Steckenpferd (VEB)

Steckenpferd (VEB)

Der Volkseigene Betrieb (VEB) Steckenpferd war ein Unternehmen im Ursprungsstadtteil Radebeul der heutigen Stadt Radebeul, dessen Produkte Seifen und Kosmetika unter dem Markenzeichen Steckenpferd international bekannt waren. Das Unternehmen wurde 1885 gegründet, 1950 enteignet und 1991 erfolgreich reprivatisiert. Am bekanntesten wurde das Unternehmen durch die DDR-weite Steckenpferd-Bewegung, durch die sich die DDR mit konvertierbarer Währung dringend benötigte Schiffe beschaffen konnte.

Das Werksgelände der Schaumaplast Isolierstoffe, ehemals VEB Steckenpferd

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Internationales Privatunternehmen

1885 gründete Bruno Bergmann (1843–1929) in Dresden die Feinseifen- und Parfümfabrik Bergmann & Co. (im Volksmund „Seifen-Bergmann“). 1890 zog er mit dem Unternehmen nach Radebeul in die Hellerstraße 23. Der erfolgreiche Hoflieferant mit dem Steckenpferd-Signet produzierte medizinische, Haushalts- und Kinderseifen sowie weitere Kosmetika. Am bekanntesten war das Spezialerzeugnis, die Steckenpferd-Lilienmilchseife. Zur Expansion musste Bergmann vermutlich mit seinem Nachbarn reden, da ein Teil des späteren Betriebsgeländes noch 1880 der benachbarten Kaffeesurrogatfabrik Otto E. Weber gehörte.[1]

Alfred Bergmann baute sich 1904/1905 die Villa in der Marienstraße 5 aus.

Durch den internationalen Erfolg notwendig, unterhielt die Gesellschaft Zweigfabriken in Arnheim, Brüssel, Tetschen, Warschau und Zürich. Allein das Radebeuler Stammwerk beschäftigte in den 1920er Jahren mehr als 200 Mitarbeiter.

Initiator der Steckenpferd-Bewegung

1950 wurde das Unternehmen enteignet und 1954 nach seinem Markenzeichen in VEB Steckenpferd umbenannt. Ein Großteil der Erzeugnisse ging auch weiterhin in den Export.

Die Belegschaft des erfolgreichen Unternehmens beschloss 1958, den Exportplan um 100.000 US-Dollar überzuerfüllen. Anschließend wurde das Geld zum Kauf eines gebrauchten Handelsschiffes gespendet, da zu jener Zeit erst 18 % der DDR-Seehandelsbewegungen durch eine eigene Flotte erledigt werden konnten.[2] Dieser Initiative schlossen sich innerhalb kurzer Zeit DDR-weit 1600 weitere Betriebe zur sogenannten Steckenpferd-Bewegung an, sodass in den späten 1950er Jahren zahlreiche Schiffe außerplanmäßig beschafft werden konnten. Einer der Frachter erhielt nach dem initiierenden Unternehmen den Namen MS Steckenpferd.

Die Schiffe der Steckenpferd-Bewegung

„10.000 Tonnen-Frachter Steckenpferd seiner Bestimmung übergeben.“ (ganz rechts im Bild der Bug der Steckenpferd)

Nach dem Zeitpunkt des Aufrufs zur Steckenpferd-Bewegung wurden hauptsächlich schwedische Schiffsverkäufer angesprochen, da diese in Zeiten des Kalten Kriegs als neutral angesehen wurden. Von diesen wurden für die DDR-Handelsflotte die folgenden gebrauchten Handelsschiffe beschafft und für die Deutsche Seereederei Rostock (DSR) in Dienst gestellt (in Klammern das Übergabedatum an die DSR und die Herkunft):

Die „feierliche Indienststellung des Flaggschiffs der Steckenpferd-Flotte“, der MS Steckenpferd, wurde von der DEFA gefilmt und ist in dem Wochenschau-Dokumentarfilm Der Augenzeuge 1959/A 5 [3] zu sehen. Über diese unmittelbar der Steckenpferd-Bewegung zuzurechnenden Schiffe hinaus wurden diverse weitere, vor allem FDGB-Urlauberschiffe, als zur Bewegung zugehörend deklariert, beispielsweise die Völkerfreundschaft und die Fritz Heckert.

