Schulgarten

Schulgarten
Schüler, Ausschnitt aus dem Denkmal für Johann Julius Hecker.

Ein Schulgarten ist ein für Aus- und Weiterbildungszwecke angelegter Garten. Er ist ein pädagogisches Mittel, um Wissen über Gartenbau und Landwirtschaft, sowie über Natur und Umwelt vermitteln.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Antike

In der Antike sollen bereits Platon, Sokrates und Epikur zusammen mit ihren Schülern Gärten angelegt haben, um eine inspirierende Umgebung für Philosophie, Dichtung und Wissenschaft zu schaffen.

Der persische König Kyros II. soll Lehrgärten veranlasst haben, um Schüler in Obst- und Gartenbau unterweisen zu lassen.

Mittelalter

Die Klostergärten des Mittelalters, insbesondere der Benediktiner, dienten auch der Vermittlung von Wissen über Nutzpflanzen und deren Pflege. Im Auftrage Karls des Großen verfasste Ansegis im Jahre 812 die Capitulare de villis vel curtis imperii. Er nennt 73 Nutzpflanzen, 16 Obstbaumarten und unter anderem Hanf. Der St. Galler Klosterplan, möglicherweise ein Idealplan aus dem frühen 9. Jahrhundert, sieht Kräuter-, Gemüse und Obstgärten vor. Walahfrid Strabo, der spätere Abt des Klosters Reichenau, beschrieb im Jahre 827 im Liber de cultura hortorum in 444 lateinischen Hexametern die Pflege der Gärten, unter anderem 24 Heilpflanzen erwähnend.[1]

Neben den Beeten für Arzneipflanzen für die mittelalterliche Heilkunde und Küchenkräuter für die Küche des Mittelalters kannte man auch solche für Färberpflanzen, Pflanzen für kosmetische Zwecke, Zauberpflanzen (Liebeskräuter, Pflanzen mit halluzinogenen Inhaltsstoffen, Giftpflanzen) und Zierpflanzen. Die Benediktinnerin Hildegard von Bingen, Begründerin des Klosters Rupertsberg, beschreibt um 1155 in ihrem Werk Physica („Naturkunde“) mehr als 500 Pflanzen, darunter auch wildwachsende. Heutige Kräuterspiralen, zugleich auch Beispiel für permakulturelle Gestaltung, berufen sich unter anderem auf ihre Pflanzenkunde.

Johann Julius Hecker

Den ersten Berliner und vermutlich auch preußischen Schulgarten ließ um 1750 der evangelische Theologe und Pädagoge Johann Julius Hecker anlegen. Hecker gliederte den Schulgarten der ebenfalls von ihm gegründeten ersten praxisorientierten „Ökonomisch-Mathematischen Realschule“ an. Bei dem neuen reformpädagogischen Ansatz, schulische und direkt berufsvorbereitende Lehrinhalte zu verbinden, spielte der Schulgarten in Heckers Konzept eine wichtige Rolle. Das Gelände befand sich auf dem heute so genannten Lenné-Dreieck.

Die volkswirtschaftliche Zeitung Leipziger Sammlungen berichtete 1750, man „... habe ganz besondere Anstalt zum lebendigen Unterricht in Plantagen-Sachen gemacht. Denn man hat ein Stück Acker gegen Erbpacht acquiriret, und läßt der Jugend in Recreationsstunden in der That selbst zeigen, was bey dem Anlegen von Hecken, dem Säen, Pflanzen, Pfropfen, Oculieren etc. und sonderlich der Wartung und Pflanzung der Maulbeer-Bäume zum Seidenbau in Acht zu nehmen.“ [2]

Der Seidenbau wurde zu dieser Zeit von Friedrich dem Großen mit dem Ziel gefördert, möglichst unabhängig vom Import den wachsenden Bedarf nach Seide befriedigen zu können.

Nach Heckers Tod im Jahr 1768 stellte der Botaniker Johann Gottlieb Gleditsch eine Inventarliste des Schulgartens zusammen und fand neben „... mehreren Treibhäusern und Mistbeeten, eine kleine Orangerie, Ananas, Cypressen, Lorbeern, Myrthen, Granaten, Aloe, Pisang, selbst Agaven und Kaffebäume...“ [3]

Weitere Wegbereiter

Zu den Wegbereitern werden Johann Amos Comenius, August Hermann Francke, Friedrich Eberhard von Rochow, Christian Gotthilf Salzmann, Johann Heinrich Pestalozzi, Friedrich Fröbel, Georg Kerschensteiner und Rudolf Steiner gezählt.[4]

Schulgärten auf dem Land

Ausschnitt eines Schulgartens an der Freien Waldorfschule Schopfheim.

