BAC 1-11

BAC 1-11
BAC 1-11
BAC 1-11
Typ: Zweistrahliges Standardrumpfflugzeug
Entwurfsland: Vereinigtes Königreich
Hersteller: British Aircraft Corporation
Erstflug: 20. August 1963
Indienststellung: 1965
Produktionszeit: 1963–1989
Stückzahl: 244

Die BAC 1-11 (auch BAC One-Eleven) ist ein zweistrahliges Passagierflugzeug des britischen Herstellers British Aircraft Corporation in Tiefdeckerauslegung. Sie besitzt ein T-Leitwerk. Die beiden Triebwerke sind seitlich am Heck angebracht. Die ganz aus Metall gefertigte Maschine verfügt über ein einziehbares Bugradfahrwerk und eine Druckkabine. Die Maschine entstand als strahlgetriebene Nachfolgerin des Turboprop-Musters Vickers Viscount.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Zeichnung einer BAC 1-11 der Mohawk

Die Ursprünge der 1-11 gehen auf den von der Hunting Percival Ltd. ausgearbeiteten 32-sitzigen Entwurf P-107 (später H-107) des Jahres 1956 zurück. Es war vorgesehen, das Flugzeug mit zwei Bristol-Orpheus-Triebwerken auszurüsten, doch fiel im September 1958 die Entscheidung für das Mantelstromtriebwerk Bristol Siddeley BS-75. Die Entwicklungsarbeiten wurden jedoch bis 1960, als Hunting von der British Aerospace Corporation (BAC) übernommen wurde, aus Kostengründen eingestellt. Der Entwurf wurde im Hause BAC mit dem der ebenfalls nicht realisierten Vickers VC-11 verschmolzen. Unter der neuen Bezeichnung BAC-107 erhielt das Projekt nun größere Abmessungen zur Aufnahme von zunächst 65 Passagieren in Reihen zu je fünf Sitzen sowie ein T-Leitwerk. Weitere Veränderungen an der Konstruktion führten schließlich zur BAC-111 (BAC 1-11), die im Mai 1961 angekündigt wurde. Als Triebwerke waren die damals für die Hawker Siddeley Trident in Entwicklung stehenden Rolls-Royce Spey-Triebwerke vorgesehen. Die Passagierkabine wurde für 69 Fluggäste ausgelegt. Zeitgleich mit der Veröffentlichung der ersten Detailangaben über das neue Flugzeug gab BAC am 9. Mai 1961 die Bestellung von zehn Exemplaren für die British United Airways (BUA) bekannt. Schon mit der zweiten Bestellung über sechs Flugzeuge für die Braniff Airways konnte BAC in den amerikanischen Markt eindringen. Bis die 1-11 ihren Erstflug ausgeführt hatte, lagen bereits Bestellungen für 45 Flugzeuge vor. Der Marktdurchbruch deutete sich an, als American Airlines, eine der „Big Five“, der größten fünf Fluggesellschaften, 15 One-Eleven fest bestellte und auf weitere 15 optionierte. Die Bestellung von American war die erste für die Series 400, einer speziell auf den amerikanischen Markt zugeschnittenen Variante mit einigen Änderungen (unter anderem an den Landeklappen und am Bremssystem) zur Erfüllung der besonderen amerikanischen Lufttüchtigkeitsbestimmungen.

Im Mai 1963 hatte BAC die ursprüngliche Ausführung in Series 200 und die Variante mit den stärkeren Spey-Triebwerken, einem zusätzlichen Treibstofftank im Mittelflügel zur Verbesserung der Reichweite und höherem Startgewicht und Nutzlast (39.463 kg) in Series 300 benannt. Die Series 400 besaß dieselben Triebwerke und Zelle wie die Reihe 300, doch wurde das maximale Startgewicht auf 35.835 kg reduziert, um den amerikanischen Fluggesellschaften den Betrieb des Flugzeugs mit einer zweiköpfigen Besatzung zu ermöglichen.

