Theodosios I.

Theodosios I.
Theodosius I.

Theodosius I. (griechisch Θεοδόσιος A', eigentlich Flavius Theodosius), den die Christen auch Theodosius den Großen nannten (* 11. Januar 347 in Cauca, Spanien; † 17. Januar 395 in Mailand), war von 379 bis 394 Kaiser im Osten des römischen Reiches und ab September 394 für einige Monate letzter Alleinherrscher des Gesamtreiches.

Die Regierungszeit des Theodosius war verbunden mit einschneidenden Veränderungen für das Imperium Romanum. So wurde 382 erstmals eine große Gruppe von Barbaren (die Goten) als autonomer Verband unter eigenen Herrschern als Föderaten auf dem Boden des Reiches angesiedelt, während Theodosius im Inneren das katholische Christentum faktisch zur Staatsreligion erhob und Gesetze gegen das Heidentum und insbesondere gegen christliche Häresien erließ. Nach einem Bürgerkrieg verwirklichte Theodosius ein letztes Mal die auch faktisch gegebene Einheit des Imperiums. Nach seinem Tod 395 führte die damit verbundene Aufteilung des Reiches in zwei Herrschaftsbereiche unter seinen beiden Söhnen jedoch letztlich zur endgültigen Trennung in ein Weströmisches und ein Oströmisches Reich, auch wenn diese von den Zeitgenossen nie als solche wahrgenommen wurde und das Imperium Romanum auch staatsrechtlich als Einheit fortbestand.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Die frühen Jahre

Flavius Theodosius wurde vermutlich am 11. Januar 347 in Cauca, dem heutigen Coca, geboren, einer Kleinstadt in der nordwestlichen spanischen Provinz Galaecia. Sein Vater, der ebenfalls Flavius Theodosius hieß und bis zu seinem Sturz ein erfolgreicher Militär unter Kaiser Valentinian I. war, hatte hier größere Besitzungen. Seine Großeltern väterlicherseits, Honorius und Thermantia, waren wohl schon nicaenische (d.h. katholische) Christen, genauso wie sein Vater und er selbst. Auch hatte Theodosius einen Bruder, Honorius, dessen Tochter Serena er später adoptierte und die durch die Heirat mit dem Heermeister Stilicho noch großen Einfluss erreichen sollte.

Der junge Theodosius verbrachte die Kindheit in seiner spanischen Heimat. Über seinen Bildungsweg ist kaum etwas bekannt, außer dass er Interesse an geschichtlichen Studien zeigte und auch sonst sehr aufgeschlossen gewesen sein soll. Aufgrund seiner gehobenen Herkunft dürfte er auch eine standesgemäße Erziehung erhalten haben. Ab 368 ist er im Gefolge seines Vaters zu finden. Dort schlug er eine militärische Laufbahn ein und nahm mit ihm zusammen an den Feldzügen in Britannien 368/369, an dem Feldzug gegen die Alamannen 370 am Rhein (sein Vater hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Rang eines magister equitum praesentalis inne, war also Kommandeur der Reiterei der Hofarmee) und gegen die Sarmaten 372/373 im Donauraum teil.

Vermutlich durch den Einfluss des Vaters wurde Theodosius zum dux Moesiae prima befördert, womit ihm eine eigene Militärprovinz auf dem Balkan unterstand. Diese Art der Protegierung war damals keineswegs unüblich, und der jüngere Theodosius schien den Aufgaben durchaus gewachsen zu sein. Im Jahr 373 wurde der Vater schließlich zur Unterwerfung des Usurpators Firmus nach Africa abberufen, während sein Sohn 374 die Sarmaten, welche die Donau überschritten hatten, in Pannonien (etwa dem heutigen Ungarn) schlug. Somit hatte er sich als Befehlshaber bewiesen und war als Militär durchaus angesehen.

376 beendete Theodosius plötzlich seine militärische Karriere und zog sich auf seine heimatlichen Besitzungen nach Spanien zurück. Die Gründe dafür sind äußerst vielschichtig und auch widersprüchlich. Jedenfalls steht der Rückzug offenbar in enger Verbindung mit dem Tod seines Vaters, der im Zusammenhang mit dem Aufstand des Firmus und der darauf folgenden Untersuchung gegen den angesehenen afrikanischen Statthalter Romanus (wohl zu Unrecht) des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt wurde. Der jüngere Theodosius heiratete noch im gleichen Jahr Aelia Flacilla, eine Frau aus dem hispanischen Provinzadel, die 377 seinen ältesten Sohn Arcadius zur Welt brachte. Ansonsten widmete er sich der Verwaltung seiner Güter. Nach Lage der Dinge konnte Theodosius wohl kaum mehr damit rechnen, je wieder im Militärdienst aktiv zu werden. Doch die Sachlage veränderte sich dramatisch, als am 9. August 378 die Schlacht von Adrianopel stattfand.

Theodosius’ erste Regierungsjahre im Osten

Ae des Valens

In dieser Schlacht, beim heutigen Edirne, fiel der Augustus des Ostens, Valens, im Kampf gegen die Goten. Diese waren unter ihrem Anführer Fritigern vor den Hunnen 376 über die Donau geflohen und hatten Aufnahme im östlichen Reichsteil gefunden, wo sie jedoch bald darauf wegen schlechter Versorgung gegen die Römer rebellierten. Mit ihnen kämpfte bei Adrianopel auch die so genannte Dreivölker-Konföderation. Sie bestand aus den Alanen, die vor den Hunnen aus ihrer alten Heimat nördlich des Kaukasus geflohen waren, aus rebellischen Hunnen und aus gotischen Greutungen, die sich ebenfalls dem Zugriff der Hunnen entzogen hatten.

