Steve Reich

Steve Reich
Steve Reich (2006)

Steve Reich, eigentlich Stephen Michael Reich [ɹaɪʃ] (* 3. Oktober 1936 in New York City, New York) ist ein US-amerikanischer Komponist, der vor allem im Bereich der Minimal Music bekannt ist und als einer ihrer Pioniere gilt, obwohl er in späteren Werken vom puren minimalistischen Stil Abstand nimmt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Steve Reich wurde 1936 als Sohn der Sängerin und Dichterin June Carroll und des Anwalts Leonard J. Reich geboren. Seine Eltern trennten sich bereits 1937, kurz nach seinem ersten Geburtstag. Er blieb beim Vater in New York, seine Mutter zog wenig später nach Los Angeles. Beide Eltern teilten sich das Sorgerecht, weswegen Reich zwischen 1939 und 1942 häufig mit seiner Gouvernante per Eisenbahn zwischen diesen beiden Orten pendelte. Diese Bahnfahrten erhalten später eine besondere Bedeutung dadurch, dass er sich in seinem Stück Different Trains (1988) explizit auf sie beruft. Reich stammte aus einer deutsch-jüdischen Familie, wird jedoch atheistisch erzogen. Sein Halbbruder Jonathan Carroll ist ein erfolgreicher Schriftsteller.

Reich wuchs in bürgerlich-vorstädtischen Verhältnissen auf und kam nach eigenen Angaben bis zu seinem 14. Lebensjahr nur mit Musik der klassisch-romantischen Periode (1750–1900) in Berührung. Er erhielt auf Betreiben seines Vater zwischen (circa) 1943 und 1946 Klavierunterricht, dem er jedoch wenig enthusiastisch gegenüberstand und den er mit 10 Jahren aus eigenem Willen abbrach.

Um 1950 hörte er erstmals Werke Johann Sebastian Bachs, beispielsweise die „Brandenburgischen Konzerte“, Neue Musik wie „Le sacre du printemps“ von Strawinski und Jazz (Charlie Parker, Miles Davis, Kenny Clarke), was ihn nachhaltig beeindruckte und dazu führte, dass er im selben Jahr Schlagzeugunterricht bei Roland Kohloff, dem späteren ersten Paukisten der New York Philharmonics, erhielt. 1953 beendete er die High School und gründete ein Bebop-Quintett, in dem er Schlagzeug spielte.

Im selben Jahr, mit 16 Jahren, schrieb er sich an der Cornell University in Ithaca, N.Y. für ein Bachelorstudium in Philosophie ein. Musik belegte er nur im Nebenfach, wurde jedoch durch den dortigen Professor für Musikgeschichte, William Austin, beeinflusst und bestärkt, Komponist zu werden. 1957 schloss er das Studium der Philosophie mit einer Arbeit über das Spätwerk Ludwig Wittgensteins ab. Ein kurzes Zitat Wittgensteins wurde später das Material für sein Stück Proverb (1995).

Eine weitere philosophische Laufbahn schlug er jedoch nicht ein, er sah sich als Komponist. Besonders die Musik John Coltranes faszinierte ihn, dessen lange Improvisationen über sehr wenige Akkorde. Reich nahm von 1957 bis 1958 privaten Unterricht bei dem Jazz-Komponisten und Pianisten Hall Overton und wurde mit 21 Jahren an der New Yorker Juilliard School im Fach Komposition angenommen. Dort studierte er bei Vincent Persichetti und William Bergsma, fühlte sich jedoch in diesem recht akademischen Umfeld nicht besonders wohl. Zu seinen Mitschülern gehörte auch der Komponist Philip Glass. Sein Instrument, das Schlagzeug, wurde nicht als vollwertiges Instrument anerkannt, was zu seinem Unbehagen beitrug. Außerdem hatte er ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater, der von den Plänen seines Sohnes nicht begeistert war.