Einsatz

Der Erstflug des Prototyps G-ASHG fand am 20. August 1963 auf dem Flughafen Hurn statt, doch das Flugzeug ging bereits am 22. Oktober 1963 durch Absturz verloren, alle sieben Insassen wurden bei dem Absturz getötet. Ursache war ein unerwartetes Überziehverhalten mit totalem Verlust der Höhenruderwirkung, dem sogenannten Deep Stall.[1]

Nachdem umfangreiche System-Modifikationen vorgenommen worden waren, erfolgte die britische Verkehrszulassung für die 1-11 am 6. April 1965. Bereits drei Tage später, am 9. April 1965, konnte die BUA ihre ersten 1-11 im Streckendienst einsetzen, gefolgt von Braniff am 25. April 1965. Die amerikanische Verkehrszulassung war zuvor am 15. April 1965 erteilt worden. Gegenüber dem ersten westlichen Kurzstreckenjet, der Sud Aviation Caravelle, erwiesen sich die gewählten Triebwerke als wesentlich sparsamer, so dass die BAC 1-11 diesen wachsenden Markt der kleinen Jets zunächst fast alleine bedienen konnte.

Die erste für American bestimmte Maschine (G-ASYD) der Series 401 („401“ wegen Änderungen für amerikanische Bestimmungen) absolvierte am 13. Juli 1965 ihren Erstflug, und die US-Verkehrszulassung für diese Version wurde am 22. November 1965 erteilt. Der erste Streckeneinsatz bei American erfolgte am 6. März 1966. Die Flugzeuge der 200-, 300- und 400-Serie besaßen, abgesehen von längeren Triebwerkskanzeln der Varianten 300 und 400, dieselben Abmessungen, doch war die „Series 400“ die erfolgreichste. Von ihr kamen 69 Exemplare zur Auslieferung, wohingegen von der „Series 200“ 56 Maschinen und von der „Series 300“ nur neun Flugzeuge verkauft werden konnten.

Die Series 500 hatte einen längeren Rumpf und konnte bis zu 97, in enger Bestuhlung sogar 119 Passagiere aufnehmen. BAC plante bereits geraume Zeit die Produktion einer gestreckten Variante, doch konnte diese Idee erst durch eine Bestellung der BEA über vorerst zehn Maschinen realisiert werden. Der Rumpf dieser Variante wurde gegenüber den vorigen Modellen um 4,11 m und die Spannweite um 1,20 m vergrößert. Als Triebwerk kam das leistungsstärkere Spey 512-14 mit einer Startleistung von 43,55 kN zum Einbau. Ein firmeneigenes Flugzeug der Reihe 400 wurde zum Prototyp der neuen Serie umgebaut und absolvierte seinen Jungfernflug bereits am 30. Juni 1967, zunächst mit Spey-511-Triebwerken. Das erste Serienflugzeug flog am 7. Februar 1968 und wurde am 18. August 1968 für die BEA mit einem maximalen Startgewicht von 41.950 kg zugelassen. Anschließend erfolgte die erweiterte Zulassung mit Spey-512-14DW-Triebwerken und Wassereinspritzung bei einer Startleistung von 54,5 kN, wodurch das maximale Startgewicht auf 45.200 kg angehoben werden konnte. Durch die Installation eines zusätzlichen Treibstofftanks im hinteren Frachtraum konnte die Reichweite vergrößert werden, und das Muster wurde für ein maximales Startgewicht von 47.400 kg zugelassen, wobei verstärkte Flügelflächen und Fahrwerke das Mehrgewicht kompensierten. Diese Leistungsmerkmale machten es zum bevorzugten Flugzeug im Charterverkehr von kleineren Flughäfen zu Sonnenzielen im südlichen Europa.

