- Theaterorgel
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Eine Kinoorgel ist eine Pfeifenorgel, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Begleitung von Stummfilmen in Lichtspielhäusern eingesetzt wurde. Kinoorgeln verbreiteten sich von den USA ausgehend nach Europa und über die ganze Welt, verloren aber nach Einführung des Tonfilm zunehmend an Bedeutung.
Durch die Erfindung der separaten, elektro-pneumatischen Ansteuerung jeder einzelnen Orgelpfeife (s. Multiplexsystem im Orgelbau) des englischen Ingenieurs Robert Hope-Jones wurde es möglich, mit weniger Pfeifen sehr viel mehr Klangfarben (Tonregister) darzustellen. Die Orgeln ließen sich so sehr kompakt und kostengünstig herstellen. Bedingt durch die neue Art der Spieltraktur konnte der Spieltisch nun auch unabhängig von der Position des Pfeifenwerks platziert werden. Damit war die Voraussetzung geschaffen, Orgeln auch im Kino einzusetzen.
Klanglich soll die Kinoorgel ein Orchester imitieren und wird daher mit einem hohen Winddruck für das Pfeifenwerk versehen, um so dem Orchesterklang näher zu kommen.
Kinoorgeln verfügen neben den Tonregistern über chromatische Schlagwerke wie z.B. Xylophon, Schlittenglocken oder Glockenspiel, als auch über Schlagwerke wie Pauken, Trommeln oder Klanghölzer. Weiterhin wurden diverse Effektregister zur Erzeugung von Geräuschen eingebaut (z. B. Telefonklingeln, Donnergrollen, Huftrappeln). Der Spieltisch von Kinoorgeln ist meistens hufeisenförmig ausgebildet und oftmals reich verziert. Die derzeit einzige spielbereite Kinoorgel in Europa, die sich noch in ihrem Originalkino befindet, steht im Kino Babylon in Berlin-Mitte.
Inhaltsverzeichnis
Hersteller und Modelle
Namhafte Hersteller und Marken in Deutschland waren:
Wurlitzer
Die amerikanische Rudolph Wurlitzer Company baute von 1914 bis etwa 1940 Kino- und Theaterorgeln. Der größere und bekannteste Typ The Wurlitzer-Hope-Jones Unit Orchestra, bekannt als The Mighty Wurlitzer, wurde von Robert Hope-Jones entworfen und als „Ein-Mann-Orchester“ zur Untermalung von Stummfilmen hergestellt. Der kleinere Typ war eine damals übliche Kombination von kleiner Orgel und Klavier, auf der der Spieler die Instrumente während des Spielens wechseln konnte. Klanglich und technisch waren die Instrumente von Wurlitzer in der damaligen Zeit in Deutschland führend.
- Spielbereite Instrumente
Oskalyd-Kinorgeln
Die Oskalyd-Orgeln (Oskalyd, ein aus den Namen Oskar Walcker und Hans Luedkte zusammengesetzten Kunstbegriff) wurden von 1923 bis 1931 von den namhaften Orgelbau-Firmen E.F. Walcker & Cie, Sauer und P. Furtwängler & Hammer in Gemeinschaftsarbeit hergestellt. Die Oskalyd-Orgel hatte, je nach Modell, von 2 bis zu 20 Registern und dazu Effektregister. Produziert wurden insgesamt 120 Instrumente, was einem Marktanteil von ca. 40% in Deutschland entsprach.
- Spielbereite Instrumente
Heidelberger SchlossAnm.: Das Instrument wurde 2007 aufgrund von Baumaßnahmen am Gebäude abgebaut und eingelagert [1]
M. Welte & Söhne
Ab 1926 versuchte die Firma M. Welte & Söhne mit dem Bau von Kino- und Rundfunkorgeln wieder an ihrem vormals wirtschaftlichem Erfolg anzuknüpfen. 1930 entstand eine Rundfunkorgel für die Nordische Rundfunk AG Hamburg (NORAG), einem Vorläufer des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Diese Orgel wurde nicht für den Raum, in dem sie steht intoniert, sondern für die Mikrophone der Rundfunkaufnahmen konzipiert.