Zwei Drittel des kaiserlichen Bewegungsheeres, also der schlagkräftigen Einsatztruppen im Osten, waren mit Valens untergegangen, während den Goten nun der Balkanraum zur Plünderung offen stand. Nach dieser Katastrophe rief der Westkaiser Gratian, der sich außerstande sah, selbst in den Osten zu eilen, Theodosius aus Spanien zurück. Die Gründe für diese Entscheidung sind in der Forschung umstritten. Am wahrscheinlichsten dürfte aber sein, dass Gratian schlicht einen fähigen General römischer Abstammung benötigte; sein Mitkaiser Valentinian II. war noch ein Kind. In Sirmium ernannte Gratian Theodosius zunächst zum Heermeister über Illyrien. Theodosius konnte rasch einige Erfolge verbuchen, so in Pannonien, wo er die Sarmaten schlug, die erneut die Donau überquert hatten. Am 19. Januar 379 erhob Gratian Theodosius dann zum Augustus, blieb aber selbst als senior Augustus formal höherrangig. Auch Valentinian II. blieb dem neuen Kaiser de iure übergeordnet. Theodosius wurde von Gratian die Praefectura Orientis zugewiesen, einschließlich der Diözesen Dakien und Makedonien. Damit unterstand Theodosius in etwa der Raum, den bereits Valens regiert hatte und der nach der Reichsteilung 395 dem Ostreich zugeschlagen werden sollte.[1]

Mit großer Energie kümmerte sich Theodosius, der im Unterschied zu seinen Vorgängern ein „katholischer“ Christ war, in der Folgezeit um die Sicherung seines Herrschaftsbereiches. Als Residenzort hatte er zunächst aus strategischen Gründen Thessaloniki gewählt, von wo aus er nun die Armee (oder besser gesagt: deren Reste) reorganisierte. Im Zuge dieser Reorganisation nahm die Barbarisierung der Truppenteile zu, obwohl sich auch eine ganze Anzahl von römischen Generälen im Stab des Theodosius fanden. Theodosius ging zunächst erfolgreich ab 380 gegen die Goten unter Fritigern auf dem Balkan vor, erlitt jedoch dann eine Niederlage. Diese zwang ihn, bei Gratian um Hilfe zu bitten, der ihm daraufhin zwei seiner erfahrensten Generäle überließ, Bauto und Arbogast. Gratian erhielt 380 auch die Diözesen Dakien und Makedonien zurückerstattet. Ende desselben Jahres erkrankte Theodosius so schwer, dass er sich daraufhin taufen ließ. Allerdings war es in der damaligen Zeit nicht üblich, schon als Kind getauft zu werden. Dadurch war Theodosius nun jedoch eventuellen kirchlichen Sanktionen ausgesetzt, die in der Folgezeit auch auf ihn zu kamen, so etwa im Konflikt mit dem einflussreichen Bischof von Mailand, Ambrosius (siehe dazu die Religionspolitik des Theodosius).

Am 3. Oktober 382 schloss der Heermeister Flavius Saturninus im Auftrag des Kaisers mit den Goten offenbar einen Vertrag ab, in dessen Zusammenhang sie zu so genannten Foederati gemacht wurden. Sie durften nun südlich der unteren Donau siedeln, mussten aber Rom Waffenhilfe leisten. Dieser Gotenvertrag markierte nach Ansicht der meisten Historiker einen Wendepunkt in der römischen Geschichte. Einige andere Gelehrte verweisen allerdings auf die sehr schlechte Quellenlage (Näheres berichtet erst Jordanes, fast 200 Jahre nach den Ereignissen), stellen die angebliche Besonderheit der Abmachungen in Frage und bezweifeln teils sogar, dass überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde (z. B. Guy Halsall).[2]

Nach traditioneller Ansicht war die besondere Bedeutung des Gotenvertrages die folgende: Bisher waren besiegte Germanen zwar als dediticii (Unterworfene) aufgenommen worden, hatten aber keine Rechte (außer der persönlichen Freiheit). Das foedus von 382 sorgte jedoch dafür, dass die angesiedelten Goten zu Reichsangehörigen wurden; sie durften aber keine Ehen mit römischen Bürgern eingehen. Das von ihnen besiedelte Land blieb auch weiterhin römisches Staatsgebiet, doch galten die Goten als autonom. Die Goten mussten dafür in Kriegszeiten dienen, allerdings unter eigenen Führern und wurden zusätzlich hoch besoldet; das Oberkommando kam aber römischen Offizieren zu. Trotz großer Zugeständnisse an die Goten stärkte dieser Vertrag die Wehrkraft Roms (worauf es Theodosius in erster Linie ankam), wenn sich auch in den nachfolgenden Jahren zahlreiche Nachteile dieses Vertrags bemerkbar machen sollten und diese Regelung zusätzlich mit hohen finanziellen Lasten verbunden war. Als ein erster Schritt für den endgültigen Niedergang und Auflösung Roms kann dieser Vertrag jedoch nach der neueren Forschung nicht gedeutet werden.[3] Zudem erkannte damit Theodosius nur die faktischen Verhältnisse an: Die Goten waren kaum wieder aus dem Reich zu drängen. So gesehen war dies eine flexible Maßnahme des Kaisers, der damit wenigstens zeitweise für Ruhe sorgte und nun über zusätzliche Truppen verfügen konnte. [4]

Eingreifen im Westen und Konsolidierung des Reiches

Gratian

Im Jahr 383 wurde Magnus Maximus, ein römischer General spanischer Herkunft, von seinen Truppen in Britannien zum Augustus erhoben. Der Grund war unter anderem die Unzufriedenheit im Militär über das Verhalten Gratians, der sich lieber mit Alanen als mit römischen Offizieren umgab. Gratian zog dem Usurpator entgegen. In der Nähe des heutigen Paris lief der Großteils seines Heeres aber zu Maximus über. Kurz darauf wurde Gratian in Lyon ermordet. Theodosius, der ohnehin nie ein herzliches Verhältnis zu Gratian gepflegt hatte und im Osten gebunden war (er befand sich mitten in den Vorbereitungen für einen eventuellen Feldzug gegen die Perser), ließ Maximus vorerst gewähren. Es kam daher zunächst zu einer Reichsteilung, wobei Gratians Halbbruder Valentinian II. nur Italien und Africa erhielt; der Rest des Westens wurde Maximus übertragen.

In den folgenden Jahren widmete sich Theodosius der Verwaltung des Ostens. Er ging gegen die fast allgegenwärtige Korruption im Beamtenapparat vor. Allerdings gelang ihm keine wesentliche Besserung der wirtschaftlichen Lage und auch keine durchschlagenden Reformen im Bereich des Steuerwesens, auch wenn man ihm dort keine Versäumnisse vorwerfen kann. Theodosius hatte es zwar nicht geschafft, den zivilen Verwaltungsapparat lückenlos zu durchdringen, wohl aber erreichte er in Teilen eine Verbesserung der Verwaltungspraxis. Theodosius bevorzugte den Adel, ob christlich oder heidnische Aristokraten war dabei nebensächlich, da er offenbar der Meinung war, dass aus dieser Schicht leichter Männer zu gewinnen waren, die sich für das Wohl des Staates einsetzten. Allerdings übersah der Kaiser dabei wohl, dass Adlige oft eher den eigenen Standesinteressen Rechnung trugen, die sich nicht mit dem Allgemeinwohl deckten.

