Rudolf Otto

Rudolf Otto
Rudolf Otto

Rudolf Otto (* 25. September 1869 in Peine; † 6. März 1937 in Marburg), war evangelischer Theologe und Religionswissenschaftler.

Im Mai 1888 nahm er an der Universität Erlangen das Studium der Theologie auf und wechselte später an die Universität Göttingen. 1898 wurde er mit einer Arbeit über den 'Heiligen Geist bei Luther' promoviert. 1906 trat er nach achtjähriger Tätigkeit als Privatdozent eine Stelle als außerordentlicher Professor in Göttingen an. 1915 wurde er Professor für Systematische Theologie in Breslau und 1917 in Marburg. 1927 gründet er die Religionskundliche Sammlung an der Philipps-Universität Marburg.

Inhaltsverzeichnis

Werk

Durch Reisen nach Indien, Sri Lanka, China, Japan, den nahen Osten und Afrika wurde Ottos Interesse für die Religionen der Welt geweckt, besonders für den Hinduismus.

In seinem Hauptwerk (Das Heilige, 1917) setzt er sich mit der Erfahrung des Heiligen auseinander. Diese schließt seiner Auffassung nach insofern irrationale Momente ein, als damit verbundene Gefühle sich der rationalen begrifflichen Fassung entziehen und nur durch hinweisende Ideogramme bzw. Deute-Begriffe aufgezeigt werden können. Die irreduziblen Momente dieser Erfahrung bezeichnet er als mysterium tremendum und mysterium fascinans. Dieses Prinzip wurde, wenn auch nicht so dezidiert und ohne die Termini zu benutzen, von Luther erkannt. Dies wird unter anderem im „Kleinen Katechismus“ sichtbar, da die Antwort der einzelnen Artikel stets folgendermaßen beginnt: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten und lieben ...“. Das Gewicht bei den beiden Verben liegt eher auf dem „lieben“, zumal es ein emotional intensiverer und tieferer Akt ist: Ein Bild, dass das größere „Ja“ das kleinere „Nein“ mit einschließt.

Im erstgenannten Gefühl offenbart sich Gott als eine überwältigende Macht, vor der die Kreatur erschauert und die als das ganz Andere die menschliche Vernunft transzendiert. Das Heilige wird allerdings nicht als das absolut Unheimliche empfunden, denn untrennbar von diesem Aspekt existiert die faszinierende, beglückende Erfahrung des Göttlichen. Die Irreduzibilität der Momente des Schauderns und des Vertrauens kennzeichnet Otto, indem er das Heilige als Numinoses (er übersetzt lat. 'numen' mit „übernatürliches Wesen ohne genauere Vorstellung“) bestimmt.

Otto versucht das Problem des Heiligen als inkommensurabel und ganz anders in seiner Beziehung zu Begriffen, moralischen Prinzipien und positiver Religion zu lösen, indem er sich auf Kants Idee der Schematisierung bezieht. Nach Otto erinnert die numinose Erfahrung an Begriffe und Prinzipien wie Liebe, Übermacht und Güte, so dass das Numinose zwar nicht beschrieben, jedoch mit dem Denken und Handeln verbunden ist. Als Folge dieser Schematisierung entsteht das Heilige als komplexe A-priori-Wertkategorie.

Kritik an dieser Darstellung des Heiligen als A-priori-Kategorie wendet ein, dass bei Kant Erfahrungen nur dadurch möglich sind, dass A-priori-Kategorien vorhanden sind, während Otto aus Erfahrungen A-priori-Kategorien entstehen lässt, um die religiöse Erfahrung als sui generis und somit Gültiges zu bewahren.

In seinen religionswissenschaftlichen Hauptwerken, Die Gnadenreligion Indiens und das Christentum und Westöstliche Mystik, vergleicht Otto unter den Aspekten der gläubigen Frömmigkeit und der Mystik, den Hinduismus mit dem Christentum. Er untersucht Bhakti und Advaita Vedanta und stellt den berühmten Philosophen des Vishnuismus, Ramanuja, und den shivaitischen Gründer des Advaita Vedanta, Shankara, dar. Otto erklärt Ähnlichkeiten zwischen Hinduismus und Christentum, gelangt aber zu dem Schluss, die Mystik des Christentums sei der des Vedanta überlegen.

