Tandaradei

Tandaradei

Interjektionen (von lat. interiectio, wörtlich „Einwurf“) bilden eine der in der Sprachwissenschaft traditionell unterschiedenen Wortarten. Sie sind definiert als Einzelwörter oder feste Wortverbindungen, die in ihrer Form unveränderlich sind und syntaktisch unverbunden als satzwertige (holophrastische) Äußerungen gebraucht werden. Lexikalisch haben sie keine Bedeutung im engeren Sinn. Im Unterschied zu Verzögerungslauten (wie äh oder ähm) drücken sie jedoch eine bestimmte Empfindung, Bewertungs- oder Willenshaltung des Sprechers aus oder übermitteln eine an den Empfänger gerichtete Aufforderung oder ein Signal der Kontaktaufnahme oder -vermeidung. Die genaue Bedeutung ist oft abhängig von der Intonation, die etwa bei der Interjektion hey zusammen mit anderen Faktoren des Äußerungskontextes darüber entscheidet, ob es sich um eine Kontaktaufnahme (hey?), die Aufforderung zu einer Unterlassung (hey!) oder um einen Trost- oder Koselaut (hey langgezogen und mit fallender Betonung) handelt.

Inhaltsverzeichnis

Nähere Darstellung

Interjektionen sind ein typisches Merkmal der Mündlichkeit, das heißt sie treten besonders in gesprochener Sprache auf und dienen auch in schriftlicher Kommunikation und literarischer Sprache als Stilmittel gesuchter Mündlichkeit. Als Äußerungstyp mit besonderer expressiver oder appellativer Funktion beziehen sich Interjektionen auf die Sprechsituation mit Sprecher und Empfänger und simulieren oder ersetzen dort typischerweise nonverbale oder paraverbale Kommunikationshandlungen wie Reflexlaute (Schmerz, Überraschung u. a. m.), Lachen, Mimik und Gestik.

Beispiele:

  • Empfindungswörter (Symptominterjektionen): ach, aha, au, nanu, huch, hoppla, oha, hurra, bäh, igitt, o lala, tja
  • Aufforderungswörter (Appellinterjektionen) und Grußwörter: ey, hey, hallo, heda, huhu, tschüss, prost, pst, ahoi, na
  • Lock- und Scheuchlaute (Appellinterjektionen zu Tieren): putt-putt, piep-piep, miez-miez, hü-hott, sch-sch-sch, ps-pssss
  • Nachahmungen von Geräuschen und Lauten (Onomatopoetika): puff, dong, Klong, ratsch, hui, peng, boing, bums, rums, blub-blub, schnipp, hatschi, tandaradei
  • Gesprächswörter und Partikel der Bejahung oder Verneinung, sowie Verzögerungslaute, wenn sie mit kommunikativer Funktion z.B. zum Ausdruck eines Zweifels, gebraucht werden: äh, ähm, hm, tja, naja, ja, nein, okay, genau, richtig, eijeijeijei
  • Aus Wörtern anderer Wortarten: ächz, seufz, kotz, cool, Mensch, Donnerwetter, Gesundheit, meine Güte, verdammt

Lexikalisch

In Anknüpfung an Wilhelm Wundt (1904) unterscheidet man nach lexikalischen und genetischen Kriterien:

  • „primäre Interjektionen“, die aus tierischen oder menschlichen Naturlauten entstanden sind, auch sonstige Onomatopoetika umfassen. Allgemeiner noch charakterisiert sie, dass sie keiner anderen Wortart angehören und aus keiner anderen abgeleitet sind
  • „sekundäre Interjektionen“, die aus Wörtern mit begrifflicher Bedeutung, insbesondere Substantiven, oder Wortverbindungen (Phraseologismen) bestehen und auch anderen Wortarten angehören oder in Beziehung zu ihnen stehen. Sekundäre Interjektionen unterliegen einer mehr oder minder ausgeprägten Entlexikalisierung: die Bedeutung, die die Verwendung der Wörter in anderen Wortarten konstituiert, tritt hinter der expressiven oder appellativen Bedeutung der Interjektion zurück oder verblasst auch ganz.