Der heidnische Historiker Zosimos, der um 500 eine Neue Geschichte schrieb, schildert den Christen Theodosius topisch in sehr düsteren Farben. Dabei folgte er zum einen seiner Quelle Eunapios, zum anderen missbilligte Zosimos die Religionspolitik des Kaiser.[5] Zosimos warf Theodosius Nepotismus vor, was in der antiken Gesellschaft jedoch eher die Regel als die Ausnahme war; vor allem habe Theodosius die Zahl der Militärposten erhöht.[6] Negativ ist dieser letzte Schritt aber kaum zu bewerten, denn Theodosius mag damit nur gewisse Wünsche befriedigt und gleichzeitig den Einfluss des Militärs eingedämmt haben. Jedenfalls musste Theodosius sich während seiner gesamten Regierungszeit im Ostreich nie mit rebellischen Militärs auseinandersetzen. Zudem hat die moderne Forschung nachweisen können, dass Zosimos teils schlicht falsche Angaben machte, denn im Osten hatte es bereits vor Theodosius drei Heermeister gegeben, Theodosius erhöhte diese Anzahl auf fünf, wobei er aber auch mit dem Illyricum zusätzliches Territorium zu verteidigen hatte.[7]

Konstantinopel erlebte in seiner Regierungszeit einen lebhaften Aufschwung und wurde endgültig zum Zentrum des Ostreiches, hatten vorher Kaiser wie Julian Apostata oder Valens doch durchaus noch in anderen Städten ihre Residenz bezogen. Der Festungsring musste erweitert werden, die Paläste und vor allem das Forum Tauri (Forum Theodosii) wurden ausgebaut. Die Bevölkerung der Hauptstadt stieg schließlich auf ca. 250.000 Menschen an. Auch im kulturellen Bereich erlebte der Osten eine neue Blüte in Literatur und Kunst. Die „Hochschule“ der Stadt erreichte Weltrang, zumal zahlreiche Gelehrte in Konstantinopel und am Hof wirkten wie etwa der Heide Themistios. Inwiefern eine zielgerichtete Förderung seitens Theodosius erfolgte, ist heute nicht mehr klar zu beantworten. Wenigstens aber behinderte er nicht die Tätigkeit der zahlreichen Heiden, die zu dieser kulturellen Spätblüte beitrugen.[8]

Theodosius war kein kriegsbegeisterter Kaiser, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass er, völlig unüblich, nie Beinamen wie Gothicus, Persicus oder ähnliches annahm. Die nach dem Gotenvertrag von 382 einsetzende Friedensperiode kam dem Ostreich wenigstens vorläufig zugute. Wahrscheinlich 387 wurde nach jahrelangen Verhandlungen außerdem ein Vertrag mit dem Sassanidenreich geschlossen.[9] Demnach sollte das stets umstrittene Armenien geteilt werden: etwa 1/5 des Landes erhielt Rom, während der Rest von Persien annektiert wurde (so genanntes Persarmenien). Der Gebietsgewinn war für Roms vor allem aus Gründen der Grenzsicherung von Bedeutung. Damit sorgte Theodosius aber auch für Ruhe an der sonst immer bedrohten Ostgrenze und hatte so einigen Spielraum gewonnen. Im selben Jahr heiratete der Kaiser Galla, die Schwester Valentinians II.

388 zog Theodosius schließlich doch gegen Magnus Maximus in den Krieg. Dieser war in Italien eingefallen, so dass Valentinian II. zu Theodosius fliehen musste, der nun mit einem starken Heer in den Westen zog. Aus dem Konflikt ging Theodosius schließlich siegreich hervor; Maximus wurde geschlagen und getötet, was auch zeigte, in welchem Maße die Militärpolitik des Theodosius erfolgreich gewesen ist, trotz der Kritik mancher Historiker bezüglich der Verwendung von Foederati. Mit dem Sieg über Maximus hatte Theodosius de facto die gesamte Leitung des Reiches in seinen Händen. Dennoch setzte er den jungen Valentinian II. wieder im Westen ein. Ihm zur Seite stellte Theodosius den fähigen, aber auch ehrgeizigen fränkischen General Arbogast, der Jahre zuvor von Gratian zur Unterstützung des Theodosius in den Osten gegangen war. Wahrscheinlich sollte Arbogast Valentinian in Theodosius' Auftrag kontrollieren. Am 13. Juni 389 hielt schließlich Theodosius triumphalen Einzug in Rom, wo er bemüht war, sich mit den stadtrömisch-senatorischen Kreisen, die immer noch mehrheitlich heidnisch gesinnt waren, zu verständigen; so ernannte er 390 den bekennenden Heiden und hochrangigen Senator Virius Nicomachus Flavianus zum praefectus praetorio und damit zu einem der höchsten Zivilbeamten des Imperiums. Kurz darauf begab er sich nach Mailand, wo es bald zum Konflikt mit Ambrosius kam (siehe unten).[10]

Theodosius war zunächst relativ tolerant gegenüber den Heiden (gegen die er erst in seinen letzten Regierungsjahren vorging) und den Goten. Aber nachdem 390/91 der Gotenführer Alarich, der politische Gegenspieler seiner letzten Lebensjahre, sich gegen ihn erhob, verschärfte er seine Politik gegenüber den gotischen foederati. Dabei muss angemerkt werden, dass die Gotenpolitik des Kaisers immer an den Erfordernissen der Realpolitik ausgerichtet war. Theodosius mochte die Goten teils unterstützt haben. Jordanes nannte ihn im 6. Jahrhundert sogar einen

„Freund des Friedens und des gotischen Volkes“ (Jord. Getica 29, 146)

Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, die Goten auch für seine Zwecke verbluten zu lassen, wie die hohen Verluste gotischer Truppen auf seinen Feldzügen zeigen. Dieses Vorgehen, die besten verfügbaren Truppen intensiv zum Einsatz zu bringen, war freilich nicht ungewöhnlich.

