Romanisches Café

Romanisches Café

Das Romanische Café war ein Berliner Künstlerlokal am Kurfürstendamm 238 (heute Budapester Straße 43) in Berlin-Charlottenburg.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Cafés

Das spätere „Bassin für Nichtschwimmer“ im Jahr 1908

Im Erdgeschoss des 1899 fertiggestellten „Romanischen Hauses“ befand sich zuerst die Konditorei des Hotels Kaiserhof[1]– im Jahre 1916 schließlich richtete der Kaufmann Bruno Fiering darin ein Kaffeehaus ein. Das neue Lokal entwickelte sich rasch zum bevorzugten Intellektuellen- und Künstlertreffpunkt. Hier verkehrten Schriftsteller, Maler, Schauspieler, Regisseure, Journalisten und Kritiker. Zugleich war es Anlaufstelle für werdende Künstler, die erste Kontakte suchten. Die bereits Erfolgreichen grenzten sich dagegen ab. Etwa im sogenannten „Bassin für Schwimmer“, einem Gewölbe mit etwa zwanzig Tischen. Alle anderen trafen sich gegenüber im „Bassin für Nichtschwimmer“. Dieses war ein rechteckiger Raum mit etwa siebzig Tischen, dominiert von einer mächtigen Säule und einer hohen Fensterfront. Dennoch wirkte das Lokal düster; Stammgäste nannten es schon in den 1920er Jahren spöttisch „Rachmonisches[2] Café“. Als gegen Ende der Weimarer Republik die politischen Auseinandersetzungen gewalttätiger wurden, verlor das Romanische Café allmählich seine Rolle. Bereits am 20. März 1927 veranstalteten Nazis einen Krawall am Kurfürstendamm, wobei auch das Romanische Café ein Ziel der Gewalt war. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die Emigration der meisten Stammgäste bedeutete das endgültige Aus als Künstlercafé.[3]

Rezeption

Lesser Ury: Mädchen im Romanischen Café, 1911

Erich Kästner merkte an:

„Wie eine Welle der Bewunderung geht es durch den Raum, wenn ihn ein Glücklicher betritt. Und wen er begrüßt, der fühlt sich geweiht ...“[4]

Der Publizist Walther Kiaulehn äußert sich zwiespältig:

„Das 'Romanische' war lieblos und ohne jede Stimmung, ein besonders missglückter Bau aus der wilhelminischen Zeit, nur groß, zwei Riesenräume, davon einer mit Rang, taghell beleuchtet bis zum Morgen, doch immer knackvoll. Schön war nur die Terrasse und besonders am frühen Vormittag, wenn die Literatur noch schlief. Die Tradition des 'Romanischen' wurzelte im alten 'Cafe des Westens' am Kurfürstendamm, von den Bürgern 'Cafe Größenwahn' genannt. Der Besitzer hatte eines Tages den Spottnamen satt und kündigte Malern und Schriftstellern ihr Stammquartier, und so zogen sie ins 'Romanische' um, in das bis dahin überhaupt kein Menschen gegangen war. Sie ernannten den vorderen Raum zum 'Nichtschwimmerbassin', das auch von gewöhnlichem Publikum benutzt werden durfte (...)" (Berlin, Schicksal einer Weltstadt, München 1958, S. 233)

Der Journalist Karlernst Werle reimte ziemlich sarkastisch:

„Stätte überhitzten Denkens/Geistbeschwerter Rendezvous’/Café mystischen Versenkens/Wiege schillernder Lulus.“[5]

Wolfgang Koeppen über den Niedergang des Cafés nach 1933:

„Wir sahen die Terrasse und das Kaffeehaus weggehen, verschwinden mit seiner Geistesfracht … und die Gäste des Cafés zerstreuten sich in alle Welt oder wurden gefangen oder wurden getötet oder brachten sich um oder duckten sich und saßen noch im Café bei mäßiger Lektüre und schämten sich der geduldeten Presse und des großen Verrats.“[5]

Tom Peuckert lässt in seinem Monolog-Drama Artaud erinnert sich an Hitler und das Romanische Café den französischen Schauspieler und Dramatiker Antonin Artaud im Wahnsinn darüber phantasieren, 1932 mit Hitler im Romanischen Café zusammengetroffen zu sein. Tatsächlich kann ein dortiger Besuch Hitlers nicht nachgewiesen werden.

Stammgäste

Geschichte des Hauses

Romanisches Haus nach der Fertigstellung (um 1900)

Das Privathaus stand am Auguste-Viktoria-Platz (heute Breitscheidplatz), schräg gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Architekt des neuromanischen Gebäudes war Franz Heinrich Schwechten, der es von 1897 bis 1899 errichtete. Bestimmend waren turmartige Eckbauten mit Pyramidendächern, überdies ein Runderker in der Mitte der Hauptfront. Den Giebel zierte der Reichsadler. Der figurale Schmuck – Darstellungen von Samson, Herkules und Sankt Georg – stammte vom Bildhauer Richard Gerschel. Beim Bombenangriff in der Sonntagnacht vom 21. November 1943 brannte das Gebäude vollständig aus; die Ruine wurde später abgerissen. Das Grundstück blieb lange unbebaut, erst ab 1963 wurde das Europa-Center erbaut und am 2. April 1965 von Willy Brandt feierlich eröffnet.[3]

Zur Unterscheidung vom ersten „Romanischen Haus“, das Schwechten bereits in der Nachbarschaft errichtet hatte (dem späteren Gloria-Palast), wurde das Gebäude auch als „Zweites Romanisches Haus“ bezeichnet.

Literatur

  • Jürgen Schebera: Damals im Romanischen Café –- Künstler und ihre Lokale im Berlin der zwanziger Jahre. Rev. Neuausg. Berlin: Das Neue Berlin. 2005, ISBN 3-360-01267-4.
  • Edgard Haider: Verlorene Pracht –- Geschichten von zerstörten Bauten. Hildesheim: Gerstenberg, 2006. ISBN 978-3-8067-2949-8
  • Tom Peuckert: Artaud erinnert sich an Hitler und das Romanische Café, Schauspiel (UA 2000 am Berliner Ensemble)
  • Gerhard Haase-Hindenberg: Romanisches Café - Eine Theaterrevue, (UA 1990 Freie Volksbühne Berlin / Maxim-Gorki-Theater, Berlin)[1]

Fußnoten und Einzelnachweise

  1. Lexikon: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z Romanisches Café Angesehen am 4. Januar 2011
  2. hebräisch: erbarmungswürdig
  3. a b Edgard Haider – Verlorene Pracht. Geschichten von zerstörten Bauten. Hildesheim: Gerstenberg, 2006 (Abschnitt: Künstlertreff in den Goldenen Zwanzigern – Romanisches Café, Berlin) S. 162 bis 167, ISBN 3-8067-2949-2
  4. Aus: Erich Kästner, Das Rendezvous der Künstler, „Neue Leipziger Zeitung” vom 26. April 1928. – Zitiert nach: Das romanische Cafehaus (Mascha Kaleko – Eine Hommage; vgl. Erich Kästner über das Romanische Café – mit Foto)
  5. a b Zitiert nach: Edgard Haider: Verlorene Pracht – Geschichten von zerstörten Bauten. Hildesheim: Gerstenberg, 2006, S. 167

Weblinks

 Commons: Romanisches Café – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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