- Serious Game
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Unter Serious Games (englisch für ernsthafte Spiele) versteht man digitale Spiele, die nicht primär oder ausschließlich der Unterhaltung dienen, wohl aber derartige Elemente zwingend enthalten. Gemein haben Serious Games – sowie auch Lernspiele – das Anliegen Information und Bildung zu vermitteln; dies sollte in einem möglichst ausgeglichenen Verhältnis zu Unterhaltungsaspekten geschehen. Ein authentisches und glaubwürdiges, aber auch unterhaltendes Lernerlebnis steht im Mittelpunkt des Interesses, Genre, Technologie, Plattform und Zielgruppe variieren hingegen. Eine formale Abgrenzung zu reinen Unterhaltungsspielen ist nur schwerlich möglich, da immer die Art und Weise der Verwendung durch den Konsumenten entscheidend für das Erfüllen dieser Kriterien ist.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Serious Games haben sich zuerst im Bereich der Flugsimulationen entwickelt. So gab es schon auf Flohmärkten um 1910 erste mechanische Versuche.[1] Die erste digitale Flugsimulation geschah in einem eigens dafür gebauten Cockpit im Jahre 1958.[2] Im Zuge der Entwicklung brachte 1968 Clark C. Abt sein Buch über Serious Games heraus, damals noch mit dem Fokus auf Simulationen.
In den folgenden Jahren entwickelte sich vor allem der Bereich der digitalen Lernspiele weiter. Mit dem einsetzenden Computerhype in den 1990er Jahren öffnete sich der private Bereich für Serious Games. 2002 brachte die amerikanische Armee das Spiel „America’s Army“ heraus. Dieses Spiel war das bis dahin kostspieligste seiner Art. Es unterscheidet sich heute kaum von anderen „Shootern“. Im selben Jahr gründete sich die amerikanische Serious Games Initiative.[3] Im März 2009 fand die erste internationale IEEE-Konferenz für Serious Games und virtuelle Welten statt.[4]
Nutzen und Ziele
Serious Games versuchen die Lücke zwischen Bildung und der Anwendung von Wissen zu schließen. Hierbei wird auf eine zwar lange bekannte, in der Massenbildung aber selten berücksichtigte Erkenntnis zurückgegriffen. Der Mensch lernt leichter und lang anhaltender durch das Anwenden von Wissen. Durch die Zusammenführung von verschiedenen Themengebieten kann der Spieler umfassende, themenübergreifende Erfahrungen machen. Unterstützt wird der Lerneffekt durch den Spaß am Spiel. Der Spieler ist sich der Wissensvermittlung nicht unbedingt bewusst, lernt also passiv durch aktives Handeln. Soziale und lokale Einschränkungen der Menschen können durch Serious Games überwunden werden. Sie unterstützen das individuelle Lernen durch das Anwenden und Erwerben von Wissen und Erfahrungen durch wechselnde Bedingungen. Soziale, kulturelle und sprachliche Interaktion gilt beim Wissenserwerb als ein besonders kritischer Faktor zur Festigung von Wissen. Diese können durch Serious Games nachgebildet werden.[5]
Anwendungsbereiche
Bewegungstherapie
Hierzu zählen Serious Games, die es schaffen, den Spieler zu Sport und Bewegung zu animieren. So kann zum Beispiel die Augen-Hand-Koordination und Oberkörpermuskulatur über Wii Sports trainiert werden. Unabhängig von Alter und körperlichen Gebrechen kann hier allein oder in geselliger Runde für Spaß an der Bewegung gesorgt werden. Auch einfache Jump-’n’-Run-Spiele können je nach Anwender einem Bildungszweck entsprechen. So werden diese teilweise bei Rehabilitationstherapien eingesetzt, um dem Anwender die Fingerbeweglichkeit im Bezug auf Aufgaben, Reaktionsgeschwindigkeit und Augen-Finger-Koordination wiederherzustellen.[6]
Politik, Kultur und Werbung
Persuasive Games werden für Werbefachkräfte, politische Entscheidungsträger, Nachrichten-Organisationen und kulturelle Einrichtungen entwickelt. Es sind politisch-sozial motivierte Spiele, die der gesellschaftlichen Kommunikation dienen. Sie umfassen Bereiche wie Politik, Religion, Umwelt, Stadtplanung und Tourismus. Im Mittelpunkt steht die Macht der Spiele als ein überzeugendes Medium. Das Ergebnis ist ein leistungsfähiges durchdachtes Abenteuer, welches zu neuen Denkweisen führt.