Ende 391 verließ Theodosius Mailand und begab sich wieder nach Konstantinopel. Doch nur wenige Monate später kam es im Westen zu einer Entwicklung, die das erneute Eingreifen des Kaisers dort notwendig machte.

Letzte Regierungsjahre und Tod

Theodosius in der Loge des Hippodroms von Konstantinopel

Am 15. Mai 392 wurde Valentinian II. erhängt in seinem Palast in Vienne aufgefunden. Es ist unklar, ob er von Arbogast ermordet wurde oder aufgrund seiner faktischen Machtlosigkeit durch Suizid starb. Arbogast bat Theodosius vergeblich um die Entsendung eines neuen Kaisers, und so wurde schließlich der Hofbeamte und Rhetor Eugenius, der ein gemäßigter Christ war, von Arbogasts Truppen zum Kaiser ausgerufen (21./22. August 392). Bald darauf verständigte sich Eugenius mit den heidnischen Senatoren Italiens, da sich die christlichen Bischöfe unter Führung des Ambrosius von Mailand einer Kooperation mit dem Usurpator entzogen. Auch Theodosius lehnte eine Einigung mit Eugenius nach anfänglichem Zögern strikt ab. Eugenius hingegen bemühte sich seit Regierungsbeginn um seine Anerkennung durch Theodosius, wobei er explizit einen nachgeordneten Rang einnehmen wollte; so wurden von ihm bis 393 weiter Münzen mit dem Bild des Theodosius geprägt.

Bei Theodosius’ Weigerung, zu einem modus vivendi zu gelangen, wird neben machtpolitischen Überlegungen vielleicht auch der Umstand eine Nebenrolle gespielt haben, dass die heidnischen Kreise in Rom, zu denen unter anderem die Familien der Symmachi und der Nicomachi (siehe den bereits oben erwähnten Virius Nicomachus Flavianus) gehörten, recht unverblümt auf eine, inzwischen freilich anachronistische, Zurückdrängung der Christen hinarbeiteten. Vor allem Flavianus setzte sich mit Eifer für Eugenius und eine heidnische Restauration ein, während sich sein Freund und Verwandter Quintus Aurelius Symmachus, der sich Jahre zuvor für Magnus Maximus eingesetzt hatte, auffallend zurückhielt. Allerdings sind Äußerungen christlicher Autoren, dass etwa die Heiden planten, Kirchen in Ställe zu verwandeln, mit großer Vorsicht zu genießen. Es dürfte sich dabei wenigstens teilweise um einen Reflex auf die begrenzte Erneuerung der heidnischen Kulte handeln, zumal sich der Christ Eugenius gegenüber der Kirche keineswegs feindlich verhielt, freilich von Ambrosius aber eben auch keine Unterstützung erhielt.[11] Es ist damit zu rechnen, dass die christliche, pro-theodosianische Überlieferung den Bürgerkrieg absichtlich zu einem Konflikt zwischen dem „rechtgläubigen“ Kaiser und einem vermeintlich christenfeindlichen Herausforderer stilisierte. In Wahrheit standen auf beiden Seiten Christen und Heiden, und Eugenius hat vielleicht nicht mehr als eine sehr begrenzte Toleranz gegenüber den Altgläubigen angestrebt.

Theodosius erhob nun neben Arcadius, seit 383 Augustus, seinen jüngeren Sohn Honorius am 23. Januar 393 ebenfalls zum Mitkaiser, und zwar für den Westen. Damit war eine friedliche Einigung mit Eugenius und Arbogast unmöglich geworden. Bald darauf marschierte Theodosius, der den Feldzug sorgfältig vorbereitet hatte, mit einem starken Heer von angeblich etwa 100.000 Mann, zu dem auch gotische Hilfstruppen gehörten, in den Westen ein. An seiner Seite war auch Stilicho, der immer mehr zu einem wichtigen Vertrauten des Kaisers wurde. Am 5./6. September 394 besiegte man Eugenius und Arbogast in der höchst blutigen Schlacht am Fluvius frigidus im Vipava-Tal im heutigen Grenzgebiet zwischen Italien und Slowenien. Theodosius verbrachte den Vorabend der Schlacht angeblich wachend und betend in der Festung Ad Pirum auf dem Hochplateau des Birnbaumer Waldes. Es war eine der größten Schlachten der römischen Geschichte und galt den Christen im Nachhinein als ein Gottesurteil: das Christentum habe demnach über die alten Götter triumphiert. In Wahrheit hatten allerdings auf beiden Seiten Christen wie Heiden gekämpft. Eugenius wurde gefangen und hingerichtet, Arbogast starb kurz darauf durch Suizid. Die besten Einheiten des weströmischen Heeres fanden in der Schlacht den Tod – ein Verlust, der nie wieder wettgemacht werden konnte. Die altgläubigen Unterstützer des Eugenius kamen zumeist ungeschoren davon, und noch unter Honorius bekleideten Heiden hohe Ämter.

Theodosius war mit der Niederwerfung des Eugenius uneingeschränkter Herrscher über beide Reichsteile und verwirklichte, wenn auch nur für sehr kurze Zeit, ein letztes Mal faktisch die Reichseinheit. Der Kaiser war auch bestrebt, die Kluft, die durch den Bürgerkrieg entstanden war, zu überbrücken. So ließ er kurz nach der Schlacht verlautbaren, dass alle Soldaten des Eugenius, die bereit waren, ihm zu dienen, nicht nur begnadigt, sondern auch einen Anteil an der Siegesbeute erhalten würden. Auch mit den stadtrömischen Kreisen verständigte sich der Kaiser; so ernannte er mit Flavius Anicius Hermogenianus Olybrius und Flavius Anicius Probinus Konsuln, die, obwohl Christen, der Senatsaristokratie entstammten. Damit wurde auch die Gruppe, die vorher die heidnische Restaurationspolitik mit am heftigsten unterstützt hatte, vom Kaiser eingebunden.

Das römische Reich zum Zeitpunkt des Todes Theodosius’ I. 395 n. Chr.

