Schwuler Lebensstil

Schwuler Lebensstil

Homosexueller Lebensstil (auch Lesbischer und Schwuler Lebensstil, englisch: Homosexual Lifestyle, Gay Lifestyle oder Same-sex Lifestyle, oder in gemischter englisch-deutscher Sprache: Lesbischer und Schwuler Lifestyle, Homosexueller Lifestyle) ist ein Schlagwort, das auf der pauschalisierenden Annahme beruht, der Lebensstil schwuler und lesbischer Menschen unterscheide sich generell von dem heterosexueller Menschen. Die Bedeutung des singularen Begriffs liegt in der rhetorischen Anwendung und ist nicht in der empirischen Wirklichkeit zu verorten.

Inhaltsverzeichnis

Verwendung

Die Begriffe werden vor allem von moralisch konservativen, homophoben Menschen verwendet. Im englischen Sprachraum, besonders in den USA, werden diese Bezeichnungen um einiges öfter verwendet als im deutschen Sprachraum. Von den dortigen Dokumenten werden die Bezeichnungen auch in andere Länder und Sprachen übernommen. Auf Deutsch wird vor allem der Begriff „homosexueller Lebensstil“ verwendet. Die von den damit beschriebenen Personen meist selbst verwendeten Ausdrücke schwul oder lesbisch kommen selten vor. Im Englischen dagegen kommt neben dem Begriff homosexual lifesyle auch der - prinzipiell für Schwule und Lesben gleichermaßen verwendbare - gay lifestyle recht oft vor, da die ursprüngliche Bedeutung von gay als „fröhlich, lebenslustig“ ihrer Ansicht nach im Kontrast zum Lebensstil steht.[1] Auch in der Ex-Gay-Bewegung wird dieser Begriff gerne verwendet und ist eine der wenigen Zusammenhänge, in denen gay statt homosexual verwendet wird.[2] Auch wird von vielen dort involvierten Menschen die Redewendung „when I was in The Lifestyle“ (deutsch: „als ich noch ‚Den Lebensstil‘ lebte“) in abgelegten „Zeugnissen“ oder Gesprächen verwendet.[3]

Außerhalb dieser Bereiche werden die Begriffe selten verwendet, und wenn, dann meist in der Mehrzahl, welche die Diversität der Lebensstile und Identitäten dieser heterogenen Gruppe widerspiegelt.[4] Dies spiegelt sich auch in Namen von Abteilungen und Positionen wider, welche sich um gleichgeschlechtliche Lebensweisen kümmern. Oder man beschreibt einen persönlichen Lebensstil. Schon André Gide (1869-1951) bemerkte, gespeist aus seiner eigenen Erfahrung, dass verschiedene Abarten von Homosexuellen in der heterosexuellen Welt in einen Topf geworfen werden, aber dass einige dieser Abarten eine scheinbar unüberwindbare gegenseitige Abscheu voreinander haben.[5] An zentralen Zielen wird trotz allem oft zusammengearbeitet.

Antihomosexuelle Beschreibung

Kontext und zugeschriebener Personenbereich

Konservative Menschen unterscheiden zwischen verschiedenen Lebenswegen, die für alle Menschen (nach dieser Denkweise) gleichermaßen offen stehen. Tendenziell tun sich konservative Menschen schwerer mit Veränderungen und ungewohnten Situationen als liberale.[6] Einerseits sehen sie einen vorgegebenen, als Optimum beschriebenen, heterosexuellen Lebensweg, der wenn irgendwie möglich von allen Menschen gelebt werden sollte.[7] In den Gedanken der konservativen Menschen wählt (engl: choose) jeder Mensch stattdessen den hier beschriebenen „homosexuellen Lebensstil“, sobald er sich durch das Coming-out entscheidet, offen homosexuell zu leben. Dies bedeutet aber nicht zwingendermaßen, dass auch die Homosexualität (meist beschrieben als homosexuelle Neigung) selbst gewählt ist. Da der „homosexuelle Lebensstil“ nach Ansicht vieler antihomosexueller Menschen notwendigerweise mit einem promiskuitiven Lebensstil verbunden ist, muss man nach diesem theoretischen Ansatz, um sich der Promiskuität zu entziehen, einen neuen Lebensstil wählen, der nicht mit Homosexualität, sondern mit Heterosexualität oder Asexualität verbunden ist. Gefühle gleichgeschlechtlicher Zuneigung habe man sich so weit wie möglich zu entledigen, da die Promiskuität durch die unterstellte Unmöglichkeit echter Liebe zwischen Männern bzw. Frauen, die Suche nach der eigenen Identität als Mann bzw. Frau und Rebellion gegen die etablierte Welt[8] entsteht. Jugendliche werden nach Ansicht konservativer Menschen durch homosexuelle Therapeuten oder Selbsthilfegruppen, in denen man Gleichgesinnte und freundlich gesinnte Heterosexuelle (in den USA: Gay-Straight-Alliances) treffen kann und gegen Ausgrenzung und Mobbing arbeitet, dazu gedrängt, genau diesen Lebensstil anzunehmen.[9][10] Der damalige polnische Ministerpräsident Jarosław Kaczyński unterstützte im März 2007 eine Gesetzesinitiative seines Bildungsministers Maciej Giertych mit den Worten: „Ich habe schon mehrfach gesagt: Ich bin für Toleranz. Aber jungen Menschen in den Schulen einen homosexuellen Lebensstil als Alternative zum normalen Leben vorzuschlagen, das ist schon übertrieben. Derartige Initiativen an den Schulen muss man beenden.“ ([11]) Wenn man nicht aktiv den „homosexuellen Lebensstil“ gewählt hat, sollte man sich nicht als Homosexueller bezeichnen.[9] Der Begriff homosexuell sollte also für einen ganz bestimmten Lebensweg, der gleichzeitig heftigst angegriffen wird, reserviert bleiben. Homosexuelle Frauen werden in diesem Kontext - wie so oft - um einiges seltener erwähnt, werden dann aber sehr ähnlich beschrieben, wenn auch nicht in dieser Intensität.

