Samaniden

Samaniden

Die Samaniden (persisch ‏سامانیان‎) waren eine persischstämmige, muslimische Dynastie mit erheblichem politischen sowie kulturellen Einfluss, die von 819 bis 1005 in Transoxanien und Chorasan regierte. Ihre Herrscher betitelten sich als Emire, unterstanden jedoch rein formal dem Kalifat der Abbasiden. Ihre Hauptstadt war Buchara.

Inhaltsverzeichnis

Aufstieg und Machthöhepunkt

Der Stammvater der Dynastie, Saman Khuda, entstammte einer altiranischen Priesterfamilie aus Balkh und war, nach Behauptungen der Dynastie selbst, ein Nachkomme Bahram Chobins, eines Generals der Sassaniden. Die ersten Samaniden wurden 819 Statthalter der Tahiriden in Samarkand, Ferghana, Sasch und Herat.

Nasr I. ibn Ahmad (874–892) wurde 874 nach dem Sturz der Tahiriden durch die Saffariden von den Abbasiden als Statthalter in Transoxanien eingesetzt und konnte faktisch unabhängig regieren. Hauptstadt der Dynastie wurde Buchara. Unter Ismail I. (892–907) konnten die Saffariden aus Chorasan vertrieben und die Kontrolle über weite Teile des östlichen Iran errungen werden. Ismail drängte auch die Oghusen zurück und löste dadurch jene Kettenreaktion in der Steppe aus, die zum Erscheinen der Magyaren (d. h. der Ungarn) in Pannonien führte (um 895). Mit Nasr II. (914–943) erreichte das Reich seine größte Ausdehnung in Mittelasien und dem Iran, wobei auch die Grenzgebiete nach Indien erreicht wurden. Bei seinem Regierungsende kam es zu Unruhen, unter anderem deswegen, weil die Armee keinen Sold erhielt. Nach 945 wurden die Samaniden zudem von den schiitischen Buyiden aus dem westlichen Persien nach Chorasan und Transoxanien abgedrängt.

Handel und Wirtschaft

Samaniden-Mausoleum 2006

Im 10. Jahrhundert war Transoxanien die Drehscheibe des internationalen Handels zwischen Ost und West. Neben Handelsbeziehungen in den Nahen Osten und in das Kaiserreich China bestanden auch Verbindungen nach Indien und in das Wolgagebiet. Gehandelt wurden unzählige Waren (u. a. Seife, Stoffe, Wolle, Teppiche, Pelze, Schminke, Öl, Metallgefäße, Honig, Nüsse, Melonen, Waffen, Sklaven, Pferde). Die Melonen waren so beliebt, dass man sie in Bleikisten steckte, Schnee dazustopfte und bis nach Bagdad transportierte, wo sie horrende Preise (pro Melone sieben bis zehn Mal so viel wie pro Sklave) erzielten. Hunderttausende samanidische Silbermünzen sind in Europa gefunden wurden, viele davon in Schweden, und auch in Mainz wurden sie nach Aussage eines Sklavenhändlers namens Ibrahim Jakub im 10. Jahrhundert verwendet. Neben den Handelsbeziehungen bestand auch eine blühende Landwirtschaft, basierend auf einer funktionierenden Bewässerung, und eine hoch entwickelte Bergbauindustrie. Durch den wirtschaftlichen Reichtum konnten die Samaniden auch eine reiche Bautätigkeit vor allem in den Städten entfalten. Erhalten davon ist z. B. das Samaniden-Mausoleum in Buchara.

Literatur und Gelehrsamkeit

Unter Mansur I. (961–976) und Nuh II. (976–997) stieg die Hauptstadt Buchara durch die Förderung der Samaniden zum Zentrum der persischen Kultur auf. Dabei erreichte besonders die persisch-islamische Literatur eine Blüte, die zum Aufstieg der neupersischen Sprache führte. Sie ist vor allem mit dem Poeten Rudaki († 941) verknüpft, dessen Hauptwerk Kalīla wa Dimna indische Fabeln umarbeitete und zu dessen Illustration chinesische Maler befohlen wurden. Auch das Schāhnāme genannte Hauptwerk des Firdausi († 1020) zählte eher in die Samanidenzeit, denn Mahmud von Ghazni brachte wenig Verständnis dafür auf. Selbst der Universalgelehrte Al-Biruni und in der Medizin anzusiedelnde Ibn Sina begannen ihre Laufbahn noch unter den Samaniden.

Verfall und Untergang

Die Samaniden stützten sich auf den ostiranischen Landadel. Im Verlauf des 10. Jahrhundert wurden aber zunehmend türkische Söldner bzw. Sklavensoldaten in das Heer übernommen, um die türkischen Nomadenstämme in Mittelasien unter Kontrolle behalten zu können. Die Sklavensoldaten wurden ein Machtfaktor bei Hofe, der die Emire bald in Schwierigkeiten brachte. So kam es 961 beim Tod des Emirs zu einem Umsturzversuch ihrer Führer (z. B. Alptigin) in Buchara, wobei der Palast zerstört wurde. Auch machten sich seit der Mitte des 10. Jahrhunderts einige Offiziere in den Provinzen selbständig. Vor allem gründete der General Alptigin 962 die halbunabhängige Herrschaft der Ghaznawiden, die 994 in Folge einer weiteren Militärrebellion die Kontrolle über ganz Chorasan bekam. Zu den Verschwörungen bei Hofe und unter den Militärgouverneuren in den Provinzen kamen noch Unruhen unter der Stadtbevölkerung, Aufstände der Bauern und Sektenstreitigkeiten.