Militärische Spiele
Spiele wie America’s Army sind Trainingssimulationen, die Einsatz in der Ausbildung und Rekrutierung von Soldaten finden. Die Spiele versuchen die Kriegsführung möglichst realistisch darzustellen, um den Anwendern die Gefahren, Strategien, Waffen und Fahrzeuge näher zu bringen.
Rekrutierungsspiele
Die Art von Serious Games soll dem Anwender Aufgabengebiete näher bringen, die sonst weniger im Rampenlicht stehen. Firmen versuchen sich über solche Spiele darzustellen und zu profilieren, um Azubis und Bewerber zu gewinnen. Zukünftige Aufgaben werden im großen Zusammenhang dargestellt und durchgeführt, so zum Beispiel „TechForce“, bei dem verschiedene technische Bereiche zu einem Endprodukt kombiniert werden, mit dem Ziel ein Rennen zu gewinnen.
Produktbildungsspiele
Hierbei sollen dem Anwender die Produkte eines Unternehmens näher gebracht werden. Der Anwender kann die Produkte in einer Simulation unter realen Umständen testen und sich von deren Funktionalität überzeugen. Fachliche Grundlagen, Umgang und Sicherheitsrisiken können dem Nutzer vermittelt werden.
Erwachsenenbildung
Dem Anwender wird über Realsimulationen und Planspiele die Möglichkeit eröffnet Erfahrungen zu sammeln. Aus Wissen generierte Handlungen können hier nach dem Trial-and-Error-Prinzip getestet werden. Theoretisches Wissen kann entweder vorher erworben worden sein oder wird während des Spiels vermittelt, das anschließend in einer virtuellen Praxis getestet werden kann.
Jugendbildung
Dem Anwender werden spannende Aufgaben und Missionen gestellt, die sie nur mit Wissen lösen können, das sie während des Spiels nach und nach entdecken. Die theoretischen Aspekte des Spiels werden in kleinen Mengen immer zur richtigen Zeit vermittelt, um die nächste Aufgabe lösen zu können und so die theoretischen Ansätze in der Praxis zu erproben.[7]
Abgrenzung
Serious Games nutzen verschiedene Elemente dieser Konzepte in unterschiedlicher Ausprägung. Sie können gemeinsam mit anderen gespielt werden und der Wissensaustausch kann in aktiver Kommunikation entstehen. Inhalte können als Vorinformationen für eine anstehende Aufgabe vermittelt oder während des Spielens gesammelt werden.
E-Learning
E-Learning umfasst alle elektronisch gestützten Methoden zur Wissensvermittlung. Beim E-Learning geht es primär um die Bereitstellung von theoretischem Wissen auf elektronischen Medien. Hierzu zählen:
- der virtuelle Klassenraum, in dem der Lehrer Unterrichtsmaterialien zum Selbststudium anbietet und die Videoübertragung des Frontalunterrichts,
- virtuelle Lerngruppen, der Wissensaustausch über Foren und Communities,
- Content-Sharing-Plattformen, die aufbereitete Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellen.
Beim E-Learning werden keine spielerischen Aspekte mit einbezogen. Die Wissensvermittlung ist aktiv und steht im Vordergrund.
Edutainment
Edutainment bildet ein Genre aus Bildung und Unterhaltung, das Inhalte spielerisch und unterhaltsam vermittelt. Hierzu zählen Computer- und Videospiele, Fernsehprogramme und andere elektronische, multimediale Vermittlungsmöglichkeiten, die sich auf themenübergreifende Wissensvermittlung spezialisiert haben. Die Inhalte werden nicht während des Spielens vermittelt, sondern das Spielen ist eine Art Belohnung für das Lernen.