Für Ugandas Ethikminister James Nsaba Buturo versuchen Homo-Aktivisten dem Rest der Gesellschaft einen fremden, gottlosen, ungesunden, unnatürlichen und unmoralischen Lebensstil aufzubürden[12]. In Uganda ist Homosexualität strafbar. Als in Kalifornien ein Gesetzesentwurf eingebracht wurde, der vorsah, dass auch die Geschichte von Lesben und Schwulen in der Schule erwähnt werden sollte, wie schon jene von einer ganzen Reihe ethnischer Gruppen, empörte sich Karen England vom Capitol Resource Institute mit den Worten: „Die Aktivisten wollen ihren Lebensstil bereits unseren Sprösslingen im Kindergartenalter aufzwingen.“[13] Kirchenvertreter auf Trinidad protestierten gegen einen Auftritt von Elton John, da sein Besuch das Land empfänglich machen könnte, seinem Lebensstil zu folgen[14] (welcher im generell nach seinem Outing und einem Drogenentzug in den letzten 15 Jahren um einiges gesünder geworden ist[15]). Der US-amerikanische Prediger Jerry Falwell machte zwei Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 „Abtreibungen, Feminismus und schwulen Lebensstil“ dafür verantwortlich.[16] Der britische anglikanische Bischof von Carlisle Graham Dow sah in den Überschwemmungen des Jahres 2007 Gottes Strafe, weil „jede Art von Lebensstil jetzt als legitim angesehen wird“, insbesondere die seit Dezember 2005 bestehende zivilrechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften.[17]

Darstellung

In vielen Dokumenten und Erzählungen wird der Begriff zwar verwendet, aber nicht näher definiert. Selbst in einem 347-seitigen Handbuch von Love in Action, der größten und einer der ältesten Ex-Gay-Ministry des Exodus-International-Verbandes, wird der Begriff nicht erklärt[3]. Die damit gemeinten Informationen bekommt man hauptsächlich anderweitig durch Erzählungen oder zitierte Studien geliefert.

Der Begriff „homosexueller Lebensstil“ beinhaltet ein Konglomerat an Vorwürfen wie exzessives promiskuitives Sexualleben mit über 100 Sexualpartnern, riskanten Sexualpraktiken, Sexsucht, Gruppenvergewaltigung, Polygamie (natürlich ohne rechtlich gültige Ehen), Pädophilie, Päderastie, Verführung Minderjähriger zu diesem Lebensstil, Geschlechtsverwirrung, missbräuchliche und emotionell abhängige Beziehungen, Nikotinsucht, Alkohol- und Drogensucht, psychische Krankheiten als Auslöser oder Folge dieses Lebensstils (wie beispielsweise Depressionen), sexuell übertragbare Krankheiten, Folgekrankheiten, Essstörungen, Idol-Anbetung, unechte (da nur aufgesetzte) Fröhlichkeit sowie eine in etwa um 30 Jahre kürzere Lebenserwartung. Dies wird der als homogen dargestellten Gruppe „der Homosexuellen“, wobei Bisexuelle mit eingeschlossen werden, zugeordnet. Wenn ein Seelsorger oder Ex-Gay-Leiter sagt, dass er jemanden vor Homosexualität bewahren will, dann meint er damit alles vorher angegebene.[8][1] Darüber hinaus habe angeblich fast jeder Homosexuelle kindliche Erfahrungen mit Missbrauch, gehe keine lebenslangen Partnerschaften ein, und selbst wenn sie in Ausnahmefällen doch eine dauerhafte Partnerschaft eingehen, seien Schwule nicht in der Lage eine so tiefe Liebe wie Heterosexuelle zu empfinden.[18]

Externe Einflüsse für beispielsweise Depressionen oder Selbstmord werden oft negiert oder zu widerlegen versucht und die Auswirkungen werden alleinig auf die Wahl dieses Lebensstils zurückgeführt,[19] denn einen gesunden und glücklichen homosexuellen Menschen gibt es ihrer Ansicht nach nicht. Durch diese Sichtweise entsteht auch der Vorwurf an homosexuelle Menschen, dass für sie nur mehr der Sex wichtig ist und sie nur für ihre Sexualität leben obwohl meist die gesamtheitliche Sexualität und insbesondere der Sex nur einen recht bescheidenen Teil im alltäglichen Leben eines homosexuellen Menschen einnimmt.

Der Psychologe und Pfarrer der Southern Baptist Convention George Alan Rekers beschreibt die Auswirkungen wie folgt:

„Der homosexuelle Lebensstil ist mit gewaltigen sozialen und persönlichen Nachteilen in Form von emotionaler Dysfunktion in der Adoleszenz, Drogenmissbrauch, sexuell übertragenen Krankheiten, Problemen in der Schule, hohem Selbstmordrisiko und verkürzter Lebenszeit aufgrund anderer, nichtspezifischer Ursachen verbunden.“

George Alan Rekers: zitiert nach kreuz.net, 2007[20]

Er ist auch gegen die Pflege von Kindern in einem Haushalt, in dem ein homosexueller Erwachsener lebt, wegen großen Stress durch

„[Bewohner], die an psychologischen Problemen leiden, Substanzen missbrauchen; Stress vom Leben mit HIV oder mit Geschlechtskrankheiten infizierten Individuen; Stress durch ausgesetzt-sein schwuler Pornografie, Sexspielzeugen und unangemessenen sexuelle Aktivitäten, was einschließen kann, dass Gäste ins Haus kommen; Stress durch aktuellen oder potentiellen Missbrauch durch homosxuell-orientierte Individuen welche als ‚Eltern‘ oder Gäste agieren; und mehr.“

George Alan Rekers: Zusammengefasst bei NARTH, 2006[21]