Ottos Einfluss auf Theologie, Religionsphilosophie und Religionswissenschaft im 20. Jahrhundert war erheblich: Der evangelische Theologe Paul Tillich war ebenso von ihm beeinflusst, wie der aus Rumänien stammende Religionswissenschaftler Mircea Eliade und der bedeutendste Otto-Schüler im deutschsprachigen Bereich Gustav Mensching, aber auch Kurt Goldammer und Religionsphänomenologen wie Gerardus van der Leeuw. Der phänomenologisch arbeitende Philosoph Hermann Schmitz hat Ottos Ansatz zu einer Theorie der numinosen Gefühle erweitert.

Eine besondere Bedeutung hat Otto auch im Rahmen der (Religions-)Psychologie gefunden. Hervorzuheben ist hierbei vor allem die Rezeption des Begriffes des Numinosen durch die Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs sowie dessen Aufnahme und kritische Würdigung durch die Transpersonale Psychologie in ihren verschiedensten Ausprägungen (z.B. Karlfried Graf Dürckheim). In den USA wird Rudolf Otto, im Gegensatz zur deutschen Religionspsychologie, noch heute in seiner Wirkung als zentral erachtet.

Ottos Ansichten werden in der Religionswissenschaft und Religionstheorie nicht mehr als allgemeingültig anerkannt, dennoch hat sein Werk auch heutzutage noch Wirkung, beispielsweise bei fernöstlichen Theologen und Religionsphilosophen.

Schriften (Auswahl)

  • Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, 1917.
  • Vischnu-Nârâyana; Texte zur indische Gottesmystik, I, 1917.
  • Siddhânta des Râmânuja, Texte zur indische Gottesmystik,II, 1917.
  • Die Gnadenreligion Indiens und das Christentum; Vergleich und Unterscheidung, 1930.
  • West-Östliche Mystik; Vergleich und Unterscheidung zur Wesensdeutung, 1926.
  • Das Gefühl des Überweltlichen; Sensus Numinus, [Aufsätze], 1931.

Literatur

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Rudolf Otto — Saltar a navegación, búsqueda Rudolf Otto Rudolf Otto en 1925 Nombre Rudolf Otto Nacimiento …   Wikipedia Español

  • Rudolf Otto — en 1925. Rudolf Otto (25 septembre 1869 – 6 mars 1937) est un théologien luthérien, également universitaire en religion comparée, de nationalité allemande. Rudolf Otto dans Le Sacré a proposé le terme de « numineux » …   Wikipédia en Français

  • Rudolf Otto — (September 25 1869–6 March 1937) was an eminent German Lutheran theologian and scholar of comparative religion.LifeBorn in Peine near Hanover, Otto attended the Gymnasium Andreanum in Hildesheim and studied at the universities of Erlangen and… …   Wikipedia

  • Rudolf Otto Caesar — (* 20. November 1840 in Schleibnitz; † 24. November 1925 in Altona) war Geheimer Oberbaurat, Eisenbahnbaufachmann und Mitglied der königlichen Eisenbahndirektion. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Auszeichnungen 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Otto Wiemer — (* 24. März 1905 Friedrichroda; † 5. Juni 1998 Göttingen) war ein deutschsprachiger Lyriker, Puppenspieler und Pädagoge. Leben und Werk Wiemer wurde am 24. März 1905 in Friedrichroda, Am Friedensplatz, geboren und besuchte die Schule in… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Otto Knüpffer — Rudolf Otto von Knüpffer (* 4. März 1831 in Väike Maarja; † 23. Juli 1900 in Tallinn) war ein deutschbaltischer Architekt. Rudolf Otto von Knüpffer schloss 1852 sein Architekturstudium an der Bauschule in Sankt Petersburg ab. Von 1860 bis 1878… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Otto Franke — (* 24. Juni 1862 in Wickerode; † 5. Februar 1928 in Königsberg) war ein deutscher Indologe. Franke absolvierte nach dem Abitur an der Latina in Halle ein Studium klassischer, deutscher und indischer Philologie an den Universitäten in Göttingen… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Otto von Knüpffer — (* 20. Februarjul./ 4. März 1831greg. in Väike Maarja; † 10. Julijul./ 23. Juli 1900greg. in Tallinn) war ein deutschbaltischer Architekt. Leben und Werk Rudolf Otto von Knüpffer schloss 1852 sein Architekturstudium… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Otto von Ottenfeld — Rudolf Otto Ritter von Ottenfeld (* 21. Juli 1856 in Verona; † 26. Juli 1913 in Prag) war ein deutscher Schlachten und Orientmaler. Ein Ruhmesblatt der österreichischen …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Otto Gerger — Doppelmiethaus (1913/14), Davidgasse 62–64, von Rudolf Otto Gerger Rudolf Otto Gerger (* 19. Oktober 1880 in Wien; † 7. November 1975 ebenda) war ein österreichischer Architekt und Stadtbaumeister. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”