Game-Based Learning
Game-Based Learning nutzt Spiele als Motivationsquelle, um Lerneffekte zu erzielen, und versucht dadurch den Leistungsdruck beim Lernen zu verringern. Dieses Konzept betrifft Lernspiele, die gezielt für Altersgruppen und unter pädagogischen Aspekten entwickelt wurden. Im Game-Based Learning kann erworbenes theoretisches Wissen unmittelbar praktisch getestet werden.
Trends und Entwicklungen
Formale Bildung
Zunehmend werden Serious Games auch an Schulen und Hochschulen eingesetzt. Vor allem bei den Natur- und Wirtschaftswissenschaften sowie in der Architektur kann das Lernen ideal mit der Unterhaltung kombiniert werden. Die Palette reicht dabei inzwischen vom virtuellen Chemielabor, in dem Experimente simuliert werden können, bis hin zur Konstruktion von Gebäuden wie Brücken, deren Statik spielerisch auf die Probe gestellt werden kann.
Mobile Endgeräte
Spätestens seit dem Durchbruch des Smartphones finden Serious Games nicht mehr ausschließlich am heimischen Rechner statt. Produkte wie Android Smartphones/Tablets und Apples iPhone können nahezu das leisten, wofür früher tragbare Spielkonsolen vonnöten waren. Die Geräte verfügen in der Regel inzwischen über eine mobile Internetverbindung, sind ausgestattet mit einer Kamera und GPS, was die Möglichkeit eröffnet, einen direkten Bezug zur tatsächlichen Umgebung und gegenwärtigen Realität zu schaffen. Man spricht von der „Augmented Reality“, der erweiterten Realität.
Soziale Netzwerke
Durch das Aufkommen von Anwendungen in sozialen Netzwerken haben auch Serious Games dort Einzug gehalten. Einen ganz entscheidenden Faktor macht hier die bereits vorhandene Community aus, nämlich der eigene Freundeskreis. Netzwerke wie Facebook ermöglichen es ihren Nutzern, sich mit seinen Kontakten innerhalb der Anwendungen zu messen und etwa Erfolge über die eigene Pinnwand mit den Freunden zu teilen. So kann eine Art Wettbewerb aufkommen, als populäres Beispiel sei an dieser Stelle „Brain Buddies“ genannt. Spielerisch werden dort individuelle Fähigkeiten in den Bereichen Gedächtnis, Logik, Rechnen und Optik trainiert und mittels der abstrakten Größe der Hirnmasse mit den eigenen Freunden verglichen. Ein aus Entwicklersicht erfreulicher Nebeneffekt ist somit die Multiplikatorwirkung des Anwenders.
Werbung
In digitalen Spielen hat längst die Werbung Einzug gehalten, inzwischen lassen Unternehmen sogar eigens Spiele entwickeln, die der Vermarktung ihrer Produkte dienen. Der Bereich der Serious Games bietet sich dafür besonders an, schließlich kann man beim Anwender auch einen Lerneffekt bezüglich des beworbenen Produkts und seiner Merkmale erzielen. Es lässt sich gewiss darüber diskutieren, inwieweit scheinbar zwanglose Unterhaltung mit Lerneffekt moralisch als Anreiz für Konsum vereinbar ist, die gewünschte Wirkung wird jedoch zweifelsohne relativ erfolgreich im Sinne der Unternehmung erzielt.
Literatur
- Jutta Blume: Wie würde ich handeln, wenn ich israelischer Premierminister wäre? Auf telepolis, 8. August 2006.
- Danny Kringiel: Schluss mit lustig. In: GEE Nr. 26, Oktober 2006. Onlineversion bei geemag.de
- Hilmar Schmundt: Daddeln statt demonstrieren. In: Der Spiegel Nr. 41/2007, 8. Oktober 2007. Onlineversion bei spiegel.de
- Jens Uehlecke: Kampf gegen die Killerzellen. In: Die Zeit Nr. 2/2008, 3. Januar 2008. Onlineversion bei zeit.de
Weblinks
Einzelnachweise
Kategorien:- Computerspiel-Genre
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