- Exponentialverteilung
-
Die Exponentialverteilung ist eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung über der Menge der positiven reellen Zahlen, die durch eine Exponentialfunktion gegeben ist. Sie wird als Modell vorrangig bei der Beantwortung der Frage nach der Dauer von zufälligen Zeitintervallen benutzt, wie z. B.
- Zeit zwischen zwei Anrufen
- Lebensdauer von Atomen beim radioaktiven Zerfall
- Lebensdauer von Bauteilen, Maschinen und Geräten, wenn Alterungserscheinungen nicht betrachtet werden müssen. (MTBF)
- als grobes Modell für kleine und mittlere Schäden in Hausrat, Kraftfahrzeug-Haftpflicht, Kasko in der Versicherungsmathematik
Oft ist die tatsächliche Verteilung keine Exponentialverteilung, jedoch ist die Exponentialverteilung einfach zu handhaben und wird zur Vereinfachung unterstellt. Sie ist anwendbar, wenn ein Prozess die poissonschen Annahmen erfüllt.
Definition
Eine stetige Zufallsvariable X genügt der Exponentialverteilung mit dem positiven reellen Parameter , wenn sie die Dichtefunktion
besitzt.
Der Parameter g besitzt den Charakter einer Ereignisrate und 1 / g den eines Ereignisabstandes (mittlere Reichweite oder mittlere Lebensdauer).
Eine (vor allem im angelsächsischen Raum übliche) alternative Parametrisierung führt zur Wahrscheinlichkeitsdichte
- .
Die Beziehung zur obigen Parametrisierung ist dabei einfach μ = 1 / g. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird empfohlen, den Erwartungswert explizit anzugeben, also von einer Exponentialverteilung mit Erwartungswert 1 / g zu sprechen.
Eigenschaften
Den maximalen Wert nimmt die Dichtefunktion der Exponentialverteilung bei ein, er beträgt dort .
Median
Die Exponentialverteilung besitzt ihren Median bei
- .
Verteilungsfunktion
Die (kumulative) Verteilungsfunktion der Exponentialverteilung ist
Erwartungswert
Die Exponentialverteilung besitzt den Erwartungswert , denn
- .
Varianz
Die Varianz ergibt sich analog mittels
- .
Standardabweichung
Für die Standardabweichung ergibt sich
- .
Variationskoeffizient
Aus Erwartungswert und Varianz erhält man unmittelbar den Variationskoeffizienten. Es gilt
- .
Also gilt
- .
Weitere Streumaße
Die mittlere absolute Abweichung ist kleiner als die Standardabweichung, die mittlere absolute Abweichung bezüglich des Medians ist noch etwas kleiner.
Schiefe
Die Schiefe besitzt unabhängig vom Parameter g immer den Wert 2.
Charakteristische Funktion
Die charakteristische Funktion hat die Form
- .
Momenterzeugende Funktion
Die momenterzeugende Funktion der Exponentialverteilung ist
- .
Überlebenswahrscheinlichkeit
Da die Exponentialverteilung auch als Lebensdauerverteilung verwendet wird, ist es möglich, damit zusammenhängende Größen wie Überlebenswahrscheinlichkeit, die Restlebensdauer und die Ausfallrate mit Hilfe der Verteilungsfunktion anzugeben. So nennt man das Komplement der Verteilungsfunktion die Überlebenswahrscheinlichkeit
Damit ergibt sich unmittelbar die auf einen Zeitpunkt x0 bezogene bedingte Überlebenswahrscheinlichkeit
Die Exponentialverteilung ist also eine gedächtnislose Lebensdauerverteilung, d.h. die Überlebenswahrscheinlichkeit in Bezug auf einen bestimmten Zeitpunkt ist unabhängig vom bisher erreichten Alter. Im Gegensatz zur Weibull-Verteilung kann die Exponentialverteilung also nur für sogenannte ermüdungsfreie Systeme verwendet werden
Die Ausfallrate r(x) ergibt sich zu
Sie ist für die Exponentialverteilung zeitlich und räumlich konstant.
Gedächtnislosigkeit
Die Exponentialverteilung ist im folgenden Sinne „gedächtnislos“:
Das bedeutet: Ist bekannt, dass eine exponentialverteilte Zufallsvariable X den Wert x überschreitet, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie x um mindestens t überschreitet genau so groß wie die, dass eine exponentialverteilte Zufallsvariable (mit gleichem Parameter g) den Wert t überschreitet. Dieses Verhalten wird auch Markov-Eigenschaft genannt.