Kaiser Theodosius I. starb überraschend am 17. Januar 395, wahrscheinlich an Wassersucht. Ambrosius, mit dem sich der Kaiser so manchen Streit geliefert hatte, hielt eine bewegende Totenrede, in der er die Person des Theodosius zum Vorbild eines christlichen Kaisers stilisierte:

Ich habe den Mann geliebt, der in seinen letzten Augenblicken mit dem letzten Atemzug nach mir verlangt hat. Ich habe den Mann geliebt, der, schon dem Ende nahe, mehr um die Lage der Kirche als um die eigene Gesundheit besorgt war. Ich habe ihn geliebt, ich gestehe es, und darum drang der Schmerz in meine tiefste Seele, und ich glaubte ihn durch den ehrenden Nachruf einer längeren Rede lindern zu sollen. Ich habe ihn geliebt und habe zum Herrn die feste Zuversicht, dass er die Stimme meines Gebetes aufnehme, das ich seiner frommen Seele nachsende. (Ambrosius, De obitu Theodosii, 35)

Ambrosius ermahnte Theodosius’ junge Söhne, die Kirche so zu achten, wie es ihr Vater getan habe. Nach einer Trauerzeit wurde der Leichnam nach Konstantinopel gebracht und dort in der Apostelkirche beigesetzt. Theodosius hinterließ seinen beiden Söhnen Arcadius und Honorius das Reich: Honorius (dem Stilicho zur Seite gestellt wurde; ob dies auf Theodosius zurückgeht, ist umstritten) wurde im Westen, Arcadius im Osten Kaiser. Allerdings ließ niemand am Fortbestand des Imperiums Zweifel aufkommen, mochte es auch nach dem Willen des verstorbenen Kaisers unter seinen Söhnen in zwei Herrschaftsbereiche aufgeteilt werden (wie schon beispielsweise unter Valentinian I. und Valens), wobei formal die Reichseinheit, die Theodosius so am Herzen gelegen hatte, gewahrt wurde (siehe auch Reichsteilung von 395). Bald jedoch entwickelten sich die beiden Reichsteile langsam, aber doch endgültig auseinander, und nur knapp 80 Jahre später sollte das weströmische Kaisertum untergegangen sein. Keinem Kaiser nach Theodosius sollte es gelingen, die Einheit des Reiches auch faktisch wiederherzustellen, auch wenn Justinian I. dies noch im 6. Jahrhundert mit einigem Erfolg versuchte, wenn auch erkauft mit großen Opfern.

Religionspolitik

Christlicher Kaiser

Darstellung Theodosius’ I. auf einer römischen Münze

In den (freilich stark tendenziösen) Quellen wird immer wieder die christliche Frömmigkeit des Kaisers betont. Diese kam auch darin zum Ausdruck, dass er als Kaiser endgültig den Titel Pontifex Maximus ablehnte, da er der höchste Titel der heidnisch-altrömischen Religion war, obwohl es in der Forschung nicht ganz unumstritten ist, ob dieser Schritt wirklich von Theodosius selbst ausging. Weiterhin zeigte er als Erster seine Ernennung zum Kaiser nicht nur bei dem Senat in Rom, sondern auch bei dem in Konstantinopel an.

Was Theodosius von seinen Vorgängern unterschied, war nicht sein christlicher Glaube als vielmehr seine dezidiert „katholisch-orthodoxe“ Konfession: Die meisten christlichen Kaiser vor ihm hatten mit dem Arianismus sympathisiert. Theodosius erklärte hingegen 380 in dem berühmten Edikt Cunctos populos (welches an die Bevölkerung Konstantinopels gerichtet war, aber auch die Gesamtbevölkerung des Reiches ansprach) das nicänische Christentum zur De-facto-Staatsreligion. Die Erklärung des Kaisers erläuterte, als wahrer Katholik gelte nur, wer in der Religion lebe, die der Apostel Petrus den Römern überliefert habe und zu der sich der damalige Papst Damasus sowie der damalige Bischof von Alexandria, Petros, bekennen würden; daher gelte, „dass wir also an die eine Gottheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes bei gleicher Majestät und heiliger Dreifaltigkeit glauben“.[12] Alle anderen sollten als Häretiker gelten. Allerdings war dies eine Maßnahme bezüglich innerchristlicher Streitigkeiten und noch kein Schlag gegen das „Heidentum“ (das selbst ja ein Sammelsurium ganz unterschiedlicher Kulte darstellte, die kaum etwas gemeinsam hatten), welches noch jahrelang toleriert werden sollte.

Zusätzlich berief Theodosius, um den seit 325 andauernden Streit und die drohende Glaubensspaltung zwischen Trinitariern und Arianern zu lösen, 381 das 1. Konzil von Konstantinopel (das 2. ökumenischen Konzil) ein. Auf diesem Konzil entschieden 150 Bischöfe über die endgültige Fassung des Nicäischen Glaubensbekenntnisses (welches bis heute Bestand hat) und zwar in einer Form, die den zuvor geäußerten Wünschen des Kaisers entsprachen. Der Arianismus wurde nochmals verworfen. Die Bischöfe folgten damit der Leitlinie, dass der Kaiser einen wesentlichen Anspruch auf Mitsprache in Glaubensfragen habe. Indirekt schwächten die Beschlüsse aber auch bewusst die Position Gratians, der im selben Jahr ebenfalls ein Konzil in Aquileia einberufen und mit dem Arianismus sympathisiert hatte.

Theodosius ergriff erst in seinen letzten Regierungsjahren – offenkundig im Zusammenhang mit der Usurpation des Eugenius – energisch Maßnahmen gegen das Heidentum, das er bis dahin toleriert hatte; so waren weiterhin heidnische Beamte und Militärs beschäftigt worden (und sollten es auch weiterhin sein). 391/92 verbot er jedoch schließlich die heidnischen Kulte und ihre Ausübung. Dies war, wie gesagt, vermutlich eine begrenzte Aktion, die sich wohl ganz konkret gegen die großteils altgläubigen Anhänger des Eugenius richten sollte. 393 wurden auch die Olympischen Spiele verboten, doch erst Theodosius II. setzte ihnen mit der Verbrennung des Zeustempels wirklich ein Ende (obwohl sie noch bis ins 6. Jahrhundert heimlich und in geringerem Umfang stattgefunden haben sollen).

