- Standardfehler
-
Der Standardfehler oder Stichprobenfehler ist ein Streuungsmaß für eine Schätzfunktion für einen unbekannten Parameter der Grundgesamtheit. Der Standardfehler ist definiert als die Standardabweichung der Schätzfunktion , das heißt als die Wurzel aus der Varianz.
Der Standardfehler ist daher die durchschnittliche Abweichung des geschätzten Parameterwertes vom wahren Parameterwert. Je kleiner der Standardfehler ist, desto genauer kann der unbekannte Parameter mit Hilfe der Schätzfunktion geschätzt werden. Der Standardfehler hängt unter anderem ab von
- dem Stichprobenumfang und
- der Varianz σ² in der Grundgesamtheit.
Allgemein gilt: Je größer der Stichprobenumfang desto kleiner der Standardfehler; je kleiner die Varianz desto kleiner der Standardfehler.
Eine wichtige Rolle spielt der Standardfehler auch bei der Berechnung von Schätzfehlern, Konfidenzintervallen und Teststatistiken.
Inhaltsverzeichnis
Interpretation
Der Standardfehler liefert eine Aussage über die Güte des geschätzten Parameters. Je mehr Einzelwerte es gibt, desto kleiner ist der Standardfehler, und umso genauer kann der unbekannte Parameter geschätzt werden. Der Standardfehler macht die gemessene Streuung (Standardabweichung) zweier Datensätze mit unterschiedlichen Stichprobenumfängen vergleichbar, indem er die Standardabweichung auf den Stichprobenumfang normiert.
Wird mit Hilfe von mehreren Stichproben der unbekannte Parameter geschätzt, so werden die Ergebnisse von Stichprobe zu Stichprobe variieren. Natürlich stammt diese Variation nicht von einer Variation des unbekannten Parameters (denn der ist fix), sondern von Zufallseinflüssen, z. B. Messungenauigkeiten. Der Standardfehler ist die Standardabweichung der geschätzten Parameter in vielen Stichproben. Im Allgemeinen gilt: Für eine Halbierung des Standardfehlers ist eine Verdopplung des Stichprobenumfangs nötig.
Im Gegensatz dazu bildet die Standardabweichung die in einer Population (= Grundgesamtheit) tatsächlich vorhandene Streuung ab, die auch bei höchster Messgenauigkeit und unendlich vielen Einzelmessungen vorhanden ist (z. B. bei Gewichtsverteilung, Größenverteilung, Monatseinkommen). Sie zeigt, ob die Einzelwerte nahe beieinander liegen oder eine starke Spreizung der Daten vorliegt.
Beispiel
Angenommen, man untersucht die Population von Kindern, die Gymnasien besuchen, hinsichtlich ihrer Intelligenzleistung. Der unbekannte Parameter ist also die mittlere Intelligenzleistung der Kinder, die ein Gymnasium besuchen. Wenn nun zufällig aus dieser Population eine Stichprobe des Umfanges n (also mit n Kindern) gezogen wird, dann kann man aus allen n Messergebnissen den Mittelwert berechnen. Wenn nun nach dieser Stichprobe noch eine weitere, zufällig gezogene Stichprobe mit der gleichen Anzahl von n Kinder gezogen und deren Mittelwert ermittelt wird, so werden die beiden Mittelwerte nicht exakt übereinstimmen. Zieht man noch eine Vielzahl weiterer zufälliger Stichproben des Umfanges n, dann kann die Streuung aller empirisch ermittelten Mittelwerte um den Populationsmittelwert ermittelt werden. Diese Streuung ist der Standardfehler. Da der Mittelwert der Stichprobenmittelwerte der beste Schätzer für den Populationsmittelwert ist, entspricht der Standardfehler der Streuung der empirischen Mittelwerte um den Populationsmittelwert. Er bildet nicht die Intelligenzstreuung der Kinder, sondern die Genauigkeit des errechneten Mittelwerts ab.
Notation
Für den Standardfehler benutzt man verschiedene Bezeichnungen um ihn von der Standardabweichung σ der Grundgesamtheit zu unterscheiden und um zu verdeutlichen, dass es sich um die Streuung des geschätzten Parameters von Stichproben handelt:
- σn,
- oder
- .
Schätzung
Da in den Standardfehler die Standardabweichung σ der Grundgesamtheit eingeht, muss für eine Schätzung des Standardfehlers die Standardabweichung in der Grundgesamtheit mit einem möglichst erwartungstreuen Schätzer derselben geschätzt werden.
Konfidenzintervalle und Tests
Der Standardfehler spielt auch eine wichtige Rolle bei Konfidenzintervallen und Tests. Wenn die Schätzfunktion erwartungstreu und zumindest approximativ normalverteilt () ist, dann ist
- .
Auf dieser Basis lassen sich 1 − α Konfidenzintervalle für den Parameter θ angeben:
bzw. Tests formulieren, z.B. ob der Parameter einen hypothetischen Wert annimmt:
- vs.
und die Teststatistik ergibt sich zu:
- .
z1 − α / 2 ist das 1 − α / 2-Quantil der Standardnormalverteilung und sind auch der kritische Wert für den formulierten Test. In der Regel muß aus der Stichprobe geschätzt werden, so dass
gilt, wobei n die Anzahl der Beobachtungen ist. Für n > 30 kann die t-Verteilung durch die Standardnormalverteilung approximiert werden.