Beispiele:

  • Primäre Interjektionen: ach, au, pfui, o, hä?, haha
  • Sekundäre Interjektionen: Mensch, Mist, Scheiße, zum Donnerwetter, Herrgott nochmal, meine Güte, geh, komm

Syntaktisch

Interjektionen sind syntaktisch unverbundene, satzwertige Äußerungen, die zwar nicht die Struktur, aber die Funktion von Sätzen besitzen. Im Deutschen und in den meisten anderen Sprachen werden sie in der Regel an den Anfang eines Satzes gestellt oder gelegentlich auch bekräftigend einem Satz nachgestellt:

  • Hä, meinst du das ernst?
  • Hey, aufmachen!
  • Mist, die Tür geht nicht auf!
  • Brr, ist das kalt!
  • Das ist ja ekelhaft, igitt

In ähnlicher emphatischer Funktion können sie auch innerhalb eines Satzes als Einschub einem dadurch besonders betonten Satzteil vorangestellt werden, wobei dieser Stellungstyp im Deutschen sowohl poetisch motiviert sein kann als auch umgangssprachlich vorkommt.

  • Habe nun, ach! Philosophie (...) studiert (Goethe, Faust I, Eingangsmonolog)
  • Ich kann dir doch, verdammtnochmal, nicht ständig alles erklären!
  • Da hat sie ihm einfach zack! eine runtergehauen

Nicht syntaktisch verbunden, aber in der Stellung kombiniert treten Interjektionen auch in Verbindung mit Pronomina, Namen und Nominalphrasen und in Verbindung mit anderen Interjektionen oder Gesprächspartikeln auf:

  • Pfui, du Schwein
  • Ach, Peter
  • Ach der, den kenne ich gut
  • Ach, du liebes Kind
  • Ach ja, das habe ich auch schon gehört

Werden Interjektionen dagegen syntaktisch integriert, so gehen sie in andere Wortarten über und werden damit in der Tendenz lexikalisiert. Besonders häufig sind im Deutschen adverbial integrierte Interjektionen, die eine Bewegung oder Fortbewegung onomatopoetisch in ihrer Geschwindigkeit oder Heftigkeit charakterisieren:

  • Jetzt aber hops ins Bett
  • Schwups, war er wieder da
  • Das lässt sich nicht so husch-husch erledigen

Ähnlich gebraucht man Interjektionen, die eine Bewertung ausdrücken, oft wie Adjektive zur wertenden Prädikation einer Sache:

  • das ist pfui, das ist igitt, das ist bäh, das ist baba

Hinzu kommen Nominalisierungen, mit denen sich Interjektionen als akustische Zitate in den Satz integrieren:

  • Mit großem Holterdipolter ging es weiter
  • Dein Ach und Weh geht mir auf die Nerven
  • Mit einem Hui war er wieder da
  • Mit einem lauten Plumps fiel er ins Wasser

Comic-Sprache und Chat

Speziell die Sprache des Comics hat eine Fülle von entlehnten, übersetzten und neu erfundenen Interjektionen hervorgebracht. Sie sind auch in andere Sprachbereiche eingegangen und wurden besonders in der Sprache des Internet-Chat weiterentwickelt. Neben Onomatopoetika im engeren Sinn, die Geräusche und nonverbale Lautäußerungen imitieren, spielen im Comic sekundäre Interjektionen eine wichtige Rolle. Im deutschsprachigen Comic treten sie morphologisch besonders im Inflektiv auf - in Anspielung auf den Namen der Comic-Übersetzerin Erika Fuchs auch scherzhaft Erikativ genannt. Hierbei handelt es sich um eine infinite und unflektierte Verbform, die in Analogie zur Grundform englischer Verben als Infinitiv ohne -n oder -en gebildet (seufz, gähn, knutsch) und wie eine Interjektion gebraucht wird. In einer in den Chat-Foren weiterentwickelten Form tritt sie auch als komplexer Inflektiv auf, nämlich in Verbindung mit zusätzlichen Satzgliedern, dann aber ohne grammatisches Subjekt (auf-den-Tisch-hau, ganz-lieb-guck).