Ob die entsprechenden Erlasse des Kaisers, die wohl in einen begrenzten zeitlichen, politischen und lokalen Zusammenhang gehörten, wirklich wörtlich zu nehmen sind, wird von der Forschung inzwischen aber bezweifelt: Bemerkenswerterweise findet sich weder bei christlichen noch bei heidnischen Autoren des fünften Jahrhunderts ein Hinweis auf ein faktisch wirksames Verbot der paganen Kulte. Wenn die kaiserlichen Gesetze also reichsweit gelten sollten, so wurden sie offenbar weder wahrgenommen noch durchgesetzt. Heute sind daher viele Forscher der Meinung, erst Kaiser Justinian I. sei (150 Jahre nach Theodosius) wirklich entschlossen und tatkräftig gegen die letzten Altgläubigen im Imperium vorgegangen und habe die letzten offiziell geduldeten Tempel schließen lassen.

Im Jahre 391 kam es zu einem schweren Zwischenfall: In Alexandria war es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden gekommen, wohl angeheizt vom Patriarchen Theophilos. Einige Heiden hatten sich im bekannten Serapisheiligtum verschanzt, Christen zum Opfern gezwungen und teils gekreuzigt. Theodosius vergab zwar die Morde, um so die Situation zu beruhigen, ordnete aber die Zerstörung des Heiligtums an, wobei Theophilos auch andere heidnische Heiligtümer zerstörte. Andere Berichte über Tempelzerstörungen sind jedoch sehr problematisch, ihre Richtigkeit ist nicht immer einwandfrei zu klären. Klar ist in jedem Fall, dass Theodosius Tempelzerstörungen nie angeordnet hat und sie vielmehr auf Übergriffe lokaler Statthalter bzw. Bischöfe zurückzuführen sind.[13]

Die Auseinandersetzung mit Ambrosius

van Dyck: Ambrosius und Theodosius

Zwei Beispiele verdeutlichen, wo die Grenzen kaiserlicher Macht im religiösen Bereich lagen. 388 war eine Synagoge in Callinicum, im Osten des Reiches, in Flammen aufgegangen. Ein Motiv für diesen Akt lieferte möglicherweise die vom Sassanidenkönig Schapur II. Jahre zuvor initiierte grausame Christenverfolgung, an der auch Juden beteiligt gewesen sein sollen.[14] Theodosius wollte jedoch die christlichen Brandstifter zur Verantwortung ziehen, wurde aber von Ambrosius, dem Bischof von Mailand, der bereits auf Gratian und Valentinian II. großen Einfluss ausgeübt hatte, davon abgebracht.

Ein zweites Beispiel ist das Massaker von Thessaloniki im Jahr 390, in dem angeblich 7.000 Bürger aufgrund der Ermordung des gotischen Generals Butherich von aufgebrachten gotischen Truppen niedergemetzelt wurden; Theodosius hatte den Befehl nicht mehr rechtzeitig zurücknehmen können. Dafür wurde Theodosius von Ambrosius nicht zur Messe zugelassen und so zu einem Bußakt gezwungen, der aber keineswegs die Amtswürde des Kaisers herabsetzte: So wurde dieses Ereignis auch von Ambrosius nicht aufgefasst, zumal Theodosius so die Möglichkeit hatte, sich als demütiger, aber auch tugendhafter Herrscher zu präsentieren.[15] Dennoch zeigen die Beispiele, dass ein mächtiger und willensstarker kirchlicher Amtsträger dem Kaiser, der für sich in Anspruch nahm, über allen Gesetzen zu stehen, durchaus Konzessionen abringen konnte. Dies war eine direkte Folge der 380 erfolgten Taufe, da der Kaiser nun auch kirchlichen Sanktionen ausgesetzt war.

Bewertung der Religionspolitik

Bei der Betrachtung der Religionspolitik des Theodosius muss betont werden, dass manch scharfe Verlautbarung in den Gesetzen eine eher milde Umsetzung in der Praxis fand – wenn überhaupt. Theodosius war offenbar kein „Scharfmacher“; ihm ging es vor allem um das integrierende Element der Religion, um so eine eventuelle von dort ausgehende Bedrohung für die Stabilität des Staates auszuschließen. Vor allem gegen Häretiker, nicht gegen Heiden, sollte vorgegangen werden, und hier zeigen die Aussage späterer Zeitgenossen, wie die des Orosius, aber auch des Augustinus von Hippo, dass gerade die Religionspolitik des Theodosius nicht unerheblich dazu beigetragen hat, dass das Römischen Reich trotz seiner faktischen Teilung 395 (Reichsteilung von 395) noch einmal eine gewisse innere Einheit erlangte, so brüchig diese auch sein mochte. Die Religionspolitik des Theodosius, die geprägt war vom allgemein anerkannten kaiserlichen Selbstverständnis als Gottes Vizekönig auf Erden, sorgte schließlich für einen deutlichen Schub in der Christianisierung des Imperiums, das nun den Sprung zum wirklichen Imperium Romanum Christianum vollzog, auch wenn das Heidentum noch mindestens 200 Jahre lang fortbestand.[16]

Arcadius auf einem Solidus
Bronzemünze mit dem Profil des Honorius

Familie

Von seiner ersten Frau Aelia Flacilla († 386) hatte Theodosius drei Kinder, zwei Söhne, die später seine Nachfolge übernahmen, und eine Tochter:

Von seiner zweiten Frau Galla, einer Tochter Valentinians I., hatte er eine Tochter, Galla Placidia, welche nach seinem Tod noch eine große politische Rolle spielen sollte, sowie einen Sohn namens Gratian, der allerdings früh verstarb († 394 ?).

Rezeption

Im Urteil der Zeitgenossen

Theodosius wurde bereits von Zeitgenossen unterschiedlich beurteilt. Für viele Heiden (wie Themistios und Libanios), aber vor allem die Kirchenhistoriker (Orosius, Sozomenos, Sokrates) war er ein Vorbild an Herrschertugenden. Der Historiker Zosimos (der sich dabei dem harten Urteil seiner Quelle, dem Heiden Eunapios von Sardes, anschloss) sah dies ganz anders, wobei das Werk des Zosimos (gerade aufgrund dessen Haltung zum Christentum) in vielerlei Hinsicht problematisch und stark subjektiv gefärbt, teils gar widersprüchlich und fehlerhaft ist. Ähnliche Vorbehalte müssen freilich auch für die Kirchenhistoriker gelten, die bemüht waren, den Kaiser im besten Licht darzustellen.