Standardfehler des arithmetischen Mittels
Der Standardfehler des arithmetischen Mittels ist gleich
- .
Herleitung
Der Mittelwert einer Stichprobe vom Umfang n ist definiert durch
Betrachtet man die Schätzfunktion mit unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen mit endlicher Varianz σ2, so ist der Standardfehler definiert als die Wurzel aus der Varianz von . Man berechnet unter Verwendung der Rechenregeln für Varianzen:
woraus die Formel für den Standardfehler folgt.
Falls gilt, so folgt analog
- .
Berechnung von σ
Unterstellt man eine Stichprobenverteilung, so kann der Standardfehler anhand der Varianz der Stichprobenverteilung berechnet werden:
- bei der Binomialverteilung mit Parametern
- ,
- bei der Exponentialverteilung mit Parameter λ (Erwartungswert = Standardabweichung = 1 / λ):
- und bei der Poisson-Verteilung mit Parameter λ (Erwartungswert = Varianz = λ):
Dabei bezeichnen
- die Standardfehler der jeweiligen Verteilung, und
- n den Stichprobenumfang.
Soll der Standardfehler für den Mittelwert geschätzt werden, dann wird die Varianz σ2 mit der korrigierten Stichprobenvarianz geschätzt.
Beispiel
Für die Eiscreme-Daten[1][2] wurde für den Pro-Kopf Verbrauch von Eiscreme (gemessen in Pint) das arithmetische Mittel, dessen Standardfehler und die Standardabweichung für die Jahre 1951, 1952 und 1953 berechnet.
Jahr Mittelwert Standardfehler
des MittelwertsStandard-
abweichungAnzahl der
Beobachtungen1951 0,34680 0,01891 0,05980 10 1952 0,34954 0,01636 0,05899 13 1953 0,39586 0,03064 0,08106 7 Für die Jahre 1951 und 1952 sind die geschätzten Mittelwerte und Standardabweichungen sowie die Beobachtungszahlen etwa gleich. Deswegen ergeben die geschätzten Standardfehler auch etwa den gleichen Wert. Im Jahr 1953 sind zum einen die Beobachtungszahlen geringer als auch die Standardabweichung größer. Daher ist der Standardfehler fast doppelt so groß wie die Standardfehler aus den Jahren 1951 und 1952.
Die grafische Darstellung kann mittels eines Fehlerbalkendiagramms erfolgen. Rechts werden die 95% Schätzintervalle für die Jahre 1951, 1952 und 1953 dargestellt. Wenn die Stichprobenfunktion zumindest approximativ normal verteilt ist, dann sind die 95% Schätzintervalle gegeben durch mit j = 1951,1952,1953 und die Stichprobenmittelwerte und die Stichprobenvarianzen.
Auch hier sieht man deutlich, dass der Mittelwert 1953 ungenauer geschätzt werden kann als die Mittelwerte von 1951 und 1952 (längerer Balken für 1953).
Standardfehler der Regressionskoeffizienten
Im klassischen Regressionsmodell für die einfache lineare Regression Yi = β0 + β1xi + Ui wird vorausgesetzt, dass
- die Störterme verteilt sind,
- die Störterme unabhängig sind und
- die Werte xi fix sind (also keine Zufallsvariablen),
wobei die gemachten Beobachtungen durchläuft. Für die Schätzfunktionen
- und
ergibt sich dann
- und .
Die Standardfehler ergeben sich zu
- bzw.
- .
Beispiel: Für die Eiscreme-Daten[1][2] wurde für den Pro-Kopf Verbrauch von Eiscreme (gemessen in halbe Liter) eine einfache lineare Regression mit der mittleren Wochentemperatur (in Fahrenheit) als unabhängige Variable durchgeführt. Die Schätzung des Regressionsmodells ergab:
- Pro-Kopf-Verbrauch = 0,20686 + 0,00311 * Temperatur.
Modell Nicht standardisierte Koeffizient Standardisierte
KoeffizientenT Sig. Regressionskoeffizienten Standardfehler Konstante 0,20686 0,02470 8,375 0,000 Temperatur 0,00311 0,00048 0,776 6,502 0,000 Zwar ist der geschätzte Regressionkoeffizient für die mittlere Wochentemperatur sehr klein, jedoch ergab der geschätzte Standardfehler einen noch kleineren Wert. Die Genauigkeit, mit der der Regressionskoeffizient geschätzt wird, ist gut 6,5 mal so klein wie der Koeffizient selbst.
Einzelnachweise
- ↑ a b Koteswara Rao Kadiyala (1970) Testing for the independence of regression disturbances. Econometrica, 38, 97-117.
- ↑ a b Eiscreme Daten Data and Story Library, abgerufen am 16. Februar 2010)
Kategorien:- Schätztheorie
- Zufallsvariable
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