Stirnsatz

Stirnsatz

Ein Satz ist eine aus einem Wort oder mehreren Wörtern bestehende in sich geschlossene sprachliche Einheit [1], mit der eine Sprechhandlung (Aussage, Frage, Aufforderung ...) vollzogen wird.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Die „Definition der Einheit Satz stellt eines der großen Probleme sprachwissenschaftlicher Theorien dar.“[2] Es existieren annähernd 200 Definitionen von Satz [3]. Jede linguistische Schule entwickelt ihren eigenen Satzbegriff[4]. Die unterschiedlichen logischen, philosophischen, kommunikationswissenschaftlichen und psychologischen Perspektiven werden als „kaum miteinander in Einklang“[5] zu bringen angesehen. Entsprechend wird angenommen, „dass sich hinter der Bezeichnung Satz nicht ein einzelner Begriff, sondern eine ganze Familie sich überschneidender Begriffe steht.“ [6]

Definitionsbefund

Hier können nur einige verbreitete Definitionen des Satzes wiedergegeben werden:

  • Schulduden:

Eine Schulduden-Definition[7] des Satzes ist: „Der Satz ist eine geschlossene sprachliche Einheit, die sich aus kleineren Einheiten (Wörtern und Wortgruppen) zusammensetzt.“

Da es auch Sätze mit einem Wort gibt (Beispiel: Geh!), kann mit einer solchen Definition der Satz nicht vom Wort unterschieden werden. Es ist auch unklar, was mit dem Begriff sprachliche Einheit gemeint ist. Auch eine Wortgruppe (Syntagma) ist eine in sich geschlossene sprachliche Einheit. So ist in der obigen Definition die Wortfolge in sich geschlossene sprachliche Einheit eine in sich geschlossene sprachliche Einheit, ohne dass nach der Dudendefinition klar wäre, wodurch sich eine solche Wortgruppe von einem Satz unterscheiden soll.

  • Duden-Grammatik:

Die Duden-Grammatik[8] bietet mehrere Satzdefinitionen an:

    • Variante I: „Ein Satz ist eine abgeschlossene Einheit, die nach den Regeln der Syntax gebildet worden ist.“[9]

Diese Definition ist ersichtlich zirkulär, da Syntax der fachsprachliche Ausdruck für Satzlehre ist. D.h. nach der Variante I ist eine sprachliche Einheit ein Satz, die nach der Lehre vom Satz ein regulärer Satz ist. Dazu muss man aber zum einen wissen, was ein Satz ist.

Zum anderen sind auch syntaktisch falsche Sätze Sätze (Beispiele: *Gehen ich morgen in die Stadt.; Ich habe fertig! (Trapattoni)). Auch gibt es nicht regelgerecht gebildete Sätze, die akzeptiert werden (Akzeptabilität trotz fehlender (schulmäßiger) Grammatikalität). So bei bewußten Verstößen gegen Selektionsbeschränkungen (Beispiel: Du bist die Sonne! (als Liebeserklärung); Wir sind Papst (Bild-Zeitung)).

    • Variante II: „Ein Satz ist die größte Einheit, die man mit den Regeln der Syntax erzeugen kann.“[10]

Diese Definition lehnt sich an die Satzdefinition von Bloomfield an, der den Satz „als größte selbständige syntaktische Form, die durch keinerlei grammatische Konstruktionen ihrerseits in eine größere syntaktische Form eingebettet ist“ [11] definierte und dessen Satzdefinition als die des amerikanischen Strukturalismus gilt [12].

Auch diese Definition teilt die Zirkularität mit der Variante I der Duden-Grammatik. Zudem sind nach dieser Definition Nebensätze keine Sätze, sondern nur Satzglieder [13]. Diese rein formale Definition erscheint auch bedingt durch die meaning (Bedeutungs-) - Feindlichkeit des amerikanischen Strukturalismus in seiner behavioristischen Fassung.

    • Version III (Verbalsatz[14]): „Ein Satz ist eine Einheit, die aus einem finiten Verb und allen vom Verb verlangten Satzgliedern besteht.“[15]

Die Wörter wir und die Wortgruppe zogen nach dem Süden sind im Normalfall für sich genommen noch kein Satz. Die Wortfolge Wir zogen nach dem Süden hingegen schon. Möglich ist aber auch elliptische Verwendungsweise (Beispiel: ´zogen nach dem Süden. Um das Glück zu finden. Und fanden es doch nicht.)