BAC 1-11 der Aer Lingus am Flughafen Zürich, Juli 1975

Zu den Gesellschaften, welche die Variante flogen, gehörten neben BEA (später British Airways) die British Caledonian Airways, British Midland Airways, Philippine Air Lines (PAL) und Transbrasil auch viele Charterairlines. Auch die Swissair setzte die One-Eleven (eine „Series 400“ sowie eine „Series 500“) für einen kurzen Zeitraum testweise ein, entschied sich aber dann zum Kauf des Konkurrenzmusters Douglas DC-9-30/50. Ebenso wurde in Österreich in den 1970ern geprüft, ob zur damals anstehenden Flottenerneuerung der Austrian Airlines One-Elevens oder DC-9 angeschafft werden sollten. Allerdings entschied man sich auch hier gegen die BAC 1-11 und für die DC-9, sowie in weiterer Folge für die davon abgeleitete MD-80-Reihe, für die Austrian Airlines und Swissair Erstkunden waren. Mitte der 1980er stießen zwei in Rumänien gebaute (siehe unten) BAC 1-11 zur Flotte der österreichischen Gesellschaft Lauda Air, die damals von der rumänischen Fluggesellschaft TAROM geleast wurden.[2] In Deutschland flog die BAC 1-11 bei der Bavaria Fluggesellschaft (400- und 500-Serie), Bavaria Germanair (400- und 500-Serie), Germanair (400- und 500-Serie), Hapag-Lloyd (500-Serie) und Paninternational (500-Serie) im Charterdienst. Zudem wurde am 29. Januar 1966 eine Privatmaschine (200-Serie) an den deutschen Unternehmer Helmut Horten ausgeliefert. Diese Maschine war weltweit die erste BAC 1-11, die als Geschäftsreiseflugzeug eingesetzt wurde.

Die letzte One-Eleven-Version, die von BAC verkauft werden konnte, war die Series 475 für den Betrieb von hochgelegenen und heißen Flughäfen. Das Muster vereinigt in sich den kurzen Rumpf der „Series 400“ mit den größeren Tragflächen und den stärkeren Triebwerken der „Series 500“. Hinzu kamen Niederdruckreifen, die eine Änderung der Radschächte erforderlich machten. Der Entwicklungsträger der Reihen 400/500 wurde abermals einem Umbau unterzogen und flog am 27. August 1970 als Prototyp der neuen Version, gefolgt von der ersten Serienmaschine am 5. April 1971. Das Muster erhielt seine Luftverkehrszulassung im Juni 1971, und die peruanische Faucett de Aviacion erhielt die erste „475“ im darauffolgenden Monat. Da BAC für diese Variante keinen ausreichenden Kundenkreis aufbauen konnte, wurden nur zehn Maschinen verkauft. 1977 wurde die „One-Eleven 670“, eine leiserer und verbesserter Typ 475, für den japanischen Inlandsmarkt angeboten, fand aber keine Abnehmer.

Hier machte sich der zunehmende Luftverkehr bemerkbar. Die BAC One-Eleven konnte nicht mehr vergrößert werden, wohingegen die inzwischen etablierten Konkurrenten Boeing 727 und Douglas DC-9 bei ähnlichen Kosten mehr Passagiere befördern konnten. Nachdem BAC inzwischen zum Airbus-Konzern gehörte, kann man die Airbus A320-Familie als ihren Nachfolger ansehen, jedoch fasst selbst deren kleinste Variante, die A318, etwa 20 Passagiere mehr.

Ende der Produktion und Verbleib des Musters

Auf dem britischen Flughafen Bournemouth endete die Serienproduktion der One-Eleven im Jahre 1980, obwohl noch im Februar und April 1984 zwei Maschinen der Series 400/475 als Geschäftsreiseflugzeuge fertiggestellt wurden. Im Jahre 1979 schloss British Aerospace eine Vereinbarung mit dem nationalen Zentrum der rumänischen Flugzeugindustrie (IAR), auf Grund derer in Rumänien eine Fertigungsstraße für die BAC 1-11 Series 500 eingerichtet werden sollte. Der Vertrag beinhaltete die Lieferung von drei kompletten One-Eleven und 22 Bausätzen aus England. Im Anschluss an deren Fertigung sollte CNIAR 60 ROMBAC 670 für den rumänischen Eigenbedarf und den Export in die Staaten des damaligen Ostblocks herstellen. Diese großen Pläne konnten aber nicht verwirklicht werden, so dass nur neun Exemplare der als One-Eleven „561RC“ bezeichneten Flugzeuge in Rumänien für die nationale TAROM gebaut wurden. Von einer geplanten Frachtversion der 1-11 wurde nur ein Exemplar der „Series 400“ gebaut, das im Juli 1981 an TAROM zur Ablieferung kam.