Die Gedächtnislosigkeit ist sogar eine definierende Eigenschaft der Exponentialverteilung; diese ist die einzig mögliche stetige Verteilung mit dieser Eigenschaft. Dies folgt direkt mit der Definition der bedingten Erwartung und der Cauchy-Funktionalgleichung. Das diskrete Pendant hierzu ist die geometrische Verteilung als einzig mögliche diskrete gedächtnislose Verteilung.
Weitere Eigenschaften
Sind stochastisch unabhängig, so ist
Beziehung zu anderen Verteilungen
Beziehung zur stetigen Gleichverteilung
Wenn X eine auf dem Intervall [0, 1] gleichverteilte stetige Zufallsvariable ist, dann genügt der Exponentialverteilung mit dem Parameter g.
Beziehung zur Normalverteilung
Sind die Zufallsvariablen X und Y standard-normalverteilt und unabhängig, so ist X2 + Y2 exponentialverteilt mit Parameter .
Beziehung zur geometrischen Verteilung
In Analogie zur diskreten geometrischen Verteilung bestimmt die stetige Exponentialverteilung die Wartezeit bis zum ersten Eintreffen eines seltenen Poisson-verteilten Ereignisses; die geometrische Verteilung kann also als diskretes Äquivalent zur Exponentialverteilung betrachtet werden.
Beziehung zur Gammaverteilung
- Die Verallgemeinerung der Exponentialverteilung, d. h. die Wartezeit bis zum Eintreffen des n-ten seltenen Poisson-verteilten Ereignisses wird mit der Gammaverteilung beschrieben. Die Exponentialverteilung mit Parameter g ist also identisch mit der Gammaverteilung mit Parametern 1 und g. Die Exponentialverteilung besitzt demnach auch alle Eigenschaften der Gammaverteilung. Insbesondere ist die Summe von n unabhängigen, -verteilten Zufallsvariablen Gamma- oder Erlangverteilt mit Parametern n und g.
- Die Faltung von Exponential-Verteilungen mit demselben g ergibt eine Gammaverteilung mit p=2, b=g.
Beziehung zur Gamma-Gamma-Verteilung
Ist der Parameter g der Exponential-Verteilung Exp(g) eine Zufallsvariable, die wie eine Gammaverteilung G(a,b) verteilt ist, dann ist die hervorgehende Zufallsvariable wie eine Gamma-Gamma-Verteilung G(a,b,1) verteilt.
Beziehung zur Pareto-Verteilung
Wenn X Pareto-verteilt mit Parametern α und 1 ist,dann ist log X exponentialverteilt mit dem Parameter α.
Beziehung zur Poisson-Verteilung
Die Abstände zwischen dem Eintreten seltener Ereignisse können häufig mit der Exponentialverteilung beschrieben werden. Insbesondere gilt, dass der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Poisson-verteilten Ereignissen exponentialverteilt mit dem Parameter g ist.
Herleitung: Sei w eine Orts- oder Zeitvariable und g die kleine konstante Eintretenshäufigkeit von Ereignissen im Einheitsintervall von w. Dann findet man mit den poissonschen Annahmen die Wahrscheinlichkeit für das nächste Eintreten eines Ereignisses im kleinen Intervall [w,w + Δw] als Produkt der Wahrscheinlichkeit, kein Ereignis bis w und eins im Intervall [w,w + Δw] zu haben:
Daraus ergibt sich nach Division durch Δw die Wahrscheinlichkeitsdichte der Exponentialverteilung mit g als Ereignisrate und 1/g als mittlerem Ereignisabstand.
Beziehung zur Erlang-Verteilung
- Für einen Poisson-Prozess wird die zufällige Anzahl der Ereignisse bis zu einem definierten Zeitpunkt mittels Poisson-Verteilung bestimmt, die zufällige Zeit bis zum n-ten Ereignis ist Erlang-verteilt. Im Fall n = 1 geht diese Erlang Verteilung in eine Exponentialverteilung über , mit der die Zeit bis zum ersten zufälligen Ereignis sowie die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Ereignissen bestimmt werden kann.
- Die Summe von n unabhängigen exponentialverteilten Zufallsgrößen genügt der Erlang-Verteilung n-ter der Ordnung .
Beziehung zur Weibull-Verteilung
- Mit β = 1 geht die Weibull-Verteilung in die Exponentialverteilung über. Mit anderen Worten: Die Exponentialverteilung behandelt Probleme mit konstanter Ausfallrate g. Untersucht man jedoch Fragestellungen mit steigender α > 1 oder fallender α < 1 Ausfallrate, dann geht man von der Exponentialverteilung zur Weibull-Verteilung über.