In der Forschung

In der älteren Forschung war man Theodosius gegenüber teils skeptisch und negativ (wie Otto Seeck und der französische Historiker André Piganiol) oder vollkommen positiv gewogen (Ernst Kornemann). Auch in der modernen Forschung reicht das Spektrum von wohlwollend (Adolf Lippold) bis zu leicht distanziert (Hartmut Leppin, der manche Erfolge des Kaisers auf sein „Glück“ zurückführt und das nicänischen Bekenntnis des Kaisers auch unter taktischen Gesichtspunkten zu deuten versucht).[17] Gleichzeitig betont Leppin aber immer wieder auch das umsichtige und auf Integration ausgelegte Handeln des Kaisers, sowie den Unterschied zwischen „starken Worten und milden Taten“, etwa in Bezug auf die Religionspolitik.

Die Quellen eröffnen aufgrund ihrer Ambivalenz viele Möglichkeiten der Interpretation, ohne dass der Kaiser als Person wirklich fassbar wird. Doch ist man sich in der modernen Forschung weitgehend einig, dass man Theodosius kaum die nachfolgende Entwicklung des Westreiches zum Vorwurf machen kann – denn die römische Politik versagte hinsichtlich der Barbaren erst, als diese bereits nach dem Zusammenbruch der Rheingrenze 406 ins Reich eingebrochen waren (siehe Rheinübergang von 406) und es schließlich keine Möglichkeit mehr gab, ihnen Einhalt zu gebieten.

Bewertung

Bald nach seinem Tod wurde Theodosius wegen seiner Bemühungen um die Einigung der Kirche „der Große“ genannt. Im Bereich der Religionspolitik ist ihm der wirkliche Durchbruch zum christlichen Imperium gelungen, wobei seine (wenigstens indirekte) Rolle bei der endgültigen Formulierung des Nicäischen Glaubensbekenntnisses, welches bis heute Gültigkeit hat, von Bedeutung ist. Damit wurde gleichzeitig auch ein wichtiger Schritt zur inneren Stabilisierung des Reiches getan.

Allerdings gelang es ihm im militärischen Bereich nicht, das Rekrutierungsproblem nachhaltig zu lösen. Die Barbarisierung des Heeres ging aufgrund der zunehmenden Verwendung von Foederati stetig voran, wobei diese Praxis allerdings nur dem damaligen Mangel an verfügbaren Soldaten Rechnung trug. Um dieses Problem, welches vor allem nach dem Debakel von Adrianopel bestand, zu lösen, erschien es Theodosius als unerlässlich, mit Hilfe barbarischer Hilfstruppen das Heer aufzustocken: Eine Maßnahme, auf die auch schon die Vorgänger des Theodosius zurückgegriffen hatten und die auch vorläufig Erfolg haben sollte. Eine lückenlose Durchdringung der zivilen Eliten und eine wirksame Lösung der finanziellen Probleme, die teilweise durch die Besoldung der Föderaten herbeigeführt wurden, ist ihm dennoch nicht geglückt. Dafür kam es zu Verbesserungen in der Verwaltungspraxis, während Literatur und Kunst in seiner Regierungszeit noch einmal einen Aufschwung erleben sollten.

Theodosius I. gilt, trotz mancher Einschränkung, als bedeutendster Herrscher in der Zeit zwischen Konstantin dem Großen und Justinian I. Es ist nicht zuletzt den Fähigkeiten und den Maßnahmen des Theodosius zu verdanken gewesen, dass das Ostreich nach Adrianopel wieder stabilisiert und die Gotengefahr wenigstens vorläufig gelöst wurde, zumal Theodosius militärische Abenteuer vermied und eine Dynastie begründete, welche die langlebigste des spätrömischen Reiches sein sollte. Der Kaiser handelte stets mit Bedacht und versuchte integrativ tätig zu sein. Seine sorgfältig vorbereiteten und durchaus erfolgreichen Feldzüge, wie gegen Magnus Maximus und Eugenius, zeugen auch von seinem militärischen Geschick, wenn er auch kein Eroberer war.

Theodosius selbst scheint manchmal wankelmütig gewesen zu sein, war aber ein durchaus fähiger Herrscher, der im Gegensatz zu manchem seiner Vorgänger und Nachfolger durchaus eigenständige Entscheidungen traf, wobei Zeitgenossen vor allem seinen Charakter gelobt haben. Milde übte er auch gegenüber seinen Feinden.[18] Sein hohes Ansehen kommt auch in den Lobpreisungen der Heiden Libanios und Themistios zum Ausdruck, die freilich teils auch dem spätantiken Herrscherideal Rechnung tragen.

Siehe auch: Spätantike

Literatur

Quellen

An Quellen stehen uns neben diversen Gesetzen auch die Historia Nea, das Geschichtswerk des Zosimos (Buch 4), der darin heidnische Autoren wie Eunapios von Sardes rezipierte, und die Kirchengeschichten des Theodoret (Buch 5), des Sozomenos (Buch 7) und des Sokrates Scholastikos (Buch 5) zur Verfügung. Neben verschiedenen Panegyrici, beispielsweise von Themistios und Claudian, sind auch die Reden des Libanios sowie die Werke der Kirchenväter Ambrosius und Augustinus (De civitate Dei) von Bedeutung. Zu Details sei auf den Artikel von Adolf Lippold in der RE verwiesen (siehe unten).

  • C.E.V. Nixon, B. S. Rodgers (Hrsg.): In Praise of Later Roman Emperors. The Panegyrici Latini. Oxford 1994, ISBN 0520083261.
    (Panegyrici in englischer Übersetzung und mit knappen Kommentar versehen.)