  • Satz als Subjekt und Prädikat - Einheit

Der Satz wird auch definiert als sprachliche Einheit, die aus Subjekt und Prädikat besteht [16]. Dies soll auf Aristoteles zurückgehen [17].

Entsprechend definiert die traditionelle Grammatik den Satz als bestehend aus: Satzaussage (Prädikat), Satzergänzung (Objekt) und Satzgegenstand (Subjekt). Unter dem Einfluß des nicht-aristotelischen Prädikatsbegriffs der modernen Logik kann auch formuliert werden, dass Satz im Sinne einer Aussage aus der Benennung eines Objekts (Subjekt) und die Verbindung des benannten Objekts mit einer Eigenschaft i. w. S. (Prädikat) bestehe[18].

Damit wird jedoch nicht der grammatische Satz im Allgemeinen, sondern nur der Deklarativsatz in der Perspektive der traditionellen oder modernen Logik beschrieben. Satz im engeren Sinn ist für die Logik eine "sprachliche Form", deren Eigentümlichkeit es ist, wahr oder falsch zu sein. [19]. Werden in der modernen Philosophie und Logik auch Satz und Deklarativsatz häufig in gleichem Sinne (synonym) verwendet [20], so werden durch eine solche definitorische Engführung Fragesätze, Befehlssätze und Wunschsätze etc. nicht erfasst.

  • Satz als Rede- oder Textelement

Der Satz wird auch definiert als Grundeinheit, aus der eine Rede oder ein Text besteht. [21]

Damit wird aber die Schwierigkeit, den Satz zu definieren, mit der Schwierigkeit, die Rede oder den Text zu definieren, eingetauscht. Zudem gibt es das 1-Wort = 1-Satz = 1-Text - Phänomen (Beispiel: Hilfe !).

  • Satz als kommunikative Einheit

Der Satz erscheint so nur pragmatisch kommunikativ definierbar. So definierte schon Bühler Sätze als "die einfachen selbständigen, in sich abgeschlossenen Leistungseinheiten oder kurz die Sinneinheiten der Rede." [22]. Ähnlich kann Satz auch definiert werden als „jede selbständige, abgeschlossene sprachliche Äußerung, die in einem kommunikativen Handlungszusammenhang geäußert wird (und prinzipiell verstanden werden kann)" [23] oder als kleinste kommunikative Verständigungseinheit, durch die ein Sprechakt vollzogen wird [24].

Satzklassifikation

Sätze können nach unterschiedlichen Gesichtspunkten eingeteilt werden. Unter anderem:

  • in kommunikativer Hinsicht (Satzarten) in (insbesondere): Deklarativsatz, Fragesatz und Aufforderungssatz;
  • nach der Verbstellung des finiten Verbs in: Stirnsatz, Kernsatz und Spannsatz;
  • nach der Anzahl und Beziehung finiter Verben in: einfacher Satz und zusammengesetzter Satz;
  • in Hauptsatz und Nebensatz (auch: Gliedsatz).
  • im Hinblick auf syntaktische Unvollständigkeit (Anakoluth, Ellipse, Fragment, Nominalsatz)

Stirnsatz, Kernsatz, Spannsatz

Nach der Stellung des finiten Verbs unterscheidet man:

  • Stirnsatz (Verb-Erst-Stellung)
Das finite Verb steht im Deutschen vor allem bei Entscheidungsfragen oder bei Aufforderungssätzen an erster Stelle.
Beispiel: Gehst Du schon? Geh jetzt!
  • Kernsatz (Verb-Zweit-Stellung)
An zweiter Stelle steht das Verb im Deutschen in Hauptsätzen, die Deklarativsätze sind.
Beispiel: Weil ich nicht so klug bin, schreibe ich jetzt diesen Satz.
  • Spannsatz (Verb-Letzt-Stellung)
Die Endstellung hat das finite Verb im Deutschen in eingeleiteten Nebensätzen.
Beispiel: Nachdem ich dieses Beispiel geschrieben habe, höre ich auf.

Einfache und zusammengesetzte Sätze

Eine traditionelle Unterscheidung ist die zwischen einfacher Satz und zusammengesetzter Satz.

Einfacher Satz

Der einfache Satz (auch: Einzelsatz [25]) ist ein Satz, der nur ein konjugiertes Verb enthält [26].

Der einfache Satz kann [27] darüber hinaus noch weitere Satzglieder enthalten, entweder als notwendige Ergänzung (z.B. Subjekt) oder als Angabe (z.B. Attribute oder adverbiale Bestimmungen) [28]

  • Beispiel: Der Wolf heulte in der Nacht den Mond an.

