Theodosios II.

Theodosios II.

Theodosius II. (griechisch Θεοδόσιος Β', * April 401; † 28. Juli 450), einziger Sohn der Aelia Eudoxia und des Arcadius, wurde siebenjährig oströmischer Kaiser.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Theodosius II. (Benennung unsicher)

Anfänge bis 414

Nach dem Tod seines Vaters Arcadius wurde Theodosius am 1. Mai 408 zum alleinigen Kaiser des Oströmischen Reiches erhoben, nachdem er nominell bereits im Januar 402, nur wenige Monate alt, zum Mitkaiser (Augustus) ernannt worden war. Der spätantike Historiker Prokop berichtet in seinen Historien, der sterbende Arcadius habe seinen Sohn nicht schutzlos zurücklassen wollen, weshalb er den Perserkönig Yazdegerd I. schriftlich als epitropos („Vormund“ bzw. „Testamentsvollstrecker“) eingesetzt habe (Prok., de bello Persico, I 2). Dieser soll jeden, der Theodosius anzugreifen wagen sollte, mit Krieg bedroht haben; laut dem Bericht des mittelbyzantinischen Chronisten Theophanes (um 800) entsandte er zudem einen persischen Eunuchen namens Antiochus, der in seinem Namen als Vormund des jungen Kaisers agiert haben soll.

Die Historizität dieser Episode ist in der Forschung sehr umstritten, oft wird aber angenommen, dass es zumindest einen historischen Kern gibt: Um 408 waren die Beziehungen zwischen Römern und Persern so gut wie selten davor oder danach. Die Regierungsgeschäfte führte bis 414 faktisch der energische praefectus praetorio Orientis Anthemius. Dieser hielt Frieden mit Persien, verbesserte die Stellung Ostroms auf dem Balkan und veranlasste insbesondere die Errichtung der berühmten Theodosianischen Mauer, die Konstantinopel schützte und nur zweimal – 1204 und 1453 – von Angreifern überwunden wurde.

Pulcheria, Eudokia und Arcadius II.

Die älteste Schwester des Kaisers, Aelia Pulcheria, entmachtete nach sechs Jahren den Präfekten und hielt ab dem Jahr 414 als Augusta weitgehend die Fäden der kaiserlichen Macht in der Hand und bestimmte die Politik. Es ist möglich, dass die fanatische Christin Pulcheria einen Krieg mit den „ungläubigen“ Persern provozierte (420/21–422), der aber mit einem Patt endete (siehe unten). Im Juni 421 heiratete Theodosius dann die Dichterin Athenaïs, die bei ihrer Taufe den Namen Eudokia annahm.

Seine Frau sollte ebenfalls Einfluss auf die Regierungsgeschäfte, die Theodosius wohl zu Gunsten religiöser und philosophischer Fragen vernachlässigte, nehmen und zeitweilig in bittere Rivalität zu ihrer Schwägerin Pulcheria treten, doch verlor sie schließlich die Gunst des Kaisers und begab sich ins Heilige Land, wo sie später auch verstarb.

Theodosius und Eudokia hatten drei Töchter, von denen nur Licinia Eudoxia überlebte. Ein verlorenes, durch mittelalterliche Beschreibungen und Abbildungen überliefertes Mosaik in der Kirche San Giovanni Evangelista in Ravenna zeigte neben Eudoxia einen D(ominus) N(oster) Arcadius, der von dem Althistoriker Ralf Scharf mit einem um 435 geborenen, 439 zum Mitkaiser erhobenen und kurz darauf gestorbenen Sohn des Theodosius identifiziert wird,[1] was aber umstritten ist.

Religionspolitik

Im Jahre 426 wurde auf Veranlassung von Theodosius das Zeusheiligtum in Olympia geschlossen und damit die Olympischen Spiele der Antike offiziell eingestellt – sie dürften heimlich jedoch noch bis weit ins 6. Jahrhundert hinein praktiziert worden sein: Die Möglichkeiten der spätantiken Kaiser, ihre Gesetze wirklich durchzusetzen, waren oft begrenzt.