Dem gleichzeitigen Druck der Ghaznawiden im Süden und der Karachaniden aus dem Osten waren die Samaniden am Ende des 10. Jahrhunderts nicht mehr gewachsen. Die Geistlichkeit und die Stadtbevölkerung verhielten sich passiv, als Buchara letztlich im Oktober 999 von dem Karachanidenprinzen Arslan Ilek Nasr besetzt und die Herrscherfamilie mit Abd al-Malik II. an der Spitze gefangen genommen wurde. Ein Prinz entkam zwar, aber sein Kampf um die Wiederherstellung des Samaniden-Reiches blieb erfolglos und mit seiner Ermordung endete 1005 die Dynastie.

Die heutigen Tadschiken führen ihre Abstammung und Kultur auf jene Dynastie zurück. Ismail, der berühmteste Samaniden-Herrscher, gilt heute in Tadschikistan als Nationalheld und Vater der Nation. Auch der Name der modernen Währung Tadschikistans, Somoni, ist vom Namen dieser Dynastie abgeleitet.

Reste der Architektur

Die Eroberung durch die Araber brachte kaum neue Architekturformen nach Mittelasien, vielmehr wurde die Baukunst der Abbasiden von mittelasiatischen Vorbildern beeinflusst. Beispielsweise waren Paläste und Grabbauten in Choresm das Vorbild für entsprechende Bauten im Bagdad und Samarra des 8. und 9. Jahrhundert, wobei sowohl der Grundriss (Kuppelraum mit vier Hallen, dazu Vorhöfe) als auch die Stuckgestaltung als Vorlage dienten.

In Termes sind grobe Überreste eines Palastes aus dem 10. Jahrhundert erhalten: Der Kyrk-Kyz war eine zweistöckige Anlage von ungefähr 54 Metern Seitenlänge und einem Mittelraum von 11 Metern. Das Erscheinungsbild ist als "Zentralkuppelkiosk" bezeichnet worden.

In Alt-Samarkand (Afrasiab) sind drei Adelspaläste aus der Samanidenzeit gefunden worden. Einer davon bestand aus drei Räumen mit Mittelkuppel und vorgesetzter Säulenhalle und enthielt umfangreiche Stuckarbeiten. Ein zweiter war ebenfalls ein Kuppelbau und der dritte präsentierte einen Saal mit Stuck, und zwar geometrisch verbundene florale Ornamente (1919 entdeckt). Übrigens war Alt-Samarkand damals bereits befestigt und besaß zehn Stadttore.

Von den Mausoleen ist das Samaniden-Mausoleum in Buchara erhalten, ebenso das Arab-Ata in Tim. Das Arab-Ata ist gemäß Inschrift 977/8 errichtet worden, und hat anders als das Samaniden-Mausoleum in Buchara eine Prachtfassade.

Herrscherliste und Stammbaum

Stammbaum der Samaniden: Sāmān-Chodā سامان خدا, Asad اسد, Nūh نوح, Ahmad (I) احمد, Yahyā يحيى, Ilyās الياس, Nasr نصر, Ismāʿīl (I) اسماعيل, Ahmad (II) احمد, Nasr (II) نصر, Nūh (I) نوح, ʿAbd al-Malik (I) عبد الملك, Mansūr (I) منصور, Nūh (II) نوح, Mansūr (II) منصور, ʿAbd al-Malik (II) عبد الملك, Ismāʿīl (II) al-Muntasir اسماعيل المنتصر.
  • Ahmad (I.) b. Asad b. Saman Chuda (reg. 819–864)
  • Nasr (I.) b. Ahmad (reg. 864–892)
  • al-Amir al-Mahdi Abu Ibrahim Ismail b. Ahmad (reg. 892–907)
  • al-Amir asch-Schahid Abu Nasr Ahmad (II.) b. Ismail (reg. 907–914)
  • al-Amir as-Said Nasr (II.) b. Ahmad (reg. 914–943)
  • al-Amir al-Hamid Nuh (I.) b. Nasr (reg. 943–954)
  • al-Amir al-Muayyad (oder al-Muwaffaq) Abu l-Fawaris Abd al-Malik (I.) b. Nuh (reg. 954–961)
  • al-Malik al-Muzaffar al-Amir as-Sadid Abu Salih Mansur (I.) b. Nuh (reg. 961–976)
  • al-Amir ar-Radi (oder ar-Raschid) Abu l-Qasim Nuh (II.) b. Mansur (reg. 976–997)
  • Abu l-Harith Mansur (II.) b. Nuh (reg. 997–999)
  • Abu l-Fawaris Abd al-Malik (II.) b. Nuh (reg. 999–1000)
  • Abu Ibrahim Ismail (II.) al-Muntasir b. Nuh (reg. 1000-1005)


Panorama der Samanidenhauptstadt Buchara

Literatur

  • Richard N. Frye: The Samanids. In: The Cambridge History of Iran. Band 4: R. N. Frye (Hrsg.): The period from the Arab invasion to the Saljuqs. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1975, ISBN 0-521-20093-8, S. 136ff.
  • Tilman Nagel: Die islamische Welt bis 1500. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1998, ISBN 3-486-53011-9 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 24), S. 95ff.
  • Gronke, Monika: Geschichte Irans. Von der Islamisierung bis zur Gegenwart, München, 2., durchgesehene und aktualisierte Auflage, 2006

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