Staatsrat der DDR

Staatsrat der DDR
Ehemaliges Staatsratsgebäude der DDR

Der Staatsrat der DDR war ab 1960 das kollektive Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung in der DDR

Der Staatsrat der DDR wurde 1960 nach dem Tod des ersten und einzigen Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, als Nachfolgeorgan des Amtes des Präsidenten der DDR geschaffen. Damit wurde der Staatsaufbau der DDR dem sowjetischen Vorbild weiter angeglichen. Grundlage war das „Gesetz über die Bildung des Staatsrates“ vom 12. September 1960, das die Verfassung der DDR von 1949 entsprechend änderte.

Der Staatsrat bestand aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern, 16 weiteren Mitgliedern und einem Sekretär. Dies war bis 1971 Otto Gotsche, danach Heinz Eichler. Stellvertretende Staatsratsvorsitzende waren jeweils alle Parteivorsitzenden der DDR-Blockparteien. Der Vorsitzende, die Stellvertreter des Vorsitzenden, die Mitglieder und der Sekretär des Staatsrates wurden für zunächst vier, seit 1974 fünf Jahre von der Volkskammer gewählt.

Erster Staatsratsvorsitzender war Walter Ulbricht, der gleichzeitig Erster Sekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED war. Die Stellung des Vorsitzenden des Staatsrats war zunächst noch hervorgehoben. So hieß es in Artikel 66 Absatz 2 der Verfassung von 1968: „Der Vorsitzende des Staatsrates vertritt die Deutsche Demokratische Republik völkerrechtlich.“

Nach dem Tod Ulbrichts 1973 wurde Willi Stoph zum Staatsratsvorsitzenden gewählt. Durch die Verfassungsänderung 1974 verlor der Staatsratsvorsitzende formal seine herausgehobene Stellung. Faktisch wurde aber auch später die Funktion des Staatsoberhauptes allein vom Vorsitzenden des Staatsrates ausgeübt − die anderen Mitglieder des Staatsrates hatten in der Praxis kaum Einfluss. Vom diplomatischen Protokoll her war ein Kollektivorgan als Staatsoberhaupt ohnehin problematisch.

1976 übernahm Erich Honecker, der bereits seit 1971 Erster Sekretär des ZK der SED war, das Amt des Vorsitzenden des Staatsrats und hatte seitdem – wie vor ihm bereits Ulbricht – die höchsten Ämter in Partei und Staat wieder in Personalunion inne.

Aufgaben

Der Staatsrat war laut Artikel 66 ff. der Verfassung der DDR von 1968 das formelle Staatsoberhaupt der DDR, im Gegensatz zu den nachrangigen obersten Staatsrepräsentanten, dem Vorsitzenden des Ministerrates als Chef der Regierung der DDR und dem Präsidenten der Volkskammer als Parlamentschef.

Zu seinen Aufgaben gehörten gemäß Artikel 66–75 der Verfassung der DDR

  • die Ausschreibung von Wahlen zur Volkskammer und den anderen Volksvertretungen,
  • die Berufung der Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates,
  • die Ausübung des Amnestie- und Begnadigungsrechts,
  • die Ratifizierung von internationalen Verträgen,
  • die Akkreditierung diplomatischer Vertreter,
  • die Verleihung staatlicher Orden und Auszeichnungen,
  • die Übernahme von Ehrenpatenschaften für kinderreiche Familien.

Bis 1974 konnte der Staatsrat Erlasse mit Gesetzeskraft beschließen und Vorlagen an die Volkskammer behandeln. Er legte die Verfassung und Gesetze verbindlich aus und entschied über den Abschluss von Staatsverträgen. Im Zuge der Entmachtung Ulbrichts verlor der von ihm geschaffene Staatsrat als Beratungs- und Entscheidungsgremium ab 1970 aber stark an Einfluss, was sich in der Verfassungsänderung von 1974 manifestierte. Seitdem war er im Wesentlichen ein Repräsentationsorgan.

Wichtige praktische Bedeutung hatte das Sekretariat des Staatsrates mit seinen circa 200 Mitarbeitern als Bearbeiter der Eingaben von Bürgern (im DDR-Jargon so genannte Staatsratseingaben), formal im Eingabenerlass vom 27. Februar 1961 geregelt. Behörden und Betriebe waren zur Auskunft und Zusammenarbeit verpflichtet.

Sitzung des Staatsrates am 25. Juni 1981. In der Mitte Erich Honecker.

Sitz des Staatsrates

Schloss Schönhausen

Der Staatsrat hatte nach seiner Gründung 1960 seinen Sitz zunächst im Schloss Schönhausen, wo zuvor schon Wilhelm Pieck als Präsident der DDR residiert hatte. 1964 zog er ins eigens hierfür erbaute Staatsratsgebäude am Marx-Engels-Platz 1 (seit 1994 wieder Schloßplatz) in Berlin-Mitte, wo er bis er zu seiner Auflösung verblieb.

Abschaffung in der Wende

Nach dem Rücktritt Honeckers von allen Ämtern während der Wendezeit übernahm Egon Krenz zunächst dessen Ämter. Bereits sechs Wochen später am 6. Dezember 1989 wurde jedoch der LDPD-Vorsitzende Manfred Gerlach Staatsratsvorsitzender. Hierdurch sollte die faktische Aufgabe der Führungsrolle der SED verdeutlicht werden.

Am 5. April 1990 wurde der Staatsrat bei der konstituierenden Sitzung der ersten frei gewählten Volkskammer durch eine Verfassungsänderung abgeschafft. Da für die absehbar kurze Übergangsphase bis zur Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland das Amt des Staatspräsidenten nicht mehr eingeführt werden sollte, wurde mit Artikel 75a der DDR-Verfassung das Präsidium der Volkskammer mit den Befugnissen des Staatsrates und der Präsident der Volkskammer mit den Befugnissen des Staatsratsvorsitzenden betraut. Sabine Bergmann-Pohl war damit als Volkskammerpräsidentin vom 5. April bis zum 2. Oktober 1990 das letzte Staatsoberhaupt der DDR.

Staatsräte in anderen Ländern

Ähnliche oberste kollektive Staatsräte gab es in der Sowjetunion (Präsidium des Obersten Sowjets), den Volksrepubliken Bulgarien und Polen, in Rumänien und in Jugoslawien.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Staatsrat der DDR – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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