Umstellung der Produktionsbasis

1965/1966 wurde der Betrieb schrittweise von der Seifenproduktion auf die Herstellung von Isolier- und Verpackungsmaterialien aus Polystyrol umgestellt und später als Betriebsteil dem VEB Preßwerk Ottendorf-Okrilla angegliedert.

Nach dessen Abwicklung 1991 wurde das Unternehmen als Bergmann & Co. Treuhandbetrieb[4] reprivatisiert und kam als Schaumaplast Isolierstoffe GmbH zur Schaumaplast GmbH in Reilingen. Das Betriebsgelände wurde zum Schaumaplast Gewerbepark weiterentwickelt, in dem sich heute noch die Vertriebsgesellschaft befindet. Die Fabrikation von EPS-Teilen (expandiertes Polystyrol, Styropor) findet seit 1995 bei der Schaumaplast Sachsen GmbH in Nossen statt, wo es seit 2003 mit der Schaumaplast Nossen GmbH auch ein Werk für EPP-Teile (expandiertes Polypropylen, Neopolen-P) gibt.

Werke

  • Alfredy, C.[arl]: Mein Steckenpferd. Rheinländer für mittlere Stimmlage. Gewidmet der Firma Bergmann & Co, Radebeul - Dresden, Zürich (Auftraggeber). 2 Seiten. Musik-Verlag Metropol, Berlin um 1905.[5]
  • Bergmann & Co, Seifenfabrik Radebeul-Dresden (Hrsg.): Das Nibelungenlied. Ein deutscher Heldensang. Sammelbilderalbum. 1. Teil: Siegfrieds Tod / 2. Teil: Kriemhilds Rache. Hrsg. aus Anlass des 50jährigen Jubiläums der Firma 1885-1935. 1935.[6]

Literatur

  • Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9. 
  • Gerd Peters: Der Ankauf von Alttonnage-Schiffen für die DDR-Handelsflotte. Dichtung und Wahrheit um die Steckenpferd-Bewegung. In: Voll Voraus. Für Fahrensleute und Freunde der Seefahrt. Ausgabe Nr. 12, Mai 2007, S. 4/5. Typ IV-Fahrensleute e.V. (Hrsg.), Rostock 2007.
  • Wolfgang Jacob: Die „Steckenpferd“-Bewegung – Ankauf von Gebrauchttonnageschiffen aus zusätzlichen Exporterlösen. In: Panorama Maritim, 1989, H. 24, Seite 40-44. Deutsche Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte e.V., Tübingen.
  • Renate Schwärzel: Zur Bedeutung der Steckenpferdbewegung im Rahmen des sozialistischen Wettbewerbs im VEB Berliner Glühlampenwerk 1959/60. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (JWG) 1978/III, S. 207. Akademie Verlag, Berlin.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Curt Reuter; Manfred Richter (Bearb.): Chronik Radebeul. Radebeul 1966; 2010., S. 50 (Online-Version (pdf)).
  2. Gerd Peters: Der Ankauf von Alttonnage-Schiffen für die DDR-Handelsflotte. Dichtung und Wahrheit um die Steckenpferd-Bewegung. In: Voll Voraus. Für Fahrensleute und Freunde der Seefahrt. Ausgabe Nr. 12, Mai 2007, S. 4/5. Typ IV-Fahrensleute e.V. (Hrsg.), Rostock 2007.
  3. Dokumentarfilm der DEFA von 1959: Der Augenzeuge 1959/A 5
  4. Steckenpferd-Hautkrem-Schachtel von Bergmann & Co Treuhandbetrieb Radebeul
  5. Belegexemplar der Notenblätter für Steckenpferd-Seife befindet sich in der Medienkundlichen Sammlung Dr. Meyer, Nürnberg.
  6. Das Nibelungenlied. Ein deutscher Heldensang bei biblioman.ch

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