Zu den einfachen Sätzen zählen auch elliptischer Satz sowie Kurzformen [29].

  • Beispiel: Komm!

Zusammengesetzter (komplexer) Satz

Ein zusammengesetzter Satz (auch: komplexer Satz) ist ein Satz, in dem mehr als ein finites Verb vorkommt [30] oder – mit anderen Worten – der aus einfachen Sätzen (Teilsätzen) zusammengesetzt[31] ist.

Sind die Teilsätze eines zusammengesetzten Satzes gleichgeordnet, so nennt man sie Hauptsätze und bezeichnet den Satz insgesamt auch als Satzreihe oder Parataxe.

Im Fall der Über- und Unterordnung bezeichnet man den komplexen Satz auch als Satzgefüge (auch Hypotaxe) und unterscheidet zwischen den Hauptsätzen (HS) und Nebensätzen (NS). Der Nebensatz ist der einem anderen inhaltlich untergeordnete Teilsatz – der etwa die Aussagen eines anderen Teilsatzes näher bestimmt. Der Teilsatz, der keinen anderen Teilsatz näher beschreibt, ist ein Hauptsatz.

Von einem Nebensatz kann ein weiterer Nebensatz abhängen.

  • Beispiel: Ich ging spazieren (HS), da die Sonne scheinen sollte (NS 1), die jedoch ausblieb (NS 2).

Ein komplexer Satz mit Satzreihen und Satzgefügen nennt man auch Satzperiode. [32]

Sätze können mit Konjunktionen (syndetisch) oder ohne Konjunktionen (asyndetisch) miteinander verbunden werden.

  • Beispiel (syndetisch): Ich kam und sah und siegte.
  • Beispiel ((auch) asyndetisch): Ich kam, sah und siegte.

Der Nebensatz ist (im Deutschen) formal in der Regel auch an der Stellung der gebeugten (finiten) Verbform erkennbar. Ein Teilsatz mit Einleitewort (Relativpronomen, Fragewort, unterordnende Konjunktion) und finiter Verbform am Ende ist ein Nebensatz. Steht die finite Verbform an zweiter Stelle, ist der Satz ein Deklarativsatz. Die erste Stelle kann ein Satzglied oder ein Nebensatz besetzen. Steht die finite Verbform an erster Stelle, ist es ein Fragesatz ohne Fragewort oder ein Aufforderungssatz.

Unvollständiger Satz

Unter den „Satz“-Begriff fallen auch unvollständige Sätze, d.h. Sätze, denen ein notwendiges Satzglied oder auch mehr fehlt. Es werden verschiedene Typen unterschieden:

  • der Anakoluth (= Satzbruch), häufig in der gesprochenen Sprache. Erfundenes Beispiel: „Worüber wollten wir nochmal...Ach, ja, ich erinnere mich wieder: Es ging um das Spiel gestern.“
  • die Ellipse, fast die Regel in Überschriften; Beispiel: „Biathlon: Viele Frauen am Start“ (Eichsfelder Tageblatt, 23. Mai 2008, S. 23). Auch Sätze, die der Form nach Nebensätze sind, können selbständig verwendet werden: „Dass du mir ja nicht wieder zu spät kommst!“
  • der Nominalsatz, meist verstanden als Satz ohne Hilfsverb sein. Beispiel: „Frau weg, Geld weg, Wohnung weg“ (Internetbeleg; Überschrift in Bild.de).
  • das (Satz)-Fragment, eine Erscheinung verstümmelter Texte.

Der Satz in der gesprochenen Sprache

Beim Reden trennt eine kurze Pause einen Satz von einem vorhergehenden. Die Satzmelodie hängt von der Art des Satzes (Aussage, Frage, Aufforderung) ab. Ein Satz ist (meist) als Einheit zu erkennen. Die Zuordnung von Sätzen und ihrer Bedeutung ist nicht immer eindeutig.

Der Satz und die (deutsche) Orthografie

Zur schriftlichen Kennzeichnung wird im Deutschen der Satzanfang großgeschrieben; der Satz endet mit einem Satzendezeichen: Punkt [.], Ausrufezeichen [!], Fragezeichen [?] und gegebenenfalls Auslassungszeichen (). Im Inneren von zusammengesetzten Sätzen dienen auch Komma [,], Semikolon [;] und der Gedankenstrich [–].