Er tritt aus diesen Gründen auch explizit dafür ein bestehende langjährige Pflege- oder Adoptionsverhältnisse zu beenden und die Kinder und Jugendlichen auf andere Plätze zu geben, auch wenn diese Erlebnisse bekanntermaßen traumatisch für diese sind.[22]

Der Salzburger Weihbischof und Bischofsvikar für die Seelsorge an Ehe und Familie Andreas Laun verwendet manchmal den, in diesem Bereich eher seltenen, Ausdruck „homosexueller Lifestyle“ und sieht vor allem das Leid darin, seine Aussagen über diesen Lebensstil „nur als Warnung“ für die Betroffenen aus diesem aussteigen und für den Staat die Forderung die gesundheitlichen Probleme eines homosexuellen Lebensstils samt Folgekosten zu bedenken und unterschiedliche Strafvorschriften für hetero- und homosexuelle Menschen zu machen.[23][24][25][26] Als einzige Alternative zeigt er die Ansicht der römisch-katholischen Kirche von dauerhafter Enthaltsamkeit auf.

Von unglücklichen Menschen wird der „homosexuelle Lebensstil“ als unerfüllt, einsam, depressiv, störend, emotionell unbefriedigend und mangelnd an bedeutenden Beziehungen beschrieben, und dass ihnen gleichgeschlechtliche Sexualkontakte als Antidepressivum dienen.[27][28] Er wird auch als „selbstzerstörerischer Lebensstil, der dich töten kann“ beschrieben, besonders als Abschreckung gegenüber Jugendlichen[10] für die es nach dieser Ansicht eine wichtigsten Entscheidungen im negativen Sinne ist den „homosexuellen Lebensstil“ zu wählen.[29]

„Dann lebte ich den schwulen Lifestyle: erfolgreich, ständig auf Reisen, viel Geld, tolles Haus am Meer, Männer. Ich hatte alles. Und fühlte mich beschissen. Und war süchtig nach Sex. Zwei, drei Mal am Tag, ständig brauchte ich Selbstbestätigung. Ich war wie besessen. Wenn ich nicht an die Kirchengemeinde gekommen wäre, hätte ich mich irgendwann umgebracht.“

Frank Worthen von der New Hope Ministry in San Rafael (Kalifornien): SZ, 1999[30]

Nach der Meinung von Mark A. Yarhouse von der evangelikalen Regent University in Virginia soll sich jemand, der sich auf eine Gay Affirmative Psychotherapy statt einer Reparative Therapie einlässt, der weiteren Faktoren die ein „schwuler Lebensstil“ angeblich beinhaltet bewusst sein, wie: Zunahme depressiver Symptome, Alkohol- und Drogengebrauch, Suizidgedanken und eine ausgedehnte Verwendung von Sexualpraktiken welche das Risiko physischer Verletzungen und Krankheiten erhöhen.[31]

Das Southern Poverty Law Center beschreibt die Sprache der Ex-Gay-Bewegung wie folgt:

„Das Wort gay taucht fast nur in der in der Phrase gay lifestyle auf, welche im Wesentlichen als Beschreibung einer hedonistischen Mixtur aus One-Night-Stands und sexuell übertragbaren Krankheiten gesehen wird, welche zu frühem Tod oder Verlassenheit bei schwindender jugendlicher Schönheit kulminiert. Die Ex-Gay-Bewegung hat kaum Begriffe um die reale Welt zu beschreiben, in welcher Schwule und Lesben in Ämter gewählt werden, in Fernsehshows auftreten und Familien gründen.“

Casey Sanchez: Straight Like Me, 2007[2]

Joe hatte von 2000 bis 2005 bei Exodus vergeblich versucht seine sexuelle Orientierung zu ändern. Er hatte davor noch keinerlei sexuelle Erfahrung gesammelt und unternahm den Versuch wegen seines religiösen Konflikts und seiner tief empfundenen Angst.

„Ich hatte solche Angst ‚gay zu sein‘. Ich hatte so viele Ängste bezüglich des ‚gay lifestyle‘, wie er von den Leitern der Ex-Gay-Bewegung beschrieben wird: Promiskuität, Einsamkeit, Sucht, Krankheit, Tod. Ich befürchtete Zurückweisung durch Gott, durch die Familie und durch Freunde. Wer würde bei vollem Verstand so ein Leben wählen! Ich realisiere jetzt, dass ich nicht bei Sinnen war. Ich wurde betrogen.“

Joe ‚Moderate‘: 2008[32]

Nach Ansicht von konservativen Christen wird jemand, der einen „homosexuellen Lebensstil praktiziert“, nicht das Reich Gottes erben.[33] Nach Ansicht der röm.kath. Österreichischen Bischofskonferenz ist die Wahrheit zu verkünden. Die Verkündigung darf nicht dazu führen, dass „der ungeordnete homosexuelle Lebensstil“ akzeptiert oder bejaht wird, da dies den Betroffenen nicht helfen würde.[34]

In der Kultur homosexueller Menschen schlagen sich Teile solcher Darstellung in Karikaturen nieder. So heißt es bei Ralf König im Jahre 1988: „Schock: Homosexuelle treiben blutigen Analverkehr mit 1.000 Partnern im Jahr!“[35]

Problematische Berichte

Nach Ansicht antihomosexueller Menschen sind alle Schwulen vor allem sehr promiskuitiv („75% der homosexuellen Männer haben in ihrem Leben mehr als 100 Sexualpartner“; „der durchschnittliche männliche Homosexuelle in Amerika hat über 500 Partner“[36]) und unfähig langjährige, geschweige denn monogame Partnerschaften einzugehen. Nach Ansicht mancher sind männliche Homosexuelle immer promiskuitiv[37], weitgehend von unterschiedslosem Sex geprägt und Männer allgemein sexuell sadistisch.[36]