Sekundärliteratur

  • Thomas S. Burns: Barbarians within the Gates of Rome. A Study of Roman Military Policy and the Barbarians (ca. 375-425). Bloomington 1994, ISBN 0253312884.
    (Detaillierte militärgeschichtliche Studie, in der teils sehr interessante Ansichten bezüglich der römischen Gotenpolitik vertreten werden.)
  • John Curran: From Jovian to Theodosius. In: A. Cameron, P. Garnsey (Hrsg.): The Cambridge Ancient History. The Late Empire, A.D. 337-425. Bd 13. Cambridge 1998, speziell S. 101ff., ISBN 0521302005.
  • Jörg Ernesti: Princeps christianus und Kaiser aller Römer. Theodosius der Große im Lichte zeitgenössischer Quellen. Schöningh, Paderborn-München-Wien 1998, ISBN 3-506-76275-3.
  • Robert Malcolm Errington: Roman Imperial Policy from Julian to Theodosius. Chapel Hill 2006.
  • Robert Malcolm Errington: Theodosius and the Goths. In: Chiron 26 (1996), S. 1–27, ISSN 0069-3715.
    (Informativer Aufsatz, der die Gotenpolitik Theodosius’ beleuchtet und dabei auf den neueren Forschungsstand eingeht.)
  • Robert Malcolm Errington: Christian Accounts of the Religious Legislation of Theodosius I. In: Klio 79 (1997), S. 398–443, ISSN 0075-6334.
    (Wichtiger Aufsatz zur Bewertung der kaiserlichen Religionspolitik. Errington kann plausibel machen, dass die antiheidnischen Gesetze des Kaisers in der Praxis weitgehend wirkungslos blieben.)
  • Geoffrey B. Greatrex: The Background and Aftermath of the Partition of Armenia in A.D. 387. In: The Ancient History Bulletin 14 (2000), S. 35–48, ISSN 0835-3638.
  • Richard Klein: Theodosius der Große und die christliche Kirche. In: Eos 82 (1994), S. 85–121, ISSN 0012-7825.
  • Hartmut Leppin: Theodosius der Große. Auf dem Weg zum christlichen Imperium. Gestalten der Antike. Primus, Darmstadt 2003, ISBN 3896784714.
    (Derzeit die aktuelle und wohl beste Darstellung in deutscher Sprache, wobei Leppin teilweise die [militärischen] Fähigkeiten des Theodosius wohl zu gering einschätzt.)
  • Hartmut Leppin: Theodosius der Große und das christliche Kaisertum. Die Teilungen des Römischen Reiches. In: Mischa Meier (Hg.), Sie schufen Europa. Beck, München 2007, S. 27–44.
  • Adolf Lippold: Theodosius der Große und seine Zeit. 2. Aufl. Beck, München 1980, ISBN 3-406-06009-9.
    (Ältere Darstellung; im deutschen Raum der Klassiker zum Thema.)
  • Adolf Lippold: Theodosius I. In: Pauly-Wissowa Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband 13, Sp. 837–961.
    (Wichtiger Artikel, der detailliert auf die Quellenlage eingeht.)
  • André Piganiol: L’Empire chrétien (325–395). 2. Aufl. Presses Universitaires de France, Paris 1947 [von André Chastagnol bearbeitete Auflage, Paris 1972].
  • Otto Seeck: Geschichte des Untergangs der antiken Welt. Bd 5. 1921; ND Primus, Darmstadt 2000, ISBN 3896781618.
    (Kenntnisreiche, aber teilweise veraltete und aufgrund der Anlehnung an den Sozialdarwinismus nicht unumstrittene Darstellung.)
  • Stephen Williams, Gerard Friell: Theodosius. The Empire at Bay. London 1994, ISBN 0300074476.
    (Solide Darstellung der Regierungszeit des Theodosius.)

Weblinks

Anmerkungen

  1. Zur Entwicklung nach Adrianopel und der Erhebung des Theodosius vgl. Leppin, Theodosius der Große (2003), S. 35ff.
  2. Siehe dazu zuletzt Guy Halsall: Barbarian Migrations and the Roman West. Cambridge 2007, S. 180ff.
  3. Siehe dazu Leppin, Theodosius der Große (2003), S. 45ff.
  4. Zur Lösung des „gotischen Problems“ vgl. auch Burns, Barbarians within the Gates of Rome, S. 73ff.
  5. Vgl. etwa Zosimos 4,26–30 und 4,33.
  6. Zosimos 4,30.
  7. Zur Kritik am falschen Theodosiusbild, das durch Zosimos vermittelt wird, vgl. etwa den Kommentar von Stefan Rebenich in: Otto Veh (Übersetzer), Zosimos. Neue Geschichte, Stuttgart 1990, S. 344f. Vgl. auch Alexander Demandt, Magister militum, in: Pauly-Wissowa RE, Supplementband 12, Sp. 720ff., zu den Nachweisen für die Anzahl der Heermeister im Osten.
  8. Vgl. Leppin, Theodosius der Große (2003), S. 188ff.
  9. Vgl. Greatrex, The Background and Aftermath of the Partition of Armenia in A.D. 387
  10. Leppin, Theodosius der Große (2003), S. 106ff.
  11. Eine gute, wenn auch freilich in Teilen sehr veraltete Analyse bietet Herbert Bloch: The Pagan Revival in the West at the End of the Fourth Century. In: Arnaldo Momigliano (Hrsg.): The Conflict Between Paganism and Christianity in the Fourth Century. Oxford 1963, S.193–218. Allgemein auch Leppin, Theodosius der Große (2003), S. 205ff.
  12. Aufgenommen in den Codex Justinianus 1,1,1.
  13. Leppin, Theodosius der Große (2003), S. 169ff. (zu den Ereignissen in Alexandria), S. 124f. (zu vorherigen Übergriffen).
  14. Vgl. Richard Klein: Theodosius der Große und die christliche Kirche. In: Richard Klein. Roma versa per aevum. Ausgewählte Schriften zur heidnischen und christlichen Spätantike (Spudasmata 74). Herausgegeben von Raban von Haehling und Klaus Scherberich, Hildesheim, Zürich, New York 1999, S. 275.
  15. Vgl. zusammenfassend etwa Leppin, Theodosius der Große (2007), S. 36f.
  16. Allgemein zur Religionspolitik vgl. Leppin, Theodosius der Große (2003), S. 169ff. mit weiterer Literatur; siehe auch Klein, Theodosius der Große.
  17. Vgl. zu Leppins Buch auch die Besprechung in Plekos von Richard Klein: Aber ob nicht, so ließe sich dagegen fragen, die Erhaltung der Reichseinheit, die äußere Sicherung des Imperiums in einer fast ausweglosen Situation und der tatkräftige Abschluß eines lange andauernden Glaubensstreites doch Beweise von Kraft und Größe sind? Mit bloßer Fortüne oder ”Dusel“ war das sicher ebensowenig zu erreichen wie mit bloßem Taktieren in Glaubensfragen.
  18. Neben dem Bemühen um Verständigung nach den Bürgerkriegen kann auch eine Episode aus dem Jahr 384 herangezogen werden, als es zum einzigen Usurpationsversuch kam. Ein Attentäter wurde gefasst, vom Kaiser aber demonstrativ geschont, vgl. Leppin, Theodosius der Große (2003), S. 122.

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