Tibull

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Tibullus

Albius Tibullus, eingedeutscht Tibull (* um 55 v. Chr; † 19/18 v. Chr.), war ein römischer Elegiker, um 55 v. Chr. geboren aus ursprünglich wohlhabendem Rittergeschlecht, das in den Bürgerkriegen einen großen Teil seiner Güter verloren hatte. Er begleitete 31 v. Chr. seinen Gönner Messalla auf dem aquitanischen Feldzug. Dessen Aufforderung, ihn nach Asien zu begleiten, lehnte er anfangs ab, da ihn die Liebe zu Delia (eigentlich Plania), einer Libertine in Rom, zurückhielt; zwar entschloss er sich noch zur Mitreise, doch musste er, unterwegs erkrankt, in Kerkyra zurückbleiben. Nach Rom zurückgekehrt, fand er seine Geliebte mit einem reicheren Bewerber verheiratet, ein Schlag, den er nicht wieder verwunden zu haben scheint. Er starb bald nach Vergil, 19 oder 18 v. Chr.

Es muss dazugesagt werden, dass in antiker Dichtung oft, und so auch bei Tibull, biographische Daten aus dem Werk gewonnen wurden, ohne zu bedenken, dass ein Werk prinzipiell fiktiver Natur ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind biographische Angaben ins Werk eingeflossen, aber es lässt sich nur mittels anderer Quellen rekonstruieren, welche Angaben stimmen und welche dem Werk angepasst wurden. Bis weit ins 20. Jahrhundert war es für Gelehrte unbefriedigend, nichts über den Autor zu wissen. So zogen sie Daten aus dem Werk, um damit das Werk wieder zu interpretieren; oft ein gefährlicher Zirkelschluss. Tibulls Todesdaten dürften stimmen. Domitius Marsus verfasste auf den im Jahre 19 verstorbenen Dichter Vergil einen Nachruf, in dem auch Tibull erwähnt wird.

Inhaltsverzeichnis

Werk

Tibull ist der Autor zweier Gedichtbücher, die zu der besonderen Gattung der Augusteischen Liebeselegie zählen. Das erste Buch, welches zehn Elegien umfasst, wurde im Jahre 27 v. Chr. veröffentlicht. Das zweite dürfte noch zu Lebzeiten, kurz vor Tibulls Tod erschienen sein. Die Bücher drei und vier, die in den gängigen Tibullausgaben zu finden sind, stammen aber nicht mehr aus seiner Hand; sie werden daher oft als Appendix Tibulliana („Anhang zu Tibull“) bezeichnet. Das ganze dritte Buch rührt von einem wenig talentvollen Nachahmer her, der sich selbst mit dem Namen Lygdamus und als 43 v. Chr. geboren bezeichnet, und von den Gedichten des vierten Buches haben eine Anzahl poetische Liebesbriefe ein junges Mädchen namens Sulpicia zur Verfasserin. Ebenso wenig von Tibull stammen wohl auch die zwei Priapeen, die ihm zugeschrieben wurden.

Illustration von Otto Schoff zur modernen Buchausgabe von Tibulls Marathus-Elegien[1]

Tibull war einer der drei Dichter der augusteischen Liebeselegie. (Von dem Begründer der Gattung, Gallus, sind nur Fragmente, das sogenannte "Gallus-Papyrus" erhalten.) Die beiden anderen sind Properz und Ovid. Alle drei Dichter haben im Zentrum ihrer Liebeselegie eine Frau stehen. Bei Properz ist es Cynthia, bei Ovid Corinna und bei Tibull ist es eine Delia. Anders als bei Properz oder Ovid, die nur die eine Frau als Fixpunkt haben, spricht Tibull in einigen Gedichten des ersten Buches noch von einem Geliebten Marathus. Mit Delia bricht er am Ende des ersten Buches. Im zweiten Buch erscheint eine neue Geliebte namens Nemesis, die nicht zu Unrecht den Namen der Rachegöttinnen trägt.

