- August Hermann Francke
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August Hermann Francke (* 22. März 1663 in Lübeck; † 8. Juni 1727 in Halle an der Saale) war ein deutscher evangelischer Theologe, Pädagoge und Kirchenlieddichter. Er war einer der Hauptvertreter des Pietismus.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Francke wurde als Sohn des Juristen und damaligen Syndikus beim Domkapitel des Stifts und der gesamten Landstände des Fürstentums Ratzeburg Johann Francke († 30. April 1670) geboren, der später Hof- und Justizrat des Herzogs Ernst der Fromme wurde. Seine Mutter war Anna, die Tochter des Lübecker Bürgermeisters David Gloxin († 26. Februar 1671) und dessen Frau Anna Schabbel. Da seine Eltern 1666 nach Gotha zogen, erhielt er dort durch Privatlehrer eine Ausbildung, bezog für ein Jahr 1676 das Gymnasium in Gotha und wurde dann zwei weitere Jahre privat auf ein Hochschulstudium vorbereitet.
Ostern 1679 begann er an der Universität Erfurt bei Conrad Rudolph Hertz ein philosophisches Grundstudium, machte sich mit der griechischen Sprache vertraut und legte die Anfangsgründe eines theologischen Studiums. Im Herbst 1679 setzte er sein Studium an der Universität Kiel bei Christian Kortholt d.Ä. fort. 1682 hielt er sich zwei Monate in Hamburg Esdras Edzardus auf und kehrte nach Gotha zurück. In Gotha betrieb er anderthalb Jahre ein Selbststudium, studierte ab Ostern 1684 an der Universität Leipzig und wurde Schüler von Adam Rechenberg, Johannes Olearius und Johannes Cyprian.
Nach kurzem Aufenthalt 1685 an der Universität Wittenberg, erlangte er im selben Jahr in Leipzig mit einer Disputation über die hebräische Grammatik den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie, habilitierte sich an der Leipziger Hochschule und hielt erste Predigten an der Leipziger Paulinerkirche. 1686 gründete er mit Paul Anton das Collegium philobiblicum, ein Verein von Magistern zur regelmäßigen Übung in der damals in hohem Grade auf den Universitäten vernachlässigten Exegese sowohl des Alten als Neuen Testamentes. Dabei lernte er zu jener Zeit Philipp Jacob Spener kennen, der auf ihn maßgeblichen Einfluss ausübte.
Bekehrung
1687 erlebte er seine mit Glaubenskrise und Neuanfang verbundene Bekehrung. Nachdem er als Wegbereiter des Pietismus, zunächst in Leipzig, dann in Erfurt - jeweils von Unruhen und Ausweisungen begleitet - für Aufsehen gesorgt hatte, wurde er an der Theologischen Fakultät der Universität Halle Professor für Griechisch und Orientalische Sprachen, später für Theologie. Auch hier sorgte sein Auftreten für heftige Auseinandersetzungen mit der lutherischen Orthodoxie. 1692 bis 1715 war Francke Pfarrer der St. Georgen-Kirche in Halles Vorstadt Glaucha. Kontakte zu maßgeblichen Persönlichkeiten (Carl Hildebrand von Canstein, dem Militär, bis hin zum preußischen Herrscherhaus) ermöglichten ihm schließlich 1715 eine Berufung in die Stadt, wo er 1715 bis 1727 Pfarrer der St. Ulrich-Kirche war.
Stiftungen
Die Begründung der Franckeschen Stiftungen in Halle stellt sein eigentliches Lebenswerk dar. 1695 begann Francke Kinder in seiner Gemeinde Glaucha zu unterrichten und zu versorgen. Am 18. September 1698 wurde der Grundstein für ein neues Waisenhaus gelegt und innerhalb von 30 Jahren entstanden Schul- und Wohngebäude, Werkstätten, Gärten und eine Apotheke. In insgesamt 50-jähriger Bautätigkeit wuchs eine Schulstadt heran, in der bis zu 2.500 Menschen lebten und an der Konzeption einer christlich inspirierten Gesellschaftsreform arbeiteten.
Francke war zunächst auf direkte Spenden für sein Unternehmen angewiesen, vermochte aber durch schriftstellerische Tätigkeit, anstaltseigene Betriebe, fiskalische Privilegien etc. die Einkünfte zu steigern. In seinem Halleschen Unternehmen sah Francke einen Anfang für eine weltweite „Generalreformation“, die er insbesondere durch die Dänisch-Hallesche Mission und die Cansteinsche Bibelanstalt zu fördern suchte. Am Portal des Haupthauses seiner Stiftungen ließ er Jesaja 40,31 EU aufmeißeln: „Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler“. Darüber findet sich eine Abbildung von zwei zur Sonne auffliegenden Adlern, die zum bildlichen Symbol der Franckeschen Stiftungen wurden.
Ableben und Wirkung
August Hermann Francke starb am 8. Juni 1727 im Alter von 64 Jahren in Halle. Sein Grab und das seiner Familie befinden sich auf dem Stadtgottesacker in Halle.