Dies wird gerne mit einer falsch interpretierten Studie (auch Dutch Study oder Amsterdam-Studie genannt) aus dem Jahre 2003 von Maria Xiridou et al., welche in einer Amsterdamer Klinik für Geschlechtskrankheiten arbeitet, untermauert. Das besondere an dieser Studie sind die extremen Zahlen, die zeigen sollen, dass schwule Beziehungen im Durchschnitt 1,5 Jahre dauern und es während dieser Zeit noch Sexualkontakte zu weiteren 12 Männern gibt.[38][39][40][41][42] Diese Auslegung wurde auch am 8. Oktober 2003 von der Nachrichtenagentur IDEA verbreitet[43]. Die Aussage ist ein Nebenprodukt der Studie, zu der bestehendes Datenmaterial einer Kohorte verwendet wurde, aus der monogam lebende Menschen explizit ausgeschlossen und recht viele HIV-positive Menschen inkludiert waren, um schneller Trends erkennen zu können. Es sollte mit mathematischen Methoden untersucht werden ob man die AIDS-Prävention auch auf Paare aus dieser extremen Risikogruppe ausdehnen soll.[44][45][46]

Eine andere oft zitierte Studie aus dem Jahre 1978 (vor dem Auftreten von AIDS) von Bell und Weinberg[47] bezieht sich auf eine nicht repräsentative Auswahl leicht bisexueller bis gänzlich homosexueller Männer, vor allem aus Bars, Nachtclubs, Schwulensaunen, Sex-Clubs und Cruising-Gebieten in San Francisco, der damaligen „City of Love“. Die Daten stammten aus den Jahren 1969 und 1970, wo die Flower-Power-Bewegung gerade ablaute, und auch viele junge heterosexuelle Menschen promiskuitiv lebten, wozu die Studie jedoch keine Vergleichszahlen enthält. Die Schwächen der Studie waren damals auch den Autoren bekannt.[48] Es ist dann zu erfahren, dass bei 75% der (weißen) homosexuellen Männer mehr als die Hälfte der Sexualpartner vollkommen fremde Menschen gewesen sind, beziehungsweise, dass sie mit mehr als der Hälfte ihrer Partner nur einmal Sex hatten. Außerdem gaben 74 %, 75 % beziehungsweise 70 % der schwulen, weißen Männer für ihr ganzes bisheriges Leben mehr als 100 unterschiedliche Sexualpartner an, 15 % hatten 200–249 Sexualpartner, 17 % hatten 250–499 Sexualpartner, 15 % hatten 500–999 Sexualpartner und 28 % schätzten mehr als 1000 Sexualpartner.[49][50][42][51][52]

Eine weitere gern verwendete Studie mit diesem Bezug[53][54][55] ist jene von Marcel T. Saghir und Eli Robins[56] aus dem Jahre 1973! Sie behauptet, dass nur 15% der Schwulen und 17.3% der Lesben jemals eine Partnerschaft von mehr als 3 Jahren hatten. Teilnehmer war eine schon damals nicht repräsentative Gruppe von 89 Männern und 57 Frauen aus San Francisco and Chicago, die heutzutage als noch weniger repräsentativ gilt.[57]

Auch eine Studie von Paul Van de Ven et al. mit dem Titel A comparative demographic and sexual profile of older homosexually active men[58] wird gerne zur Darstellung des „homosexuellen älteren Mannes“ in einer angeblichen Auswahl von meist angegebenen 2.583 Individuen mit ihren durchschnittlich 251, meist 101 bis 500 Sexualpartner pro Leben hergenommen. Des Weiteren sollen jeweils 10.2%–15.7% zwischen 501 und 1.000 und mehr als 1.000 Sexualpartner gehabt haben. Da es ältere Männer sind steht dies ja jedem Homosexuellen bevor, ist eine Intention. Außerdem werden folgende Zahlen zitiert: Nur 2,7 % hatten einen einzigen Sexualpartner in ihrem Leben, nur 14,7 % der 40–49-jährigen und nur 21,6 % der über 50-jährigen haben monogame Partnerschaften, 50,3 % der über 40-jährigen haben nur gelegentlich Sex und 62% der Männer über 50 waren irgendwann einmal verheiratet. Die einzelnen Angaben treten in unterschiedlichen Konstellationen auf.[19][59][60][42][61]. Konkretisierungen:

  • Als Grundlage für diese Studie über den Unterschied zwischen Männern über 50 Jahre und darunter wurden Daten einer 1992 durchgeführten und 1994 veröffentlichten Studie von Kipax et al. über das Sexual- und HIV-Risikoverhalten verwendet.[62] Teilnehmer waren 2.583 freiwillige Männer mit homo-, bi- und heterosexueller Identität, die innerhalb der letzten 5 Jahre wenigstens einmal mit einem Mann Sex hatten und in einem Telefoninterview befragt wurden. 2.580 Datensätze wurden in der neuen Studie von Paul Van de Ven et al. verwendet, da sie Altersinformationen enthielten. Nur 256 Probanden waren älter als 50 Jahre und es ist die kleinste Gruppe von sonst in etwa 500 bis 700 Probanden pro Altersgruppe.
  • 60,9 % dieser Gruppe bezeichneten sich selbst als homosexuell, 28,5 % als bisexuell. 3,9% der älteren bezeichneten sich heterosexuell. Die anderen 6,7 % gehen auf die Bezeichnungen Gay – was im Gegensatz zu den älteren vor allem unter 30-jährige für sich verwenden – straight (=hetero), Camp, Queer, anderes oder „weiß nicht/unsicher“.
  • Bei der Gruppe der älteren homosexuellen Männer weiß im Gegensatz zu allen anderen Altersgruppen am wenigsten die Umwelt davon. 62,9% der älteren Probanden waren irgendwann einmal verheiratet und 56,4 % haben Kinder, beides mehr als die jüngeren Probanden.
  • Die älteren Probanden hatten erwarteterweise mehr männliche Sexualpartner in ihrem Leben gehabt als die Jüngeren, genaue Vergleichszahlen sind aber nicht angegeben. 2,7% haben nur einen männlichen Sexualpartner gehabt, 21,6 % hatten 101–500 männliche Sexualpartner und jeweils zwischen 10.2%–15.7% hatten männliche Sexualpartner in den Bereichen 2–10, 11–20, 21–50, 51–100, 501–1000, oder [mehr als] 1000. Ein Durchschnittswert ist nicht angegeben und kann aus den vorhandenen Angaben auch nicht genau errechnet werden. Somit ist die Gruppe mit 101–500 männlichen Sexualpartnern zwar die größte Einzelgruppe, aber die meisten der Teilnehmer liegen darunter.
  • Während ihres ganzen Lebens hatten die über 50-jährigen Probanden auch noch zu 16,4% niemals Sex mit einer Frau, zu 19,5 % Sex mit nur einer Frau und 37,9 % hatten Sex mit 2–10 Frauen. Innerhalb der letzten 6 Monate hatten 28,5 % der älteren Männer Sex mit einer Frau und Vergleichsweise dazu 29,0% der Männer in allen Altersstufen zusammen.
  • Von den älteren Männern leben 52,7 % allein, 19,9 % leben mit einem weiblichen Sexualpartner und 13,7 % mit einem männlichen Sexualpartner. Wenige der älteren Schwulen leben mit einem platonischen Freund egal welchen Geschlechts oder mit einem Familienmitglied zusammen.
  • 48,6 % der älteren haben nur gelegentlich Sex. Die älteren Probanden leben – genauso wie Männer unter 25 Jahren – mehr als die anderen Altersgruppen in monogamen Partnerschaften und beide Altersgruppen haben am wenigsten reguläre und gelegentliche Verhältnisse nebeneinander.
  • Die Probanden allgemein wurden über folgende Wege rekrutiert: „Teile der organisierten Schwulengemeinde (Radio, Angebotsorte ), Fitnessclubs, Geschäfte, Publikationen); Plätze an denen Sexualkontakte angebahnt werden (in Gebäuden oder im Freien) und geringfügig in der [kommerziellen schwulen Sex]szene (‚organised gay communities‘ = schwule Bordelle, Gay-Sexshops, ‚beats‘, schwule Saunen); Gesundheitszentren welche von schwulen Männern frequentiert werden; und über Pornohändler“. Geworben wurde unter anderem mit Anzeigen mit „einem gewissen sexuellen Kitzel“.
  • Die meisten der älteren Männer haben von der Studie meist durch Mainstream-Zeitungen (11,4%) und Versandkataloge für Videos oder anderes (36,2%) erfahren. Sie haben gegenüber den anderen Altersgruppen am wenigsten über die Schwulenpresse (11,8%) oder Info-Karten (1,2%) von der Studie erfahren.
  • Es sind nicht alle Bereiche des Lebens von Männern, die mit Männern Sex haben abgedeckt. In der Studie selbst ist zu Beginn erklärt, dass sie um die Verschiedenheit der unterschiedlichen schwulen Gemeinschaften wissen, und dass es keine einheitliche schwule Gemeinschaft gibt. Die Daten lassen erwarten, dass es gleichgeschlechtlich sexuell aktive Männer geben kann, die relativ isoliert leben. Am Schluss der Studie wird extra davor gewarnt zu generalisieren. Ob sie repräsentativ ist, kann nicht gesagt werden, da es keine aussagekräftigen Daten dazu gibt, was über Männer, die mit anderen Männern Sex haben, in der Gesamtbevölkerung als repräsentativ angesehen werden könnte. Die Daten können nicht wahllos übertragen werden.
  • Die älteren Jahrgänge leb(t)en auf jeden Fall angepasster zur vorherrschenden heterosexistischen Ideologie als die Generationen nach Stonewall. Dies geschieht durch eingeschränkte Bekanntgabe ihrer sexuellen Orientierung, gegengeschlechtlicher Heirat und Familienleben. Relativ wenige leben in Schwulenvierteln, überproportional viele in ländlichen Gegenden, mehr als die Jüngeren. 62,9 % Prozent der befragten älteren Männer sind auf irgendeine Art in der Community verhaftet, viel weniger als jüngere Männer, und 37,1 % der älteren sind nicht in der Community verhaftet.

Die gerne verwendeten Studien von Paul Cameron, der sich explizit für die Ablehnung Homosexueller in jedem Bereich ausspricht, sind generell mit Vorsicht zu betrachten.[63] In einer wird darzustellen versucht, dass homosexuelle Männer durchschnittlich um Jahrzehnte kürzer leben. Nach einer Studie, die alleine auf der Auswertung von Zeitungsartikeln basiert und deshalb heftig kritisiert wurde stirbt der homosexuelle Mann auch ohne AIDS um 35,2 Jahre früher bei Unfällen, im Verkehr, durch Suizid, durch Mord oder Herzattacken.[64][65] Durch die heftige Kritik an der Verwendung seiner Studien, vor allem auch durch Ex-Ex-Gays, ging die Zitierungshäufigkeit seit 2007 etwas zurück und einige Organisationen haben alle oder viele Referenzen auf seine Arbeiten getilgt.