- Spielbereite Kinoorgeln
- Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim
- Filmmuseum Düsseldorf
- Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig
- Filmmuseum Potsdam
- Spielbereite Rundfunkorgel
- Norddeutscher Rundfunk (NDR), Studio Hamburg, Rothenbaumchaussee
J. D. Philipps
Die Firma Frankfurter Musik-Werke Fabrik J. D. Philipps und Söhne baute 1929 eine Multiplexorgel, die als einzige Kinoorgel in Deutschland noch am Original-Standort betrieben wird.
- Spielbereite Instrumente
- Kino Babylon, Berlin
Literatur
Historische Literatur
- Hans Erdmann und Giuseppe Becce: Allgemeines Handbuch der Film-Musik von Hans Erdmann und Giuseppe Becce. Unter Mitarb. von Ludwig Brav. Berlin-Lichterfelde; Leipzig (u. a.): Schlesinger (u. a.), 1927.
- Reginald Whitworth: The Cinema and Theatre Organ. With eight plates, etc. Musical Opinion: London, 1932.
- Ernö Rapée: Motion picture moods for pianists and organists: a rapid-reference collection of selected pieces; adapted to fifty-two moods and situations arr. by Erno Rapée. New York: Schirmer, 1924. Reprint North Stratford, NH: Ayer, 2002. ISBN 0-405-01635-2.
- John Stepan Zamecnik: Sam Fox Film-Gebrauchs-Musik. 31 Ausgaben mit verschiedenen Titeln. Cleveland, Ohio; Berlin: 1919–1928. [2]
Moderne Literatur
- Michael Donald: Memoirs of the theatre organ. Brighton, England: Cinema Organ Publications 1956.
- John W. Landon: Behold the mighty Wurlitzer: the history of the theatre pipe organ. Westport, Conn.: Greenwood Press 1983. ISBN 0-313-23827-8
- Karl Schütz: Theater- und Kinoorgeln in Wien. Wien: Verl. der Österr. Akad. der Wiss. 1991. ISBN 3-7001-1788-4
- Karl Heinz Dettke: Kinoorgeln und Kinomusik in Deutschland. Stuttgart; Weimar: Metzler 1995. ISBN 3-476-01297-2
- Karl Heinz Dettke: Kinoorgeln: Installationen der Gegenwart in Deutschland. Mit Beiträgen von Dagobert Liers. Frankfurt am Main: Bochinsky, 1998. ISBN 3-923639-18-X
- Karl Heinz Dettke und Thomas Klose: Kino- und Theaterorgeln: eine internationale Übersicht. In Zusammenarbeit mit Thomas Klose. Marburg: Tectum-Verl. 2001. ISBN 3-8288-8265-X
Einzelnachweise
Weblinks
- The Mighty Wurlitzer im Musikinstrumentenmuseum Berlin
- Das "Oskalyd-Projekt" (Eintrag vom 20. Nov.)
- Welte-Kinoorgel im Filmmuseum Potsdam
- Welte-Funk-Orgel des NDR in Hamburg
- Welte-Kinoorgel im Museum für Musikinstrumente Leipzig – Photographien und Klangbeispiel
- Philipps-Kinoorgel im Berliner "Babylon" Kino
- American Theatre Organ Society – Geschichte der Kinoorgel (englisch)
- American Theatre Organ Society – Audiobeispiele von Theaterorgeln (englisch)
- Cinema Organ Society (englisch)
- The Scottish Cinema Organ Trust (englisch)
- Marvels of the Cinema Organ (englisch)
- Möller-Kino-Orgel bei Orgelbau Laukhuff (mit Klangbeispielen)
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