Siehe auch

Quellenangaben

  1. Vgl. Tugendhat/Wolf, Logisch-semantische Propädeutik (1983), S. 22: „die kleinste Verständigungseinheit“, womit eine Sprechhandlung vollzogen wird.
  2. Volmert, Sprache und Sprechen, in: Volmert (Hrsg.), Grundkurs Sprachwissenschaft, 5. Aufl. (2005), ISBN 3-8252-1879-1, S. 25
  3. Kessel/Reimann, Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache, Tübingen (Fink), 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 1
  4. So Gadler, Praktische Linguistik, 3. Aufl. (1998), S. 107
  5. Pelz, Linguistik (1996), zu 8.1, S. 147
  6. Duden, Die Grammatik, 7. Aufl. (2005), ISBN 3-411-04047-5, Rn. 1163
  7. Langemann/Felgentreu (Hrsg.), Duden, Basiswissen Schule: Deutsch, 2. Aufl. (2006), ISBN 3-411-71592-8, S. 130
  8. Duden, Die Grammatik, 7. Aufl. (2005), ISBN 3-411-04047-5, Rn. 1164
  9. Duden, Die Grammatik, 7. Aufl. (2005), ISBN 3-411-04047-5, Rn. 1164
  10. Duden, Die Grammatik, 7. Aufl. (2005), ISBN 3-411-04047-5, Rn. 1164
  11. So referierend Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002), ISBN 3-520-45203-0/Satz; vgl. auch Pelz, Linguistik (1996), zu 8.1, S. 148
  12. Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002), ISBN 3-520-45203-0/Satz
  13. Pelz, Linguistik (1996), zu 8.1, S. 148
  14. So Kessel/Reimann, Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache, Tübingen (Fink), 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 1
  15. Duden, Die Grammatik, 7. Aufl. (2005), ISBN 3-411-04047-5, Rn. 1164 (prototypisch); ähnlich Kessel/Reimann, Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache, Tübingen (Fink), 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 1: "Ein Satz ist eine sprachliche Konstruktion aus verschiedenen Satzgliedern, in deren Zentrum ein Prädikat steht."
  16. Nach Dürr/Schlobinski, Deskriptive Linguistik (2006), S. 271 neben der Verbalsatz-Definition die zweite Hauptdefinition
  17. Pelz, Linguistik (1996), zu 8.1, S. 147
  18. So Volmert, Sprache und Sprechen, in: Volmert (Hrsg.), Grundkurs Sprachwissenschaft, 5. Aufl. (2005), ISBN 3-8252-1879-1, S. 25
  19. Quine, Grundzüge der Logik, 8. Aufl. (1993), S. 25
  20. Detel, Grundkurs Philosophie I: Logik (2007), S. 22
  21. Duden, Rechtschreibung und Grammatik - leicht gemacht (2007), S. 183; Pospiech, Syntax, in: Volmert (Hrsg.), Grundkurs Sprachwissenschaft, 5. Aufl. (2005), ISBN 3-8252-1879-1, S. 115
  22. So nach Dürr/Schlobinski, Deskriptive Linguistik (2006), S. 271
  23. Homberger, Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft (2000)/Satz
  24. So (referierend und zweifelnd) Tugendhat/Wolf, Logisch-semantische Propädeutik (1983), S. 22
  25. Duden, Rechtschreibung und Grammatik - leicht gemacht (2007), S. 184
  26. Kürschner, Grammatisches Kompendium, 4.Aufl. (2003), ISBN 3-8252-1526-1, S. 206 ("ein einziges Prädikatverb")
  27. Nach Gadler, Praktische Linguistik, 3. Aufl. (1998), S. 109 muss ein einfacher Satz mindestens ein Subjekt und ein Prädikat enthalten, siehe aber unten zu Kurzformen
  28. Vgl. Pospiech, Syntax, in: Volmert (Hrsg.), Grundkurs Sprachwissenschaft, 5. Aufl. (2005) ISBN 3-8252-1879-1, S. 119
  29. Gadler, Praktische Linguistik, 3. Aufl. (1998), S. 109
  30. Vgl. Kürschner, Grammatisches Kompendium, 4.Aufl. (2003), ISBN 3-8252-1526-1, S. 206 (mehr als ein Prädikatverb enthaltend)
  31. Pospiech, Syntax, in: Volmert (Hrsg.), Grundkurs Sprachwissenschaft, 5. Aufl. (2005) [ISBN 3-8252-1879-1], S. 119
  32. So Kessel/Reimann, Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache, Tübingen (Fink), 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 8

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