Theodosius erließ zahlreiche judenfeindliche Gesetze, wohl auf Veranlassung seiner Schwester Pulcheria. Er verbot Juden, Synagogen zu bauen, setzte 415 den letzten jüdischen Patriarchen, Gamaliel VI., wegen Verstoßes dagegen ab, führte nach dessen Tod die Patriarchensteuer dem kaiserlichen Schatzamt zu und legalisierte 438 die Umwandlung alter Synagogen in Kirchen. Der Kaiser untersagte ferner den Juden, als Richter in Fällen zu amtieren, an denen Christen beteiligt waren, und christliche Sklaven zu halten.

431 berief Theodosius das Konzil von Ephesos ein, das die heftigen christologischen Auseinandersetzungen dieser Zeit beenden sollte und mit der Abspaltung der Nestorianer von der orthodoxen Kirche endete. Ein weiteres nach Ephesos einberufenes Konzil wurde 449 derart stark vom alexandrinischen Patriarchen dominiert, dass sich viele Kirchenführer, darunter der römische Bischof, der die Versammlung als latrocinium (Räubersynode) abtat, weigerten, die Ergebnisse anzuerkennen. Eine religiöse Einigung seines Reiches erreichte Theodosius II. ebenso wenig wie alle seine Vorgänger und Nachfolger.

Der Codex Theodosianus

429 berief Theodosius eine Kommission ein, die alle Gesetze sammeln sollte, die seit der Regierung Konstantins I. erlassen wurden, um ein systematisch geordnetes Gesetzeswerk zu schaffen. Dieser Plan blieb unvollendet, aber die Aufgabe einer zweiten Kommission, alle gesetzlichen Erlasse zu sammeln und zu aktualisieren, wurde erfüllt. Diese Sammlung (siehe auch Rechtsschule von Beirut) wurde 438 als Codex Theodosianus veröffentlicht und erst unter Justinian I. durch den Codex Iustinianus ersetzt. Mit dem in Ravenna residierenden Kaiser Valentinian III. einigte sich Theodosius darauf, dass der Codex auch in der westlichen Reichshälfte gelten solle und dass auch zukünftige Gesetze im gesamten Imperium Gültigkeit erlangen sollten.

In die Regierungszeit von Theodosius fiel auch die Gründung bzw. die Reorganisation der so genannten Universität von Konstantinopel (425), wie überhaupt die Kultur einen regen Aufschwung erlebte. So verfassten in dieser Zeit auch die Kirchenhistoriker Sokrates Scholastikos, Sozomenos, Philostorgios und Theodoret ihre Werke.

Außenpolitik

Bald nach dem Sturz des Anthemius (s. o.) kam es zu erneuten Spannungen mit dem Sassanidenreich. Diese entluden sich in zwei kurzen Kriegen: Ein erster Krieg brach bereits Ende 420, noch zu Lebzeiten Yazdegerds I., aus; dabei spielten religiöse Konflikte eine Rolle. 421 griff der neue Sassanidenkönig Bahram V. persönlich die Römer an, die sich aber behaupten konnten. Der anschließende Friedensvertrag von 422 war für die Römer recht günstig, zumal Bahram den vorher verfolgten Christen die freie Religionsausübung in Persien gestattete, während die Römer diese auch den (wenigen) Zoroastriern im Imperium zustanden. 440/441 brachen erneut Kampfhandlungen aus; vermutlich hatte Theodosius den Sassaniden nach dem Tod Bahrams V. die zuvor vereinbarten Zahlungen verweigert. Der neue König Yazdegerd II. schloss aber bereits nach kurzer Zeit wieder Frieden; dieser sollte bis 502 Bestand haben (siehe auch Römisch-Persische Kriege).[2]

