Anthemius (Prätorianerpräfekt)

Anthemius (Prätorianerpräfekt)

Flavius Anthemius († um 415) war ein hoher römischer Funktionär während der Spätantike. Von 408 bis 414 war er als Prätorianerpräfekt de facto Regent für den jungen oströmischen Kaiser Theodosius II.

Anthemius stammte aus einer einflussreichen Familie, die sich über den Gegenkaiser Procopius auf die konstantinische Dynastie zurückführte; sein Großvater Philippus war 346 Prätorianerpräfekt. Unter Arcadius stieg Anthemius kurz vor 400 zum comes sacrarum largitionum, später zum magister officiorum auf, und bekleidete damit wichtige Hofämter. Vermutlich nahm er 400 an einer kaiserlichen Gesandtschaft zum Sassanidenkönig Yazdgerd I. teil, die die Weichen stellte für eine Entspannung des römisch-persischen Verhältnisses. Nach dem Tod der Kaiserin Eudoxia bekleidete er 405 gemeinsam mit Stilicho das Consulat und übernahm das Amt des Prätorianerpräfekten für den Osten des Römischen Reiches. Damit war Anthemius, der zudem am 28. April 406 in den Rang eines Patricius erhoben wurde, zum zweitmächtigsten Mann des Reiches nach dem Kaiser geworden. In den verbleibenden beiden Regierungsjahren des Arcadius lenkte Anthemius faktisch die Staatsgeschäfte, wobei er an der strikt antigermanischen Politik seines Vorgängers Aurelian und der Eigenständigkeit des Ostreichs festhielt. Dies brachte ihn in Konflikt mit dem weströmischen Regenten Stilicho, der die illyrische Präfektur zurückgewinnen und sich die Führungsrolle im Gesamtreich sichern wollte. Zur gleichen Zeit musste sich Anthemius mit den Goten Alarichs auf dem Balkan und isaurischen Aufständischen im Süden Kleinasiens auseinandersetzen. Ferner erließ Anthemius im Namen des Kaisers mehrere Gesetze gegen Heiden, Juden und "Häretiker".

Die Theodosianische Mauer, deren Bau Anthemius veranlasste.

Als Arcadius 408 starb, übernahm Anthemius die Regentschaft für dessen erst siebenjährigen Nachfolger Theodosius II. Die Geschichtsschreiber attestieren dem Präfekten außerordentliche innen- und außenpolitische Fähigkeiten. Anthemius schloss mit dem Sassanidenreich einen Vertrag, der diverse Streitpunkte beilegte, und konnte – dank Stilichos Tod – auch die Harmonie der beiden Kaiserhöfe in Konstantinopel und Ravenna wiederherstellen. Er verstärkte die Flotte zum Schutz der Grenze an der unteren Donau, nachdem 409 eine Invasion von Hunnen unter König Uldin abgewehrt worden war. Für die Hauptstadt verbesserte er nach mehreren Hungersnöten die Versorgung mit Getreide aus der Kornkammer Ägypten. Seine bemerkenswerteste Leistung vollbrachte Anthemius mit der 413 vollendeten Neubefestigung Konstantinopels (Theodosianische Landmauer).

Im Jahr 414 verschwand Anthemius plötzlich von der Bildfläche, während Theodosius' ältere Schwester Aelia Pulcheria offiziell die Vormund- und Regentschaft für den Kaiser übernahm - offenbar ist er entmachtet worden. Die Familie blieb dennoch einflussreich: Anthemius' gleichnamiger Enkel wäre 457 beinahe Herrscher des Ostreichs geworden und war dann von 467 bis 472 weströmischer Kaiser.

Literatur


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