In manchen Berichten wird darauf hingewiesen, dass unter obdachlosen Jugendlichen die Gruppe der schwulen, lesbischen, bisexuellen und unsicheren Jugendlichen (LGBTQ) zu einem größeren Anteil Drogen missbrauchen, Depressionen haben oder Suizidversuche machen wie auch in der restlichen Bevölkerung[66]. Es wird aber auf so gut wie keiner Seite, auf der ein „homosexueller Lebensstil“ angegriffen wird, aufgezeigt, dass unter obdachlosen Jugendlichen sich auch ein überproportionaler Anteil als schwul, lesbisch oder bisexuell identifizieren. Die Daten schwanken dabei zwischen 20 und 40 Prozent. Diese Daten können zu einem großen Teil direkt auf mangelnde Akzeptanz zurückgeführt werden. Eine Studie von Pohan and Bailey für das FBI aus dem Jahre 1998 spricht von 30 bis 40 Prozent, und dass 26 Prozent jener, die sich zu Hause bewusst oder zufällig outen, wegen Konflikten mit den moralischen und religiösen Werten der Eltern aus dem Haus geworfen werden[67]. Viele haben körperlichen Missbrauch hinter sich, bei manchen Mädchen war eine Vergewaltigung geplant. Einige dieser trauen sich nicht in die üblichen Obdachlosenasyle für Jugendliche, da dort oft die physische Gewalt weitergeht, auch unter den Augen der Mitarbeiter.[68]

Da man Tote nicht befragen kann stützt man sich auf die Befragung von Menschen, die einen Suizidversuch angedacht, geplant oder überlebt haben. Jugendliche haben eine höhere Suizidversuchsrate und Homosexuelle ebenfalls. Jugendliche Schwule, Lesben, Bisexuelle und Unsichere (LGBTQ) haben eine relativ hohe Suizidversuchsrate. Das geht, egal wie eng man Suizidversuch definiert, aus allen Studien hervor. Manche sehen aus der Tatsache, dass bei LGBTQ-Jugendlichen oft nicht rollenkonformes Verhalten gegeben ist, den Hauptgrund für Suizidversuche in einer Geschlechtsidentitätsstörung („Gender-Identity Disorder“), die massiv behandelt werden sollen. Behandlungen gibt es angeblich ab dem Kleinkindalter. Darüber hinaus sehen sie dadurch einen direkten Zusammenhang in der Kette von sexuellem Kindesmissbrauch, Homosexualität und Suizid.[69][70] Das ganze wird aus der Sicht der Erzählungen ihrer Patienten erklärt. Wie es mit anderen Kindern ausschaut, die sich eine Zeit lang oder auf Dauer nicht rollenkonform verhalten, heterosexuell werden und keine Suizidversuche machen, wird nicht betrachtet. Eine Studie zeigt, dass heterosexuelle Jugendliche, die mit homophoben Aussagen in der Schule oder am Schulweg gemobbt werden, eine ebenso große Suizidversuchsrate haben wie LGBTQ-Jugendliche (20%) im Gegensatz zu anderen heterosexuellen Jugendlichen (6%) ohne solcher Diskriminierungserlebnisse.[71] Eine österreichische Studie zeigte als Risikofaktoren folgende auf: a) geringe soziale Unterstützung, besonders der eigenen Eltern (30 Prozent der Väter und 20 Prozent der Mütter seien zum Zeitpunkt der Befragung noch immer sehr negativ oder negativ zur Homosexualität ihres Kindes eingestellt gewesen) und hier auch die zeitnahen Reaktionen nach einem Coming-out; b) die persönliche Einstellung zur eigenen Homosexualität; c) Hoffnungslosigkeit; d) geringes Selbstwertgefühl; e) häufigere Suizidversuche im Bekanntenkreis.[72]

Um Sexuellen Missbrauch von Kindern in Zusammenhang mit Homosexualität zu setzen und die potentiell große Gefahr für Kinder zu untermauern – besonders in der Debatte um Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare oder Zulassung homosexueller Priester – wird gerne eine Arbeit von Timothy J. Dailey zitiert[73][74][75][76][77][78][79][80][81][82], Doktor der Religion und „Senior Fellow“ am Center for Marriage and Family Studies des Family Research Council[83]. Es gibt aber auch ähnliche Argumentationen von anderen Personen. Er argumentiert dass homosexuelle Männer in Gegensatz zu Kinseys 10 % in Wirklichkeit nur 1–3 % der Gesamtbevölkerung darstellen, die meisten Übergriffe durch Männer erfolgen und bis zu einem Drittel aller Missbrauchsfälle Burschen betreffen. Schwule wären also bei den sexuellen Übergriffen gegen Kinder stark überrepräsentiert, von ihnen ginge eine große Gefahr aus.[84][85] Es gibt einige Kritikpunkte gegen diese Arbeit, wobei der offensichtlichste die Unwissenschaftlichkeit der aufgestellten Vergleiche ist. So werden etwa zwei völlig verschiedene Definitionen von Homosexualität miteinander verglichen.[86] Einerseits sind bei den 1–3 % nur Männer mit einer nachhaltigen und überwiegenden homosexuellen Orientierung erfasst, die auch bei einer Befragung zu dieser Identität stehen. Zeitweise oder vereinzelte gleichgeschlechtliche Aktivitäten kommen jedoch deutlich öfter vor.[87] Bei der Statistik zu Missbrauchsfällen, jedoch, wird jeder Erwachsene, der auch nur eine einzige sexuelle Tat an einem gleichgeschlechtlichen Kind begangen hat, als homosexuell definiert, unabhängig davon, wie er bei einer Befragung zu seiner Identität stehen würde. Die genannte Zahl von einem Drittel liegt im oberen Bereich der Schätzungen, während die Zahlen zur sexuellen Orientierung eher im unteren Bereich der Schätzungen liegen. Auch werden Bevorzugungen von geschlechtsreifen gleichgeschlechtlichen Partnern (Ephebophilie) und gleichgeschlechtliche Pädophile vermengt. Zudem werden zur Untermauerung Aussagen von mehren Autoren zitiert, welche in ihren eigenen Arbeiten genau zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen. A. Nicholas Groth etwa, der 3000 Täter analysiert hat, sagt, dass jene die sich sowohl zu Kindern, als auch zu erwachsenen Personen hingezogen fühlen meist heterosexuell sind. Kurt Freund kommt zu dem Schluss, dass es vor allem die kindlichen Attribute sind, welche anziehend wirken und das Geschlecht bei vielen eine untergeordnete Rolle spielt. Gene G. Abel, der früher als Quelle angegeben war, kam zu dem Schluss, dass nahezu 80% der Männer, welche sich an Burschen vergangen hatten, heterosexuell oder bisexuell sind und die meisten dieser Männer verheiratet waren und selber Kinder hatten.[88] Groth verlangte nach der ersten Version im Jahre 2002 auch, dass Dailey die Verweise auf seine Arbeiten wegen Misinterpretation zu entfernen habe. Dem wurde auch nachgekommen, jedoch waren Groths Arbeiten zumindest bis 2005 noch indirekt referenziert.[87] In einer Studie aus einer Ambulanz waren die meisten Täter in heterosexuellen Partnerschaften mit nahen Verwandten und die Anzahl der als schwul oder lesbisch zu betrachtenden Täter im Bereich der Prävalenz innerhalb der Bevölkerung.[89]

