Schweizer Energiepolitik

Schweizer Energiepolitik

Für die Schweizer Energiepolitik setzen sich der Bund und die Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ein. Dazu gehört eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie ein sparsamer und effizienter Energieverbrauch.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anfänge

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen in der Schweiz Energieprobleme auf. Der Stromexport hatte stark zugenommen und die Elektrizitätswerke bauten die Leitungen nach eigenen Bedürfnissen auf. Man forderte deshalb ein Amt für Energie auf Bundesebene. 1930 wurde das «Eidgenössische Amt für Elektrizitätswirtschaft» erstellt. In den sechziger Jahren wurden die Aufgaben dieses Amtes auf Erdöl und Erdgas erweitert. Die Aufgaben waren aber noch eng begrenzt. Es konnte keine richtige Politik betrieben werden, welche die Zukunft hätte beeinflussen können. Mit den Erdölkrisen in den siebziger Jahren wurde klar, dass eine umfassendere Energiepolitik nötig war.

«Eidgenössische Kommission für die Gesamtenergiekonzeption (GEK)»

Damit der Bund eine Energiepolitik betreiben konnte, waren rechtliche Grundlagen nötig. Dazu wurde die «Eidgenössische Kommission für die Gesamtenergiekonzeption (GEK)» eingesetzt, welche zuerst einmal die Ziele der schweizerischen Energiepolitik zu formulieren hatte. Daraus resultierten das Energiesparen, die Energieforschung und die Vorsorgung als Hauptmittel zur Erreichung der Ziele. Danach erstellte die GEK einen Bundesverfassungsartikel, der nach einem zweiten Anlauf 1990 angenommen wurde. Dieser Artikel ist seither in der Verfassung als Artikel 89 mit der Überschrift «Energiepolitik» eingetragen.

Energie 2000

Nach einem Volksentscheid lief seit 1990 bis 2000 das Aktionsprogramm «Energie 2000». Die Ziele dieses Programms waren hauptsächlich das Reduzieren des Verbrauchs von nicht erneuerbaren Energien und der CO2-Emissionen. Weitere Ziele waren das Dämpfen des Elektrizitätsverbrauchs und die Förderung der erneuerbaren Energien. Diese Ziele waren quantifiziert, also in Zahlen ausgedrückt. Zur Erreichung der Ziele wurde auf freiwillige Massnahmen, energiepolitische Dialoge mit den Betroffenen und auf finanzielle Unterstützung vom Bund gesetzt. Dieses Aktionsprogramm zeigte zwar Wirkung, benötigte aber stärkere Massnahmen zur Erreichung der Ziele.

Energiegesetz und CO2-Gesetz

Auf den 1. Januar 1999 traten das Energiegesetz und die Energieverordnung in Kraft. Das Gesetz dient seither zur wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieherstellung, zur sparsamen Energienutzung und zur Förderung von einheimischen und erneuerbaren Energien.

Auf den 1. Mai 2000 trat das CO2-Gesetz in Kraft. Dieses Gesetz gehört eher zur Klimapolitik. Es legt verbindliche Ziele für die Reduktion des CO2-Ausstosses fest.

Gegenwärtige Energiepolitik

Atomausstiegsdebatte

In der Schweiz wurde und wird – aus Sicherheitsgründen und wegen der Endlager-Problematik – über den Atomausstieg debattiert. Vor der Nuklearkatastrophe von Fukushima war die Mehrheit gegen einen Ausstieg. Am 18. Mai 2003 wurde die Volksinitiative «MoratoriumPlus» mit 58,4 Prozent und die Initiative «Strom ohne Atom» mit 66,3 Prozent abgelehnt. 2008 bis 2011 (Fukushima) war in der Schweiz eine Debatte um den Bau neuer Kernkraftwerke im Gange. Die Stromversorger stellten insgesamt drei Standorte zur Auswahl, allesamt Lokalitäten bisheriger Kernkraftwerke. Es wird v. a. mit dem Auftreten einer Stromlücke nach der Stilllegung der älteren Anlagen – Kernkraftwerk Beznau und Mühleberg – argumentiert.[1] Die Atomgegner betonen die Möglichkeiten von Energieeffizienz-Massnahmen und der erneuerbaren Energien. Zudem steigen die Kosten für die Erzeugung des Nuklearstroms stetig, während Alternativenergie billiger wird. Gemäss Handelszeitung zerstreut die Atombranche Bedenken über eine Finanzierungslücke wegen unterschätzter bzw. geschönter Kosten für den Rückbau der bestehenden Schweizer Kernkraftwerke trotz des absehbaren Fehlens der nötigen Fachkräfte.[2] Für den Rückbau der in Betrieb stehenden Schweizer Kernkraftwerke wird ein Fond geäufnet; nach Laufzeiten der Schweizer Kraftwerke von 27, 31, 38, 38 und 41 Jahren ist der Fond mit 1,3 Milliarden von den 2,2 Milliarden Franken dotiert, welche für die Stilllegung einst berechnet wurden.[3] In Westeuropa wurden zuletzt vor etwa 20 Jahren Atomkraftwerke fertiggestellt. Dass der Neubau eines Kernkraftwerks heute sehr viel teurer ist als damals zeigt der seit 2003 im Bau befindliche 1600-Megawatt-EPR im Kernkraftwerk Olkiluoto: Sein Neubau wurde 2005 auf 3 Milliarden Euro geschätzt, 2008 auf 4,5 Milliarden Euro und 2009 auf etwa 5,47 Milliarden Euro (8,25 Milliarden SFr) geschätzt.[4]