Auch mit den Hunnen auf dem Balkan, denen Ostrom vielfach Subsidien zahlte, ohne sie dadurch von Plünderungszügen abhalten zu können, kam es zu Kämpfen. 395, also zur Zeit des Arcadius, war es sogar zu einem Hunneneinbruch im römischen Orient gekommen; die Angreifer passierten damals die Kaukasuspässe, plünderten die sassanidische Provinzen Mesopotamiens und stießen auch auf oströmisches Gebiet vor, bevor sie 397 gestoppt werden konnten.[3] Die Bedrohung durch die Steppenvölker scheint Ostrom und Persien zeitweilig zur Kooperation veranlasst zu haben. Gegen Ende der Herrschaft des Theodosius scheiterte ein Versuch der Oströmer, Attila zu ermorden (vgl. den Bericht des Geschichtsschreibers Priskos). Erst Theodosius' Nachfolger verweigerte den Hunnen die Tribute.

Die Beziehungen zwischen Ostrom und der westlichen Reichshälfte, in der zunächst (bis 423) Theodosius’ Onkel Honorius und danach sein Vetter Valentinian III. herrschten, blieben trotz vereinzelter Spannungen am Anfang des 5. Jahrhunderts eng; das Bewusstsein, nur zwei Hälften eines einzigen Imperiums darzustellen, ist vielfach greifbar: So erfolgte die Ernennung der wichtigsten Beamten meist in gegenseitiger Absprache; man erkannte den Konsul an, der im jeweils anderen Gebiet ernannt wurde, und datierte nach allen beiden; Gesetze des einen Kaisers galten auch im jeweils anderen Reichsteil; in den Senatscurien in Rom und Konstantinopel waren jeweils die Büsten beider Augusti aufgestellt, und auch militärische und finanzielle Unterstützung einer Reichshälfte für die andere war keine Seltenheit. Dabei erwies sich der Osten bereits früh als der erfolgreichere und widerstandsfähigere Reichsteil. Dazu trugen auch die überwiegend friedlichen Beziehungen zu Persien bei, die den römischen Orientprovinzen eine ökonomische Blüte ermöglichten.

Tod

Theodosius II., der während seiner gesamten Regierungszeit offenbar nie in größeren Maßen in die (weltlichen) Regierungsgeschäfte eingegriffen hatte, starb 450 überraschend an den Folgen eines Reitunfalls: Bei einem Ausritt stürzte er, brach sich offenbar das Rückgrat und starb nach drei Tagen. Sein Nachfolger wurde Markian, der die Schwester seines Vorgängers, Aelia Pulcheria, heiratete und so wenigstens formal die theodosianische Dynastie fortführte.

Literatur

  • John B. Bury: History of the Later Roman Empire. Bd. 1, New York 1958 (ND von 1923).
  • A. D. Lee: The eastern empire: Theodosius to Anastasius. In: Averil Cameron u.a. (Hgg.): The Cambridge Ancient History. Bd. 14. Cambridge 2000, S. 34–42.
  • Adolf Lippold: Theodosius II. In: RE Supplementband 13. Stuttgart 1973, Sp. 961ff.
    (Grundlegend)
  • Mischa Meier: Aspekte der religiösen Selbstinszenierung bei Theodosius II. (408–450 n.Chr.). In: Andreas Pecar, Kai Trampedach (Hgg.): Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Herrschaftslegitimation in der Vormoderne. München 2007, S. 135–158.
  • Fergus Millar: A Greek Roman Empire: Power and Belief under Theodosius II (408–450). Berkeley 2006, ISBN 0-520-24703-5.
    (Aktuelle und wichtige Studie zur Regierungszeit des Theodosius.)
  • Ralf Scharf: Die „Apfel-Affäre“ oder gab es einen Kaiser Arcadius II?. In: Byzantinische Zeitschrift 83, 1990, S. 435–450.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Vgl. Ralf Scharf, Die „Apfel-Affäre“, S. 445ff.
  2. Zu den beiden römisch-persischen Kriegen im 5. Jahrhundert vgl. Geoffrey B. Greatrex, The two fifth-century wars between Rome and Persia, in: Florilegium 12 (1993), S. 1–14.
  3. Vgl. dazu Otto Maenchen-Helfen, Die Welt der Hunnen, Wiesbaden 1997 (ND der Aufl. von 1978), S. 38–43.



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