Shirin Ebadi

Shirin Ebadi
Schirin Ebadi bei einer Pressekonferenz des WSIS in Tunis 2005

Schirin Ebadi (persischشیرین عبادی‎ [ʃiːˈriːn ebɔːˈdiː]; * 21. Juni 1947 in Hamadan; auch Ibadi) ist eine iranische Juristin und Menschenrechtsaktivistin. Sie erhielt 2003 als erste muslimische Frau den Friedensnobelpreis.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Im Jahr 1969 schloss Ebadi ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Universität von Teheran ab und wurde die erste Richterin in der Geschichte des Irans. Von 1975 bis 1979 hatte sie einen Senatsvorsitz im Teheraner Stadtgericht inne. Nach der Islamischen Revolution 1979 war sie gezwungen, ihr Amt niederzulegen und arbeitete zunächst als Sekretärin bei dem Gerichtshof, den sie vorher leitete, später als Anwältin und Dozentin an der Teheraner Universität. 1994 war sie Mitbegründerin der Kinderrechtsorganisation Society for Protecting the Child's Rights, die beispielsweise die Gesetzgebung für Kinder verbessern will. So wird die Erhöhung des Strafmündigkeitsalters gefordert, die im Iran für Mädchen bei neun und für Jungen bei fünfzehn Jahren liegt.

Ebadi versteht sich als demokratische Frau moslemischen Glaubens. Sie setzt sich auf der Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für eine gleichberechtigte Rolle der Frauen im öffentlichen Leben, für die Rechte von Kindern und für eine Justizreform mit unabhängigen Richtern und Anwälten ein. Menschenrechtsverletzungen wie die Bestrafung durch Steinigung betrachtet sie als Missbrauch der Religion und Fehlinterpretation der Scharia. Sie fordert eine pluralistische demokratische Gesellschaft und lehnt fundamentalistisches Gedankengut ab. Ebadi unternimmt viele Reisen, um in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und politischen Gremien weltweit für die Rechte der Frauen und für eine friedliche Welt einzutreten. Sie ist mit einem Elektrotechnik-Ingenieur verheiratet und hat zwei studierende Töchter.

Shirin Ebadi übernimmt als Anwältin Fälle von liberalen Personen und Dissidenten, die mit der Justiz – einer der Bastionen konservativer Macht im Iran – in Konflikt geraten sind. Im Jahr 2000 wurde Ebadi aufgrund ihrer Tätigkeit als Verteidigerin vor Gericht angeklagt, verbrachte 26 Tage in Einzelhaft und wurde zu einer Bewährungsstrafe und zeitlich begrenztem Berufsverbot verurteilt. Dieser Fall lenkte die Aufmerksamkeit internationaler Menschenrechtsgruppen auf die Situation im Iran.

Im Herbst 2003 vertrat sie die Familie von Dariush Forouhar, eines Intellektuellen, der im November 1998 in seinem Haus erstochen aufgefunden wurde. Seine Frau Parveneh wurde zur gleichen Zeit ermordet. Die Eheleute waren zwei Opfer einer grausamen Mordserie, die Irans Intellektuelle erschütterte. Der Verdacht fiel auf extremistische konservative Kreise, die es sich zum Ziel gemacht haben, das von Präsident Mohammad Chātemī geförderte freiheitliche Klima – das vor allem die Redefreiheit stützt – zu sabotieren. Ein Jahr später wurde sie als Anwältin im Fall einer kanadischen Journalistin iranischer Abstammung tätig, die während ihrer Haft im Gefängnis eines gewaltsamen Todes gestorben ist.

Am 10. Oktober 2003 wurde Shirin Ebadi für ihre Bemühungen um Demokratie und Menschenrechte der Friedensnobelpreis verliehen. Das Auswahlkomitee würdigte insbesondere ihren mutigen Einsatz für die Rechte von Frauen und Kindern.[1][2] Mit der Entgegennahme des Friedensnobelpreises ohne Kopftuch setzte Ebadi ein Zeichen. Sie begründete dies damit, dass es im westlichen Kulturkreis jeder Frau selbst überlassen sei, wie sie sich kleide. Im Iran dagegen trage sie die gesetzlich vorgeschriebene Kleidung für Frauen, da sie sich als Juristin selbstverständlich an die zur Zeit geltenden Gesetze halte.

Anfang 2005 wurde sie, nach Angaben ihrer Anwältin, ohne Angabe von Gründen vom iranischen Revolutionsgericht vorgeladen. Ebadi lehnte es ab, dieser Aufforderung nachzukommen und verlangte, sich wegen einer privaten Anzeige vor einem normalen Gericht verantworten zu können. Damit bestreitet sie indirekt die Legitimität der, neben der normalen Justiz, existierenden Revolutionsgerichte. Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verurteilt entschieden den Umgang mit der Friedensnobelpreisträgerin. Hingegen bestreitet die iranische Regierung, dass es sich um einen bedeutsamen Vorfall handelt, da nur eine geringe Strafe zu erwarten sei.