Manche Webseiten bezeichnen eine Auswahl aus Fisten, Scat, Wasserspiele, Rimming, Vibratoren, Dildo, Doppeldildo und Umschnallartikel (Strapon mit Dildos) als gängige, übliche oder sogar häufigste schwule Sexualpraktiken.[90][91] Die oben angesprochene Studie von Paul Van de Ven et al. enthält eine ein wenig nach Sexualpraktiken aufgeschlüsselte Statistik und zeigt folgende nach Altersgruppen aufgeschlüsselte ungefähre Zahlen für jene, die innerhalb der letzten sechs Monate vor der Befragung sexuell aktiv waren: Streicheln: 98–99 %, Zungenküsse: 82–97 %, trockene Küsse: 84–97 %, gegenseitige Masturbation: 90–96 %, Oral-genitale Kontakte: 77–90 %, Fingerln: 53–76 %, Analverkehr: 51–61 %, Rimming: 32–62 %, Fisten: 4–10 %.[58]

Medien, Werbung und Gesellschaft

Klatsch und Tratsch beeinflussen die Meinung von Menschen stärker als die Wahrheit, sogar dann wenn Gerüchte durch eindeutige Beweise widerlegt werden.[92] Früher war das Bild des homosexuellen Menschen jenes eines Kriminellen und einer skandalösen Person. Selbst wenn er Opfer war, wurde das Bild in den Medien im Endeffekt oft umgedreht.[93]

Langsam begann in den 1980ern eine bis heute eine andauernde Welle der kommerziellen und medialen Aneignung von Schwulen, Lesben und Transgender, die sich auf Themen wie Musik, Mode und Filme, sowie andere Bereiche des Lifestyle und der Freizeitgestaltung konzentriert. Auch wurden Lesben und Schwule als neue (zahlungskräftige) Konsumenten entdeckt, auch von alltäglichen Großfirmen gezielt angesprochen, was über die Werbung wieder die Finanzierung spezifischer Medien oder Veranstaltungen ermöglicht. Fast jede Verbindung zu einer öffentlichen politischen Dimension von Homosexualität wird dabei unterbunden, es bleibt auf den Bereich des Privaten beschränkt, was dem Markt das Jonglieren mit modischer Nicht-Konformität erlaubt ohne gesamtgesellschaftlich ins Abseits zu driften. In dieser medialen Präsentation verschwindet die im realen Leben vorhandene soziale und ökonomische Heterogenität und wird als „lesbisch-schwuler Lebensstil“ vermarktet. In Abhängigkeit von den Zugangsmöglichkeiten zum Markt (nach Geschlecht, Klasse und Ethnie reguliert) erhalten nicht heterosexuelle Menschen ein „Recht“ auf einen „homosexuellen Lebensstil“ innerhalb vorgegebener (Freizeit-)Nischen. Andere Lebensbereiche und Lebensrealitäten, die dem Bild fröhlicher und schöner Menschen widersprechen, bleiben ausgeblendet. Das kommerzielle System selbst übt Druck auf die heterosexuelle Strukturierung des Begehrens aus, ohne das dies zwingenderweise mit einer sozialen und politischen Legitimation lesbischer und schwuler Lebensweisen einherginge, geschweige denn jene Identitäten, die sich einen eindeutigen sexuellen Definition entziehen.[94][95]

Manchmal drückt sich auch die unpolitische Haltung und die Überbetonung des „Stylish“ in der Ablehnung des Begriffs schwul und der Bevorzugung von gay aus.[96] Queer als Theorie prangert den Zwang zu einer eindeutigen sexuellen und geschlechtlichen Identität an, will sich von Identitätspolitiken lossagen, ist aber in der kapitalistischen Vergesellschaftung nicht wirklich vorgesehen und wird vor allem am politisch linken Rand besprochen. Queer ist als Sammelbegriff, für vieles was vermeintlich hip ist, in Mode gekommen und wird oft nur als Ersatz für „lesbisch-schwules Bündnis“ genommen.[94] Homosexuelle, die nicht einem bestimmten vorgegebenen Bild entsprechen, werden oft nicht als solche wahrgenommen, oder es wird ihnen sogar die homosexuelle Orientierung abgesprochen.[97]

Die erste relativ repräsentative deutsche Studie über schwule Konsumenten aus dem Jahre 2001 kristallisierte fünf möglichst unterschiedliche Konsumententypen heraus. Jede der Gruppen hat eine Größenordnung von etwa 15-23 Prozent. Wenige Parameter haben bei allen Gruppen dieselbe, aber unterschiedlich ausgeprägte, Tendenz. Dazu zählen auch einige wenige spezifische Lebenserfahrungen.[98] Selbst die fünf Typen sind ein sehr vereinfachtes Hilfsmittel für die Werbewirtschaft und dienen als Projektionsfläche für Kampagnen. Einen schwulen Lifestyle gibt es nicht, sondern verschiedene und streng genommen hat jeder einen eigenen, auch wenn sich manche ähneln, da sich Werte ähneln.[99] Nur etwa 40 % der Gesamtgruppe gehören zu den kurzfristig vielversprechenden Gruppen für strategisches Marken-Management. Dies beeinflusst dann auch klarerweise welche angesprochenen Gruppen in der Werbung auftauchen. Über Lesben ist so gut wie nichts bekannt.[100]