Der Francke-Schüler Johann Julius Hecker gründete 1747 in Berlin die erste praxisorientierte Realschule, war 1748 Begründer des ersten preußischen Lehrerseminars und hat das Generallandschulreglement vom 12. August 1763 maßgeblich vorbereitet. Das Reglement bildete die Grundlage für die Entwicklung des preußischen Volksschulwesens.
August Hermann Niemeyer wird bis heute zweiter Gründer der Franckeschen Stiftungen genannt.
Privatbibliothek
August Hermann Francke war nicht nur Benutzer der „Bibliothek des Waisenhauses“, die den Hauptteil der heutigen Bibliothek der Franckeschen Stiftungen ausmacht, sondern besaß selbst eine umfangreiche Privatbibliothek, über die erst seit 2001 Näheres bekannt geworden ist. Ein großer Teil von ihr ging als Erbe an Franckes Sohn Gotthilf August Francke und wurde zusammen mit dessen Privatbibliothek 1770 in Halle an der Saale versteigert.
Familie
Francke hatte am 4. Juni 1694 in Rammelburg Anna Magdalena (1670–1734), die Tochter des Erbherrn auf Hoppenrode Otto Heinrich Wurm geheiratet. Aus der dreiunddreißigjährigen Ehe sind eine Tochter und zwei Söhne hervorgegangen. Von den Kindern ist bekannt:
- August Gottlieb Francke († jung)
- Gotthilf August Francke wurde Theologe
- Johanna Sophia Anastasia Francke verh. mit Johann Anastasius Freylinghausen
Quellen
Franckes Reform- und Programmschrift des Halleschen Pietismus:
- August Hermann Francke (1704): August Hermann Franckes Schrift über eine Reform des Erziehungs- und Bildungswesens als Ausgangspunkt einer geistlichen und sozialen Neuordnung der Evangelischen Kirche des 18. Jahrhunderts: der Grosse Aufsatz. Mit einer quellenkundlichen Einführung. Hrsg. v. Otto Podczeck; Berlin: Akademie, 1962.
Literatur
- Heinrich Ernst Ferdinand Guerike: August Hermann Francke. Eine Denkschrift zur Säcularfeier seines Todes; Halle, Buchhandlung des Waisenhauses 1827.
- Juliane Dittrich-Jacobi: Pietismus und Pädagogik im Konstitutionsprozess der bürgerlichen Gesellschaft. Historisch-systematische Untersuchung der Pädagogik August Hermann Franckes (1663–1727); Dissertation, Universität Bielefeld 1976
- Gustav Kramer: Francke, August Hermann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 7, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 219–231.
- Siegfried Wibbing: August Hermann Francke (1663–1727). In: Henning Schröer, Dietrich Zilleßen (Hrsg.): Klassiker der Religionspädagogik; Frankfurt/M. 1989, ISBN 3425077112; S. 74 ff.
- Peter Menck: Die Erziehung der Jugend zur Ehre Gottes und zum Nutzen des Nächsten. Die Pädagogik August Hermann Franckes; Halle an der Saale, Tübingen 2001, ISBN 3-931479-19-6
- Erhard Peschke: Studien zur Theologie August Hermann Franckes, 2 Bände; Berlin 1964–1966
- Reinhard Breymayer: Zum Schicksal der Privatbibliothek August Hermann Franckes. Über den wiedergefundenen Auktionskatalog der Privatbibliothek seines Sohnes Gotthilf August Francke; Tübingen 20023, ISBN 3-924249-42-3.
- Helmut Obst: August Hermann Francke und die ökumenischen Dimensionen des Hallischen Pietismus; in Arno Sames (Hrsg.): 500 Jahre Theologie in Wittenberg und Halle 1502 bis 2002; Leipzig 2003, ISBN 3374021158
- Hermann Goltz: Das Collegium Orientale Theologicum August Hermann Franckes oder: Was aus der Utopie vom freyen campus zur Ehre Gottes in Halle werden kann. In: Arno Sames (Hrsg.): 500 Jahre Theologie in Wittenberg und Halle 1502 bis 2002; Leipzig 2003, ISBN 3374021158
- Erhard Peschke Die Theologie August Hermann Franckes; Bad Wildbad: Linea, 2007, ISBN 978-3-939075-14-1.
Weblinks
Wikisource: August Hermann Francke – Quellen und VolltexteCommons: August Hermann Francke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Druckschriften von und über August Hermann Francke im VD 17
- Literatur von und über August Hermann Francke im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- August Hermann Francke. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Website der Franckeschen Stiftungen zu Halle
- Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bekenntnisschulen – Schulen, die sich auf Francke beziehen und in einigen Fällen seinen Namen tragen
Vorgänger Amt Nachfolger (Gründung des Waisenhauses 1698) Direktor der Franckeschen Anstalten
1698–1727Johann Anastasius Freylinghausen Kategorien:- Pädagoge (17. Jahrhundert)
- Pädagoge (18. Jahrhundert)
- Hochschullehrer (Halle (Saale))
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- Lutherischer Theologe (18. Jahrhundert)
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