Im Oktober 2005 hielt Ebadi auf Einladung der Stiftung Weltethos an der Universität Tübingen eine Rede, in der sie betonte, dass diejenigen, die unter Berufung auf die kulturellen Unterschiede und die Werterelativität sich weigern, die Menschenrechte einzuhalten, in Wirklichkeit rückständige Unterdrücker seien, die ihr diktatorisches Wesen unter der Maske der Kultur verdecken und im Namen der nationalen oder religiösen Kultur die Absicht hegen, ihre eigene Nation zu unterdrücken und zu terrorisieren. Die Welt werde nur dann zu Ruhe kommen und der Frieden werde nur dann dauerhaft sein, wenn die Menschenrechte umfassend und universell sind. Wie bei anderen Anlässen sprach sie sich auch hier gegen Militäraktionen gegen den Iran aus: „Die Menschenrechte kann man den Menschen gewiss nicht durch Bomben bringen“.[3]

Eine Demonstration für die Menschenrechte, an der in Teheran am 12. Juni 2006 ca. 5000 Personen (hauptsächlich Frauen) teilnahmen,[4][5] wurde gewaltsam zerschlagen, Ebadi festgenommen und wenige Tage später wieder auf freien Fuß gesetzt. Ihr 2002 mit anderen Juristen gegründetes Zentrum für Menschenrechte verbot das iranische Innenministerium am 5. August 2006. Die Organisation hatte sich für die Rechte von Minderheiten eingesetzt und Regimegegnern juristischen Beistand geboten. Shirin Ebadi wandte sich öffentlich gegen diese Maßnahme und legte Rechtsmittel ein, da das Zentrum im Rahmen der iranischen Gesetze gearbeitet habe. Schon im Juli 2006 hatte sie sich in einem Brief mit der Bitte um Hilfe an die internationale Öffentlichkeit gewandt.

Am 21. Dezember 2008 wurde ein Menschenrechtszentrum, das Ebadi leitete, in Teheran von den iranischen Behörden mit der Begründung geschlossen, davon gehe Propaganda gegen das System aus. Dort sollte der wegen politischer Aktionen gegen das Regime 17 Jahre lang inhaftierte Taki Rahmani in einer Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ausgezeichnet werden.[6]

Auszeichnungen

Werke

  • Shirin Ebadi u.a. Mein Iran. Ein Leben zwischen Revolution und Hoffnung. Pendo-Verlag, Starnberg 2006. ISBN 386612080X
  • The Rights of the Child. A Study of Legal Aspects of Children's Rights in Iran. (1994)
  • History and Documentation of Human Rights in Iran. (2000)
  • Rede anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises. In: Frauen leben für den Frieden. (siehe Literatur)

Literatur

  • Angelika U. Reutter, Anne Rüffer: Frauen leben für den Frieden. Die Friedensnobelpreisträgerinnen von Bertha von Suttner bis Schirin Ebadi. Piper, München 2004. ISBN 349224209X
  • Katajun Amirpur: Gott ist mit den Furchtlosen. Schirin Ebadi. Die Friedensnobelpreisträgerin und der Kampf um die Zukunft Irans. Herder, Freiburg 2004. ISBN 3-451-05469-8
  • Matthias Hannemann, Die guten Propagandisten. Der Iran, die Augen der Welt und der Friedensnobelpreis, in: Liberal - Vierteljahreshefte für Politik und Kultur, Nr. 46 (März 2004), S. 66-69. - Essay zur Funktion und Medieninszenierung des Preises

Weblinks


Einzelnachweise

  1. Nobelprize.org: The Nobel Peace Prize 2003, abgerufen am 12. Oktober 2007 (englisch)
  2. bbc.co.uk: Nobel winner's plea to Iran, abgerufen am 12. Oktober 2007 (englisch)
  3. weltethos.org: Fünfte Weltethos-Rede von Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi
  4. qantara.de: Protest gegen geplantes Familiengesetz in Iran: Freifahrtschein für polygame Männer, abgerufen am 8. Oktober 2008
  5. Amnesty International Deutschland: Urgent Action (Iran): Gewaltlose politische Gefangene / Drohende Misshandlung (UA-Nr: UA-052/2007-1), abgerufen am 8. Oktober 2008 (Google)
  6. Polizei schließt Büro von Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi Spiegel online 21.12.08
  7. BR online: Toleranzpreis für Schirin Ebadi: Menschenrechte in Zeiten der Gewalt
  8. Roland Berger Stiftung zur Verleihung 2009

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