Seit dem 25. Mai 2011, rund zweieinhalb Monate nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima, strebt der Bundesrat einen langfristigen Atomausstieg an. Es sollen keine neuen Werke errichtet werden; die vorhandenen sollen am Ende ihrer Betriebszeit vom Netz genommen werden.[5] Bei einer angenommenen Betriebsdauer von 50 Jahren würde 2019 als erstes das Kernkraftwerk Beznau I abgeschaltet, 2034 als letztes das Kernkraftwerk Leibstadt.[6] Der endgültige Entscheid über den Vorschlag des Bundesrat obliegt allerdings dem Parlament, wobei gegen eine entsprechende Gesetzesänderung das fakultative Referendum ergriffen werden kann. Der Nationalrat nahm am 8. Juni 2011 als erste Kammer Motionen an, welche den langfristigen Atomausstieg verlangen, der Ständerat soll im September über die Motionen befinden.[7]

Öffnung des Elektrizitätsmarktes

Am 1. Januar 2008 trat das Stromversorgungsgesetz (StromVG) in Kraft, welches eine Marktöffnung (Deregulierung) ermöglichen soll. Grosskunden mit einem Jahresverbrauch über 100.000 kWh können demnach ihren Anbieter selbst wählen, kleinen Verbrauchern steht kein Wahlrecht zu.

EnergieSchweiz

«EnergieSchweiz» ist das Nachfolgeprogramm von «Energie 2000» und lief von 2000 bis 2010. Die Ziele dieses Programms waren ähnlich wie die des Vorläufers. Dieses Mal wird die Umsetzung aber noch stärker angegriffen. Als Unterstützung dienen das Energie- und das CO2-Gesetz. Man will auch die Zusammenarbeit von Staatsorganen und den Verbrauchern stärken. Neben den quantifizierten Zielen will man auch das Energiebewusstsein in der Bevölkerung stärken. Die Probleme der Realisierung der Ziele liegen weniger im technischen als viel mehr im wirtschaftlichen und politischen Bereich.

Das Programm EnergieSchweiz wird weitergeführt (von 2011- 2020).[8]

«Energiestadt»

Mit dem «Trägerverein Energiestadt» wurde eine unabhängige Kommission ins Leben gerufen welche für «realisierte oder beschlossene ausgesuchte energiepolitische Massnahmen» ihr Label «Energiestadt» vergeben. Das Label anerkennt eine ergebnisorientierte und konsequente Energiepolitik. Derzeit wurden bisher 248 Gemeinden mit dem Label ausgezeichnet, deren zusammen 3,5 Millionen Einwohner rund 50 Prozent der Schweizer Bevölkerung ausmachen.[9]

Zukunft

Auch in weiterer Zukunft will die schweizerische Energiepolitik die Grundziele der beiden Energieprogramme verfolgen. Die Ziele kann man in vier Punkten zusammenfassen:

  • Versorgungssicherheit (möglichst keine Auslandsabhängigkeit mehr)
  • Umweltverträglichkeit (weniger Treibhausgase und Atommüll)
  • Wirtschaftsverträglichkeit (Energiekosten sollten erschwinglich sein)
  • Sozialverträglichkeit (landesweit gleiche Bedingungen bei der Energieversorgung)

Würde man diese Ziele fest anstreben, dann müsste man die zurzeit bedeutendsten Energieträger Erdöl, Uran und Erdgas abschaffen. Daraus ergäbe sich aber ein grosses Energieversorgungsproblem, wenn man keine ausreichenden Alternativenergien hätte. Ob die Energieträger, welche diesen Zielen gerecht würden (Wasserkraft, Sonnen- und Windenergie), in der Schweiz das Potenzial haben, die restliche Energieversorgung sicherzustellen, ist umstritten.

Hoffnungen auf neue Energien umfassen Wasserstoff in der Brennstoffzelle, Geothermie sowie die Kernfusion, welche sich jedoch im experimentellen Stadium befindet und ihren Beitrag zur Lösung des Energieproblems (falls überhaupt) frühestens in 50 Jahren liefern kann. Der Wasserstoffantrieb nähert sich der Alltagstauglichkeit; Mercedes-Benz und Honda erproben Fahrzeuge im Alltagsbetrieb.,[10][11] es gilt aber noch, die Probleme der Wasserstoffspeicherung in den Griff zu bekommen. Dagegen sind Geothermie-Anlagen schon seit mindestens 1985 zur Wärmegewinnung in Betrieb.[12]

Literatur

  • Ulbrich Zürni, Susanne: Möglichkeiten und Grenzen der Szenarioanalyse – Eine Analyse am Beispiel der Schweizer Energieplanung. Verlag für Wissenschaft und Kultur (2004). Erschienen unter ISBN 3-86553-101-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alpiq-Website; siehe zudem auch die angg. Bundesamts-Website
  2. «Ausstieg in Handarbeit» in der Handelszeitung am 31. März 2011
  3. Dossier Stilllegungsfonds BFE Schweiz
  4. Pascal Schwendener (5. Dezember 2009): Der AKW-Prototyp verbrennt Milliarden. Basler Zeitung. Abgerufen am 10. Dezember 2009.
  5. tagesschau.sf
  6. Die Schweiz steigt aus der Atomenergie aus. Neue Zürcher Zeitung, 25. Mai 2011, abgerufen am 25. Mai 2011.
  7. Nationalrat folgt Bundesrat in eine atomfreie Zukunft. Berner Zeitung, 8. Juni 2011, abgerufen am 10. Juni 2011.
  8. www.energieschweiz.ch
  9. www.energiestadt.ch
  10. Honda Brennstoffzellenauto
  11. Mercedes Brennstoffzellenauto
  12. Geothermie seit 1985 erprobt

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