Valentinians wurde seine Gemahlin Licinia Eudoxia zur Ehe mit dem Senator und Usurpator Petronius Maximus in Rom gezwungen. Gerüchten zufolge sollen die Vandalen von der Witwe Valentinians gerufen worden sein, was aber nicht glaubwürdig ist und bereits in den Quellen skeptisch betrachtet wurde. Politisch gab es genügend Gründe für ein Eingreifen des Vandalenkönigs Geiserich, da sich nach dem Tod Valentinians die bisher guten Beziehungen zwischen Westrom und Karthago erheblich verschlechtert hatten. Die Vandalen überfielen 455 die Stadt Rom und brachten Licinia Eudoxia und ihre beiden Töchter, Eudocia und Placidia, nach Africa. Eudocia (* 439; † 471/72) war seit 442 mit Geiserichs Sohn Hunerich (* 430/40?; † 484) verlobt, den sie 455 oder 456 heiratete. Placidia heiratete 455 Olybrius, der 472 kurzzeitig weströmischer Kaiser war.

Valentinian fehlte zwar nicht grundsätzlich die Kraft, das Reich in dieser Krisenzeit zu regieren, aber es gelang ihm nie wirklich, sich von seiner Umgebung zu emanzipieren, wobei seine Person als typisch für die zumeist schwachen spätantiken Kaiser des Westens seit Honorius gelten muss: Wie stark er selbst handelnd in die Regierungsgeschäfte eingriff, ist völlig unklar. Dennoch war seine formal 30-jährige Regierungszeit eine der längsten im römischen Kaiserreich, ebenso wie die seiner Dynastie, die auf Valentinian I. (364 bis 375) zurückging. Mit dem Ende dieser Dynastie verlor das weströmische Reich rasant an Stabilität.

Literatur

  • Alexander Demandt: Die Spätantike. 2. Auflage. Beck, München 2007, S. 183 ff.
  • Edgar Pack: Valentinian III. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. Beck, München 1997, S. 395 ff.
  • Otto Seeck: Geschichte des Untergangs der antiken Welt. Bd. 6. Stuttgart 1920.
  • Timo Stickler: Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich. München 2002.

Weblinks

 Commons: Valentinian III. – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien


Vorgänger Amt Nachfolger
Johannes Römischer Kaiser
425–455
Petronius Maximus

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