Komplementärbegriff

Der einzige wissenschaftlich logische Komplementärbegriff des „heterosexuellen Lebensstils“ (englisch: „Heterosexual Lifestyle“ oder „Straight Lifestyle“) ist von den Beschreibern des „homosexuellen Lebensstils“ so gut wie nicht definiert und wird selten erwähnt. Wenn der Begriff ernsthaft verwendet wird, so bezeichnet er meistens in überhöhter Weise den Spezialfall eines konservativen christlichen Lebensstils mit jungfräulich begonnener dauerhafter monogamer verschiedengeschlechtlicher Ehe oder andernfalls völliger Abstinenz. Auch unreine Gedanken sind Sünde.[51] Anderes Verhalten wird ausgeblendet. Meist wird der Begriff „heterosexueller Lebensstil“ jedoch in Parodien oder Diskussionen verwendet.

Würden dieselben manipulativen Techniken für die Beschreibung eines „heterosexuellen Lebensstils“ angewendet werden, so ergäbe sich für diesen ein ebenso verzerrtes und erschreckendes Bild[101][102].

Aus der Kritik, dass der „homosexuelle Lebensstil“ zu einem „normalen Lebensstil“ gemacht werden soll ergibt sich auch dieser Begriff, oder einfach Lebensstil ohne vorangestelltes „homosexuell“ als Komplementärbegriff, wird aber nicht weiter besprochen. Jarosław Kaczyński verwendete „normales Leben“ als Komplementärbegriff.[11]

Diversität

Für Heterosexuelle wie für Nicht-Heterosexuelle ist Lebensstil etwas Persönliches, Individuelles, und Lifestyle vor allem ein Marketingbegriff. Lebensstil ist keine Frage der sexuellen Orientierung. In der Realität variieren die Lebensentwürfe homo- und bisexueller Menschen genauso wie bei heterosexuellen Menschen. Manche bevorzugen lebenslange Partnerschaften und manche bleiben single. Hobbys, Berufe und Aktivitäten variieren genauso wie bei heterosexuellen Menschen[103] und sofern man sie lässt, ist dies auch sichtbar. Je nach vorhandenen Möglichkeiten kann man einen persönlichen Lebensstil leben. Man hat meist keinen „homosexuellen Lebensstil“, der den ganzen Tag zelebriert wird, sondern man ist einfach homo- oder bisexuell und hat eigene Werte, an denen man sich orientiert. Obwohl viele Schwule, Lesben und Bisexuelle wegen der oft darin enthaltenen Urteile Religion als abstoßend empfinden und aus den Religionsgemeinschaften austreten, gibt es einige, die ein glaubensbasiertes Leben führen, auch wenn sie manchmal nicht als „wirkliche Gläubige“ angesehen werden. Bei ihnen und anderen gibt es dauerhafte Partnerschaften, die auf Liebe basieren und in der es um Hingabe und Verpflichtung geht.[104]

Studien erfassen meist nur homo- und bisexuelle Männer und Frauen, die sich in der Subkultur oder sogar nur in einem Teil der Szene bewegen. Jene, die sich nicht in der Szene bewegen, sind meist unterrepräsentiert. Das gilt auch für langjährig monogam lebende Paare, speziell bei älteren Studien, wo die Szene auf das Notwendigste beschränkt war, da sich diese seltener in einer vor allem kommerziellen Vergnügungsszene blicken lassen oder sich auf Dauer zurückziehen und allein in ihrem Freundeskreis leben, ebenso wie heterosexuelle Paare. Eine Tendenz stimmt aber: Seitensprünge sind in gleichgeschlechtlichen Beziehungen häufiger vorzufinden und man spricht auch offen darüber.

„Der Grund dafür ist, dass gleichgeschlechtlich liebende Frauen und Männer nicht in den Normenkodex eingebunden sind, der vorschreibt, dass man monogam zu leben und treu zu sein hat und dass man, wenn man Seitensprünge macht, nicht darüber spricht. In der schwul-lesbischen Szene wird darüber gesprochen, es wird darüber auch in den Partnerschaften gesprochen. Im Grunde werden hier die Ratschläge aller Paartherapien verfolgt: Sprecht über eure Wünsche.“

Rüdiger Lautmann: Interview in Der Standard am 30. Mai 2005[105]

So manche heterosexuelle Beziehung bleibt vielfach in schweren Krisen nur bestehen, weil sich die Eltern ihren Kindern verpflichtet wissen. In den meisten gleichgeschlechtlichen Beziehungen fehlt dieses zusätzliche Bindeglied. „Fällt ein solches Motiv weg [...] so kommt es bei Konflikten verständlicherweise viel schneller zur Trennung.“[106] Dasselbe gilt logischerweise auch für kinderlose heterosexuelle Paare. Die erste Studie, welche sich mit der Interaktion gleichgeschlechtlicher Partner befasste, wurde erst 2003 veröffentlicht, auch wenn viele solcher Studien schon lange für gegengeschlechtliche Partnerschaften durchgeführt wurden.[107]

In gleichgeschlechtlichen Beziehungen kommen auch alle traditionellen Rollenbilder vor, da ja Schwule und Lesben heterosexuell sozialisiert wurden - und noch viele mehr. Eine Hochzeit wird derzeit nicht unbedingt wie in der heterosexuellen Welt als Lebensziel gehandhabt, sondern eher als Symbol[105][108]. Die real existierende, aber schwer allgemein quantifizierbare Promiskuität ist auch innerhalb der Szene und der Bewegung Gesprächsthema und wird auch immer wieder kritisiert, genauso wie einzelne Verhaltensweisen. Es wird daraus aber nie der Schluss gezogen, Homosexualität als solches zu verdammen, sondern sich zu ändern. Dabei wird auch der soziologische und historische Hintergrund nicht negiert.

Weblinks

Quellen

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