1961 heiratete Reich seine erste Frau, Joyce Barkett, und zog mit ihr nach Kalifornien. Er studierte am Mills College in Oakland weiterhin Komposition, unter anderem bei Darius Milhaud und Luciano Berio. 1962 las er das Buch von Arthur Morris Jones über afrikanische Trommelmusik und begann neben dem Studium am San Francisco Tape Music Center zu arbeiten, einer künstlerischen Einrichtung, die sich mit Tonbandmusik beschäftigt. Er bemängelte die Unfreiheit in der Ausbildung, in der im Wesentlichen Aleatorik und Serialismus propagiert wurde, und verbrachte nachts viel Zeit mit Jazz. Im nächsten Jahr wurde sein Sohn Michael geboren und er trennte sich von Joyce Barkett. Außerdem schloss er sein Studium am Mills College mit dem Master of Arts ab.

Wenig später zog er wieder nach New York, wo er 1966 ein eigenes Ensemble „Steve Reich and Musicians“ gründete sowie in anderen Ensembles für Neue Musik mitspielte und Stücke für diese komponierte. Leben konnte er davon alleine jedoch nicht, von 1969–1971 arbeitete er an der New School for Social Research in New York, unterbrochen von einem Aufenthalt in Accra, Ghana, wo er 1970 an der University of Ghana für fünf Wochen Percussion-Unterricht bei Gideon Alorworye nahm.

In Europa waren die Arbeitsbedingungen und vor allem die Verdienstmöglichkeiten besser, weswegen er 1972 zusammen mit der Choreografin Laura Dean eine erste Europatournee unternahm und als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes auch Berlin besuchte. In den darauf folgenden zwei Jahren nahm er an Kursen zu balinesischer Gamelanmusik teil. 1976, im Alter von 40 Jahren, heiratete er seine jetzige Frau, die Videokünstlerin Beryl Korot, mit der er den Sohn Ezra bekommt. Er entdeckte seine jüdische Tradition und besuchte Israel 1977.

Seit Mitte der 1970er Jahre ist Steve Reich international einem breiten Publikum bekannt und erfolgreich. Er lebt immer noch in New York City, unternimmt jedoch ausgedehnte Tourneen mit seinem Ensemble.

Auf Einladung von Walter Fink war er 2002 der zwölfte Komponist im jährlichen Komponistenporträt des Rheingau Musik Festival.

Werk

Um 1958 begann Reichs aktive Schaffenszeit: Er beschäftigte sich mit elektronischer Musik und experimentierte eigenständig. Im Sommer 1970 studierte er Afrikanisches Trommeln am Institute for African Studies an der University of Ghana in Accra.

Angeregt durch Trommelstudien - unter anderem in Afrika - begann er, in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre kurze Tonfragmente (heute würde man „Samples“ sagen) aneinanderzureihen und deren Phasen zu verschieben. Reich verwendete dazu mehrere Tonbandmaschinen (Wollensa(c)k tape recorders). Dies ist in seinen Frühwerken, It's Gonna Rain, Melodica und Come Out zu hören. Diesen Werken folgten Werke für Klavier und elektrische Orgel (Four Organs, Piano Phase).

In den Folgejahren wandte er diese Techniken (s. Phasing) auch in Vokal- und Orchesterwerken an. Populär wurde Reichs Typing music, ein Stück aus seinem Werk "The Cave".

Auszeichnungen

2006 wurde er mit dem Praemium Imperiale („Nobelpreis der Künste“) in der Sparte Musik ausgezeichnet. Am 25. Januar 2007 wurde in Stockholm bekanntgegeben, dass Reich für „seine einzigartige Fähigkeit, mit Kanon-Techniken und minimalen Veränderungen von Klangmustern ein komplettes Universum von beschwörender Musik zu schaffen“, der Polar-Musikpreis des Jahres 2007 zuerkannt wird. Die Preisverleihung fand am 21. Mai statt.