In den USA wurden 1990 zwei Exemplare der „Series 400“ als One-Eleven-2400 von der Firma Dee Howard mit modernen Fanjet-Triebwerken vom Typ Rolls-Royce Tay 650 ausgerüstet. Der Erstflug dieser Variante (N650DH) erfolgte am 2. Juli 1990 und die Luftverkehrszulassung wurde für 1991 angestrebt. Mit Ausnahme von Kiwi International Air Lines (elf Bestellungen, plus fünf Optionen) fanden sich aber keine Abnehmer für dieses als Gebrauchtmodell zu teure Flugzeugmuster. Anschließend wurde die erfolgversprechende One-Eleven-2500 projektiert, die aus der „Series 561RC“ unter Einbeziehung der CNIAR entwickelt werden sollte. Als Antrieb wurde, wie für die „–2400“, das Tay-650-Triebwerk ausgewählt. Da das Kundeninteresse für diese Version ebenfalls ausblieb, wurde das Projekt aus ökonomischen Gründen 1995 endgültig gestoppt.

British Airways, die einmal mit 40 Maschinen über die größte 1-11-Flotte verfügten, musterten den Flugzeugtyp zum Jahresende 1992 aus. Fast die gesamte Flotte wurde von der in Bournemouth ansässigen European Aviation übernommen. Um das Einsatzleben der doch extrem lauten One-Eleven zu verlängern, entwickelte diese Firma seit 1995 zusammen mit Quiet Technologies of Florida einen Schalldämpfer nach ICAO Annex Stage 3. Mitte 1999 standen von insgesamt 245 bis 236 von BAC sowie neun von CNIAR gebauten One-Eleven-Serienmustern noch 131 Exemplare weltweit im Einsatz, im März 2011 waren es noch acht.[3] Weitere 84 One-Eleven sind eingelagert und zurzeit ohne Fluggenehmigung. Neun Flugzeuge sind in Museen in Großbritannien, Dänemark, Chile und Argentinien erhalten. Die letzten drei regelmäßig eingesetzten BAC 1-11 flogen bei der Royal Air Force of Oman für Transporte von Militärangehörigen oder VIPs.[4] Das letzte Exemplar dort wurde schließlich am 14. Juli 2010 ausgemustert.[5]

Technische Daten (Series 500)

  • Antrieb: 2 Mantelstromtriebwerke Rolls-Royce Spey 512DW, je 5690 kp (55,8 kN) Standschub.
  • Spannweite: 28,50 m
  • Länge: 32,61 m
  • Höhe 7,47 m
  • max. Startgewicht: 47.700 kg
  • ökon. Reisegeschwindigkeit: 790 km/h
  • Gipfelhöhe: 9000 m
  • Reichweite: 2800 km
  • Besatzung: 2+3
  • Passagiere: 98–119

Unfälle

  • Am 10. Juni 1990 kam es auf einem British-Airways-Flug von Birmingham nach Málaga etwa zehn Minuten nach dem Start zu einem folgenschweren Zwischenfall (British-Airways-Flug 5390): Aufgrund eines Wartungsfehlers wurde im Steigflug durch den Kabinendruck die linke Windschutzscheibe aus dem Flugzeug gesprengt, worauf der Pilot teilweise aus dem Flugzeug gesaugt wurde und die Maschine in Southampton notlanden musste. Es kam bei diesem Zwischenfall niemand ums Leben, jedoch war er der Auslöser zur Einführung von sogenannten menschlichen Faktoren in der Flugzeugwartung.

Siehe auch

Literatur

  • Kenneth Munson, Airliners from 1919 to the present day,Peerage Books
  • Jochen K. Beeck, Verkehrsflugzeuge der Welt 1919–2000, Motorbuch Verlag, ISBN 3-613-02008-4

Weblinks

 Commons: BAC 1-11 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Flugunfalldaten und -bericht im Aviation Safety Network
  2. http://www.berlin-spotter.de/airlines/lauda.htm
  3. Clark, Peter: Current Fleet, März 2011.
  4. Die letzte Linienmaschine BAC 1-11, Fliegerrevue, Juni 2009, S. 54
  5. Clark, Peter: Current Fleet, März 2011.
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