- Wenn X exponential-verteilt ist, dann ist Xα Weibull-verteilt.
Beziehungen zur χ²-Verteilung
Die χ²-Verteilung geht für n = 2 in die Exponentialverteilung mit dem Parameter über.
Anwendungsbeispiel
Die Exponentialverteilung ist eine typische Lebensdauerverteilung. So ist beispielsweise die Lebensdauer von elektronischen Bauelementen häufig annähernd exponentialverteilt. Hierbei spielt besonders die Gedächtnislosigkeit eine bedeutende Rolle: die Wahrscheinlichkeit, dass ein x Tage altes Bauelement noch mindestens t Tage hält, ist demnach genauso groß wie die, dass ein neues Bauelement überhaupt t Tage hält. Charakteristisch bei der Exponentialverteilung ist die konstante Ausfallrate g.
Dies ist zum Beispiel bei Glühlampen nur annähernd richtig, da diese nur beim Einschalten stark beansprucht werden. Auf Lebewesen darf ebenfalls keine Exponentialverteilung angewendet werden, sonst wäre zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass ein Achtzigjähriger noch weitere fünfzig Jahre lebt, genauso hoch wie die, dass ein Neugeborener das fünfzigste Lebensjahr erreicht.
Beispiel: In einer Elektronikfirma werden Funkwecker produziert. Im Rahmen der Qualitätssicherung wird anhand von Reklamationen die Funktionsdauer der Wecker untersucht. Es stellt sich heraus, dass durchschnittlich pro Tag 5 Promille der Wecker unabhängig von ihrem Alter ausfallen.
Die Zufallsgröße X = "Zeitdauer der Funktionsfähigkeit eines Funkweckers in Tagen" ist also exponentialverteilt mit der Ausfallrate g = 0,005. Entsprechend beträgt die durchschnittliche Zeitdauer, bis ein Wecker ausfällt, 1 / g = 200 Tage.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wecker höchstens (noch) 20 Tage hält, ist
d.h. nach 20 Tagen sind durchschnittlich ca. 10 % der Wecker ausgefallen.
Entsprechend ist der Anteil der Wecker, die mindestens 180 Tage aushalten,
also halten durchschnittlich ca. 40% der Wecker länger als 180 Tage.
Obwohl bei einer exponentialverteilten Lebensdauerverteilung am Anfang absolut betrachtet mehr Geräte ausfallen, ist die Ausfallrate konstant: in jedem Zeitintervall fallen relativ betrachtet immer gleich viele Geräte aus. Dieser Umstand darf nicht mit den Frühausfällen der Badewannenkurve verwechselt werden. Hier ist zu Beginn die Ausfallrate g höher und nicht konstant über die Lebensdauer. Zur Beschreibung der Badewannenkurve ist eine andere Lebensdauerverteilung (Weibull-Verteilung) notwendig.
Zufallszahlen
Zur Erzeugung exponentialverteilter Zufallszahlen bietet sich die Inversionsmethode an.
Die nach dem Simulationslemma zu bildende Inverse der Verteilungsfunktion F(x) = 1 − e − gx lautet hierbei . Zu einer Folge von Standardzufallszahlen ui lässt sich daher eine Folge exponentialverteilter Zufallszahlen berechnen. Einfacher kann stattdessen auch gerechnet werden.
Siehe auch
- Mortalität (Übergang von der Exponentialverteilung zur Weibull-Verteilung)
- Liste univariater Wahrscheinlichkeitsverteilungen
Weblinks
- Universität Konstanz – Interaktive Animation
- www.exponentialverteilung.de – Erklärung, Aufgaben, Veranschaulichung
Diskrete univariate VerteilungenDiskrete univariate Verteilungen für endliche Mengen:
Benford | Bernoulli | beta-binomial | binomial | kategorial | hypergeometrisch | Rademacher | Zipf | Zipf-MandelbrotDiskrete univariate Verteilungen für unendliche Mengen:
Boltzmann | Conway-Maxwell-Poisson | negativ binomial | erweitert negativ binomial | Compound-Poisson | diskret uniform | discrete-Phase-Type | Gauss-Kuzmin | geometrisch | logarithmisch | parabolisch-fraktal | Poisson | Poisson-Gamma | Skellam | Yule-Simon | Zeta
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