Ebenso auffällig ist, dass Tibull so gut wie nie Götter und Vergleiche aus der Welt der Götter in sein Werk eingebaut hat. Nur in Gedicht II, 3 gibt es eine längere Apollon gewidmete Passage. Die Gedichte bewegen sich inhaltlich in dem Spannungsverhältnis zwischen Tibulls Liebe zu einer der drei schon genannten Personen, seinem Wunsch, ein einfaches Leben auf dem Lande zu führen und der Verpflichtung seinem Patron Messalla gegenüber, dessen kriegerische Ader Tibull aber von Beginn an ablehnt. Die rurale Thematik schafft eine Nähe zu den Eklogen des Vergil.

Tibulls Sprache unterscheidet sich von der des Ovids und Properzens. Nicht nur fehlen die Göttervergleiche, es fehlt auch beim ersten Hinsehen die Struktur und die Geschliffenheit. Tibull schreibt assoziativ; ein Wort genügt, um ihn von einem Thema zu einem anderen zu bringen. Er vermeidet entlegene Wörter und begnügt sich mit einem sehr begrenzten Wortschatz. Weiterhin arbeitet er mit emphatischen Anrufungen, mit Interjektionen und mit Wiederholungen. All das führt zu einer Identifikation mit dem Helden und dazu, all sein Leiden ob der unglücklichen Liebe als spontane Äußerungen zu werten. Bei näherem Hinsehen merkt der Kenner jedoch, wie kunstvoll die Verse geschmiedet sind und in welchem Gegensatz diese Verskunst zu einer spontanen Äußerung steht. In den letzten Jahrzehnten mehren sich die Stimmen in der Forschung, die betonen, wie viel Humor auch in den Versen steckt.

Properz und Ovid wurden und werden wegen ihrer kunstvollen Sprache und der mythischen Vergleiche geschätzt. Tibull dagegen wird anders wahrgenommen, zu einfach, zu banal erscheinen seine Themen und Verse. Dies ist jedoch ein großer Irrtum, der in der Antike nicht begangen wurde. Der Gelehrte Quintilian schrieb über die römische Liebeselegie: „deren Autor Tibull mir als der geschliffenste und eleganteste erscheint. Es gibt Leute, die mögen Properz lieber. Ovid ist von den beiden der laszivere, sowie Gallus der rauere.“[2]

Bekannte ältere deutsche Übersetzungen der Werke Tibulls stammen von Johann Heinrich Voß (Heidelberg 1811), Lachmann (Berlin 1829), Dissen (Göttingen 1835, 2 Bde.), Haupt (5. Aufl., Leipzig 1885), Lucian Müller (das. 1870), Bährens (das. 1878), Hiller (das. 1885). Übersetzungen lieferten Voß (Tübingen 1810), Teuffel (Stuttgart 1853 u. 1855), Binder (2. Aufl., Berlin 1885), Eberz (Frankfurt 1865).

Literatur

  • Godo Lieberg: Tersus atque elegans maxime Tibullus. Testimoniensammlung zum Stil Tibulls von der Antike bis zur Gegenwart. Bochum 2009, 87 Seiten. Beim Verfasser : Cranachstr. 14 a in 44795 Bochum für 18€ erhältlich.
  • Sebastian Lamm: Augustus im Spiegel des Dichters Tibull. Analyse, Darstellung und Interpretation der Schriften Tibulls hinsichtlich des Wechselverhältnisses von Staat und Poesie. Berlin 2007, ISBN 3-86664-167-2.
  • Christoff Neumeister: Tibull. Einführung in sein Werk. Heidelberg 1986, ISBN 3-533-03770-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Albius Tibullus: Das Buch Marathus. Elegien der Knabenliebe. Deutsche Nachdichtung von Alfred Richard Meyer. Gurlitt, Berlin 1928 (mit 5 Radierungen von Otto Schoff).
  2. Im Original: „cuius mihi tersus atque elegans maxime videtur auctor Tibullus. sunt qui Propertium malint. Ovidius utroque lascivior, sicut durior Gallus.“ Institutio oratoria X 1, 93.

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