- Taras Borodajkewycz
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Taras Borodajkewycz (* 1. Oktober 1902 als Taras von Borodajkewycz; † 3. Jänner 1984 in Wien), war ein österreichischer Historiker. Von 1955 bis zu seiner Zwangspensionierung 1966 war er Professor an der Hochschule für Welthandel in Wien (heute: Wirtschaftsuniversität Wien).
Inhaltsverzeichnis
Leben
Taras Borodajkewycz wurde 1902 als Sohn des galizisch-stämmigen Beamten des k.k. Verkehrsministeriums Wladimir Borodajkewycz und dessen Frau Henriette geb. Löwe geboren.[1] Zu seinem Geburtsort gibt es unterschiedliche Angaben: neben Baden bei Wien wird auch die Ukraine bzw. das damalige Galizien angegeben.[2] Jedenfalls wuchs er in Baden bei Wien auf. In der Zwischenkriegszeit gehörte er dem katholisch-nationalen Lager um die CS an, wo versucht wurde, katholisches mit deutschnationalem Gedankengut zu verbinden, geriet aber bereits Mitte der 1930er Jahre in den Bannkreis der (zu diesem Zeitpunkt in Österreich illegalen) NSDAP. Nach abgebrochenem Theologie- sowie Philosophiestudium an der Universität Wien machte Borodajkewycz seinen Abschluss 1932 in Geschichte und wurde kurz darauf Assistent des Historikers Heinrich Ritter von Srbik, "Alter Herr" der Wiener Burschenschaft Gothia.[2]
Von Jänner 1934 bis 1945 war er Mitglied der NSDAP. Er war Mitglied der Studentenverbindung KaV Norica Wien, bei seinem Eintritt Mitgliedsverbindung im CV, ab 1933 im abgespaltenen ÖCV. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als die entsprechenden Verbindungsgremien wieder tagen konnten, wurde er wegen seines NSDAP-Engagements ausgeschlossen.
Universitäre Karriere
1937 wurde Borodajkewycz Dozent an der Universität Wien. Von 1942 bis 1945 war er außerordentlicher Universitätsprofessor für österreichische Geschichte an der Deutschen Universität Prag. 1946 wurde er als „Minderbelasteter“ eingestuft und erreichte somit seine Entnazifizierung. 1949 nahm Borodajkewycz gemeinsam mit anderen ehemals prominenten Nationalsozialisten an der Oberweiser Konferenz teil. Infolge seiner guten Beziehungen zur ÖVP, insbesondere zum damaligen Unterrichtsminister Drimmel und dem späteren Bundeskanzler Klaus, der sich in der Ersten Republik als Spitzenfunktionär der antisemitischen Deutschen Studentenschaft betätigte, erhielt Borodajkewycz 1955 einen Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte an der damaligen Hochschule für Welthandel, der heutigen Wirtschaftsuniversität Wien.[1] Seine fortbestehenden Sympathien für den Nationalsozialismus waren offensichtlich; in seinen Vorlesungen machte er wiederholt neonazistische und antisemitische Aussagen[3], mit denen er zum Liebling der damals mehrheitlich rechtsgerichteten Studentenschaft wurde.[2][4]
Borodajkewycz-Affäre
Im Jahr 1962 kam es zum ersten Skandal. Heinz Fischer, späterer österreichischer Bundespräsident, griff aufgrund von Vorlesungsnotizen des späteren österreichischen Ministers Ferdinand Lacina Borodajkewycz in einem Zeitschriftenartikel wegen seiner fragwürdigen Vorlesungspraxis an. Um Lacinas Studienabschluss durch eine Offenlegung nicht zu gefährden, ließ Fischer die Quelle seiner Anschuldigungen ungenannt und wurde in einem von Borodajkewycz angeregten Gerichtsverfahren wegen Ehrenbeleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Borodajkewycz fühlte sich durch das Gerichtsurteil nun noch mehr in seinen rechtsextremen Ansichten bestätigt und ließ seine Einstellung in Vorlesungen verstärkt durchblicken.[2]
Am 26. März 1965 wurde Borodajkewycz vor seinem Wohnhaus in Wien „von drei oder vier unbekannten Burschen“ überfallen, aber nicht verletzt. Sein ihn begleitender Sohn Olaf „erlitt Verletzungen leichten Grades an der Oberlippe“.[5]
Am 31. März 1965 demonstrierten Vertreter von Studentenorganisationen, ehemalige Widerstandskämpfer sowie Gewerkschaften gegen Borodajkewycz. Beim Zusammenstoß mit einer vom Ring Freiheitlicher Studenten, der Studentenorganisation der FPÖ, organisierten Gegendemonstration wurde der – nicht beteiligte, sondern nur zusehende – ehemalige Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem rechtsextremen Mitglied des Ringes Freiheitlicher Studenten schwer verletzt. Kirchweger erlag seinen Verletzungen wenige Tage nach der Demonstration; er ist das erste politische Todesopfer in der 2. Republik.
Im April 1965 wurde das Ehrenbeleidigungsverfahren gegen Fischer wieder aufgenommen. Auf Grund der Aussage Lacinas (der mittlerweile sein Studium abgeschlossen hatte) wurde das Urteil gegen Fischer aufgehoben; Borodajkewicz' Berufung dagegen wurde abgewiesen.
Schließlich wurde Borodajkewycz - nach langem Widerstand des zuständigen Unterrichtsministers Theodor Piffl-Perčević - 1966 bei vollen Bezügen zwangsweise pensioniert. In den folgenden Jahren veröffentlichte er noch einige Texte, z.B. in den „Eckartschriften“ der Österreichischen Landsmannschaft.
Publikationen
- Konstantin von Höflers Werdezeit. Ein Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung des Katholizismus mit dem deutschen Denken in der 1. Hälfte des 19. Jh. [Universität] Wien, Phil. Diss. vom 3. Febr. 1932
- Wegmarken der Geschichte Österreichs. Österr. Landesmannschaft, 1972.
Literatur
- Erich Schmidt, Albrecht K. Konecny: „Heil Borodajkewycz!“ Österreichs Demokraten im Kampf gegen Professor Borodajkewycz und seine Hintermänner. Verlag für Jugend und Volk, Wien u. a. 1966.
- Heinz Fischer (Hrsg.): Einer im Vordergrund. Taras Borodajkewycz. Eine Dokumentation. Europa-Verlag, Wien u. a. 1966 ( Österreichprofile).
Belege
- ↑ a b Fritz Fellner und Doris Corradini: Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon. Böhlau-Verlag, Wien, Köln, Weimar 2006 , ISBN 978-3205774761, S. 60.
- ↑ a b c d Risse im Context XXI (7-8/01–1/02): Der Fall Borodajkewycz
- ↑ Wolfgang Neugebauer: Zur Problematik der NS-Vergangenheit Österreichs. Referat anlässlich der Enquete "Rassismus und Vergangenheitsbewältigung in Südafrika und Österreich - ein Vergleich?" im österreichischen Parlament, Wien, 31. Mai 2000.
- ↑ Borodajkewycz, Taras von. In: Österreich-Lexikon, online auf aeiou.
- ↑ Pressemeldung der APA
Weblinks
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