Auch in ländlichen Regionen, z.B. in Südwestfalen, gab es bereits Ende des 18. Jahrhunderts die ersten Schulgärten, hier initiiert von Pastor Friedrich Adolf Sauer. Die "Industrieschule" war im Herzogtum Westfalen der damals neue, durch die Reformideen der Aufklärung geprägte Volksschultyp. Zu der angestrebten ganzheitlichen Unterrichtsmethode gehörte die Förderung verschiedener Handfertigkeiten, vor allem aber der praktische Unterricht im Obst- und Gartenbau. Veredelte Obstbäume aus den Schulgärten der Industrieschulen wurden in der Region verkauft und z. B. entlang der Chausseen gepflanzt. Die Landeskultur-Gesellschaft zu Arnsberg setzte 1810 erstmals eine Prämie für besonders engagierte Schulen aus. Der Preis ging nach Olpe, wo nachweislich 30.000 Apfel- und Birnenkerne gelegt, 4.500 Bäume gezogen und 700 veredelt worden waren.[5]

Schulgartenunterricht in der DDR

In der DDR war der Unterricht von der ersten bis zur vierten Klassenstufe Pflicht. Es gab auch entsprechende Lehrbücher. Jede Schule hatte (meistens außerhalb des Schulgeländes) ein Areal, in dem jede Schulklasse einige Beete anlegte. Das Erntegut wurde entweder der Schulspeisung zugeführt, dem ortsansässigen Einzelhandel über regulären Aufkauf angeboten oder gleich vor Ort verkauft. Die eingenommenen Gelder gingen oft in die Klassenkasse. Auch die Schüler konnten sich einen Teil mit nach Hause nehmen. Der Schulgartenunterricht war neben dem Werkunterricht Teil des Polytechnischen Unterrichts.[6]

Situation heute

An Grundschulen ist ein Schulgarten auch heute noch immer ein wichtiges Lehrmittel. Die Kinder lernen dabei sowohl theoretische Grundkenntnisse zu Pflanzen (ergänzend zum Sachunterricht) als auch die praktische Arbeit im Garten.

Zur Zeit erlebt die Schulgartenbewegung in Deutschland eine Renaissance. So wurde im Jahre 2002 in Fulda die Bundesarbeitsgemeinschaft Schulgarten gegründet. Weiterhin gibt es in Baden-Württemberg nach einer repräsentativen Umfrage an fast 40 % aller Schulen einen Schulgarten. In vielen Montessori-Bildungseinrichtungen existiert ein Schulgarten, um praktisch arbeiten zu können.

Konzepte

Zu den Vorschlägen für die praktische Arbeit zählt die Planung, Anlage und Pflege eines Gemüsebeets.[7][8]

Weitere vermittelbare Themen sind:

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Birkenbeil (Hrsg.): Schulgärten. Ulmer-Verlag, 1999, ISBN 3-8001-5298-3.
  • AID (Hrsg.): Lernort Schulgarten - Projektideen aus der Praxis. Bonn 2005, ISBN 3-8308-0550-0.
  • AID, Reinhard Marquardt: Schulgarten im Unterricht - Von Mathematik bis Kunst. Bonn 2010, ISBN 978-3-8308-0927-2.
  • Eva Klawitter: Der Öko-Schulgarten. Unterrichtsvorschläge und Informationen für die Schulgartenarbeit. Klett, Stuttgart 1992, ISBN 3-12-258660-6.
  • Alex Oberholzer, Lore Lässer: Gärten für Kinder. 2003, ISBN 3-8001-4138-8.
  • Hainer Weißpflug: „Auf dem Wege nach dem Thiergarten rechter Hand ...“. Berlins erster Schulgarten und sein Gründer Julius Hecker. In: Berlinische Monatsschrift. Edition Luisenstadt, 1997.

Einzelnachweise

  1. Hans-Dieter Stoffler: Der Hortulus des Walahfrid Strabo. Aus dem Kräutergarten des Klosters Reichenau. Stuttgart 2002, ISBN 3-7995-3506-3.
  2. Leipziger Sammlungen von Wirthschaftlichen, Policey-, Cammer-, und Finanz-Sachen. Band 7. Leipzig bey Carl Ludwig Jacobi 1751, S. 722.
  3. G. W. v. Raumer: Der Thiergarten bei Berlin, seine Entstehung und seine Schicksale nach bewährten Nachrichten. Berlin 1840, S. 57.
  4. Fernande Walder: Der Schulgarten in seiner Bedeutung Erziehung. Klinkhardt, Rieden 2002, ISBN 3-7815-1242-8.
  5. Roswitha Kirsch-Stracke: 'Es ist ihnen Freude und Jubel, wenn ihre Versuche gelingen' – Zur Geschichte der ersten Schulgärten im Sauerland mit Beispielen aus dem Kreis Olpe. In: Heimatstimmen aus dem Kreis Olpe. Jg. 62, 1991, H. 4, S. 218-233, ISSN 0177-2899
  6. DDR-Schulsystem der 80er Jahre.
  7. Ines Binder: Der Schulgarten: Geschichte – Konzepte – Ziele. Seminararbeit. (online)
  8. Annette Upmeier zu Belzen, Barbara Wieder, Armin Lude: Der Schulgarten in der Grundschule. Ein Gemüsebeet in einem 3. Schuljahr planen und anlegen. In: IDB Münster, Ber. Inst. Didaktik Biologie, 13 (2004), S. 41-53. (online)

Weblinks

 Commons: Schulgärten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Schulgarten – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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