Am 23. März 2009 erhält Reich für sein Werk Double Sextet den Pulitzer-Preis.[1]

Aktuell

Die Paul Sacher Foundation hat mit Steve Reich am 3. Dezember 2008 eine Vereinbarung zur Übernahme seines Musik-Archivs getroffen. Es wird der Forschung in Kürze im Archiv der Stiftung in Basel zur Verfügung stehen.[2]

Werke

  • It's Gonna Rain (1965)
  • Come Out (1966)
  • Melodica (1966)
  • My Name Is for speaking voices (1967)
  • Piano Phase (1967)
  • Violin Phase for violin and tape (1967)
  • Pendulum Music for microphones and amplifiers (1968)
  • Four Organs (1970)
  • Phase Patterns for four electric organs (1970)
  • Drumming (1970-71)
  • Clapping Music (1972)
  • Music for Pieces of Wood (1973)
  • Music for Mallet Instruments, Voices and Organ (1973)
  • Six Pianos (1973)
  • Music for 18 Musicians (1974-76)
  • Music for a Large Ensemble (1978)
  • Variations for Winds, Strings, and Keyboards for solo instruments and orchestra (1979)
  • Octet for flutes, pianos, woodwinds and strings (1979)
  • Marimba Phase (1980)
  • Tehillim for voices and ensemble (1981)
  • Vermont Counterpoint for flute(s) and/or tape (1982)
  • Eight Lines (1983)
  • The Desert Music for choir and orchestra (1984)
  • Sextet for two pianos, synthesizer and percussion (1984)
  • New York Counterpoint for clarinet(s) (1985)
  • Six Marimbas (1986)
  • Three Movements for orchestra (1986)
  • Electric Counterpoint for electric guitar(s) (1987)
  • The Four Sections, "concerto" for orchestra (1987)
  • Different Trains for string quartet (1988)
  • The Cave, multimedia oratorio in three parts (1990-93)
  • Duet (1993)
  • Typing Music (out of The Cave(1993)
  • Nagoya Marimbas (1994)
  • Proverb for voices and ensemble (1995)
  • City Life for ensemble (1995)
  • Nagoya Guitars (1994, transcribed 1996)
  • Three Tales, multimedia oratorio (1997)
  • Triple Quartet (1998)
  • Know What Is Above You for voices and percussion (1999)
  • Electric Guitar Phase (2000)
  • Tokyo/Vermont Counterpoint for marimbas (2000)
  • Dance Patterns for ensemble (2002)
  • Cello Counterpoint for cello(s) (2003)
  • You Are (Variations) for chorus and ensemble (2004)
  • Variations for Vibes, Pianos and Strings (2005)
  • Daniel Variations for chorus and ensemble (2006)[3]
  • Double Sextet (2007)
  • 2x5 (2008)
  • Mallet Quartet (2009)
  • WTC 9/11 (2010)

Literatur

  • Keith Potter: Four Musical Minimalists: La Monte Young, Terry Riley, Steve Reich, Philip Glass. In: Music in the Twentieth Century series. Cambridge University Press, Cambridg 2000.
  • Steve Reich, Paul Hillier (Hrsg.): Writings on Music, 1965-2000. Oxford University Press, April 2002, ISBN 0-19-511171-0, S. 272.
  • Steve Reich: Writings About Music. Press of the Nova Scotia College of Art and Design, Halifax 1974, ISBN 0-919616-02-X, S. 78.

Film

  • Steve Reich, Phase to Face. Dokumentation, Frankreich, 2009, 52 Min., Regie: Éric Darmon und Frank Mallet, Produktion: Arte France, Mémoire Magnétique, deutsche Erstausstrahlung: 28. September 2009, Inhaltsangabe von arte - DVD Veröffentlichung 02/2011 bei EuroArts Katalog Nr. 3058128

Weblinks

 Commons: Steve Reich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Pulitzerpreis-Homepage
  2. offizielle Pressemeldung auf der Homepage der Paul-Sacher-Stiftung (in englisch)
  3. Steve-Reich-Homepage

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