Lexikalisch handelt es sich bei Inflektiven der Comic- und Chatsprache in der Regel nicht um echte Onomatopoetika, sondern sie sind aus Wörtern gebildet, die aus Lautimitationen lediglich abgeleitet sind (klirr, summ), oder es handelt sich um sogenannte umschreibende Onomatopoetika, die auch dem Stamm nach kein akustisches Phänomen mehr imitieren, sondern es lediglich benennen und insofern den Laut selbst nur implizieren (seufz, hüstel, tröpfel).

Hinzu kommen Interjektionen, bei denen auch ein solcher indirekter Bezug auf ein akustisches Phänomen nicht mehr gegeben ist. Sie benennen vielmehr Handlungen, die kein bestimmtes Geräusch charakterisiert (knuddel, umarm, knüpf, nachdenk). Interjektionen letzteren Typs werden zusammen mit umschreibenden Onomatopoetika als deskriptive Interjektionen bezeichnet. Bei deskriptiven und komplexen Interjektionen im Inflektiv bleibt die ursprüngliche Bedeutung der einzelnen Wörter konstitutiv für die Bedeutung der Interjektion und tritt nicht, wie sonst bei sekundären Interjektionen, dahinter zurück.

Interjektionen nach Norbert Elias

Nach einer von Norbert Elias in Was ist Soziologie? (1970) vorgetragenen Überlegung eignen sich Interjektionen als satzwertige Äußerungen dazu, den in der Sprache ansonsten gegebenen Zwang zur Modellierung der Wirklichkeit nach den grammatischen Kategorien von Subjekt und Prädikat zu umgehen, nämlich dann, wenn Vorgänge wiederzugeben seien, in denen kein handelndes Subjekt agiert. Beispiel: „Hui!“ (mit Länge und Betonung in Entsprechung zum wiedergegebenen Vorgang) als alternativer Ausdruck für „Der Wind weht“ oder „Es weht“, und damit unter Vermeidung eines grammatischen Subjekts, das andernfalls ein personales Subjekt des bezeichneten Vorgangs suggerieren würde.

Literatur

  • Konrad Ehlich: Interjektionen. Max Niemeyer, Tübingen, 1986 (= Linguistische Arbeiten, 111), ISBN 3-484-30111-2
  • Norbert Fries: Die Wortart „Interjektionen“. In: David Alan Cruse (et al., Hrsg.), Lexikologie: ein internationales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen, 1. Halbband, de Gruyter, Berlin/New York, 2002, S. 654-657, ISBN 3-11-011308-2
  • Janie Noëlle Rasoloson: Interjektionen im Kontrast: am Beispiel der deutschen, madagassischen, englischen und französischen Sprache. Peter Lang, Frankfurt a.M. (etc.), 1994 (= Arbeiten zur Sprachanalyse, 22), ISBN 3-631-47581-0
  • Martin Reisigl: Sekundäre Interjektionen: eine diskursanalytische Annäherung. Peter Lang, Frankfurt a.M. (etc.), 1999 (= Arbeiten zur Sprachanalyse, 33), ISBN 3-631-32973-3
  • Dagmar Schmauks: Die Visualisierung von Interjektionen in Werbung und Comic. In: Zeitschrift für Semiotik 26 (2004), S. 113-128
  • Harald Weydt, Klaas-Hinrich Ehlers: Partikel-Bibliographie: Internationale Sprachenforschung zu Partikeln und Interjektionen. Peter Lang, Frankfurt a.M. (etc.), 1987, ISBN 3-8204-9250-X
  • Wilhelm Wundt: Völkerpsychologie: Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte, 2. überarb. Aufl., Bd. 1-2: Die Sprache, W. Englemann, Leipzig, 1904

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