- Barrierefreiheit
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Barrierefreiheit bedeutet, dass Gegenstände, Medien und Einrichtungen so gestaltet werden, dass sie von jedem Menschen unabhängig von einer eventuell vorhandenen Behinderung uneingeschränkt benutzt werden können. Bedingt durch Antidiskriminierungskampagnen, die die Berücksichtigung der besonderen Ansprüche von Menschen mit Behinderung einforderten, sind in Deutschland unter teils hohen Kosten etliche öffentliche Einrichtungen umgebaut worden. Zum anderen ist durch die demografische Entwicklung das Thema seit den 1990er Jahren zunehmend ins öffentliche Bewusstsein gerückt. In Deutschland etwa wird sich nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes die Zahl der 80-Jährigen und Älteren bis zum Jahr 2050 nahezu verdreifachen, von heute knapp vier Millionen auf zehn Millionen.
Inhaltsverzeichnis
Anderweitige Bezeichnungen
Mitunter wird statt „Barrierefreiheit“ auch der Begriff Zugänglichkeit (abgeleitet von englisch accessibility) verwendet. Im Zusammenhang mit dem Internet verzichtet man häufig ganz auf eine Übersetzung und nutzt das englische Wort. Häufig gebraucht wird auch immer noch der inzwischen aus der Mode gekommene Begriff behindertengerecht, obgleich Barrierefreiheit die Zugänglichkeit und Benutzbarkeit für alle Menschen bedeutet – nicht nur für die mit Behinderungen. Daher wird in letzter Zeit oft auf diesen Begriff verzichtet, wenn tatsächlich nur die leichte Zugänglichkeit gemeint ist. Umgekehrt umfasst der Begriff behindertengerecht auch Maßnahmen, die z. B. Blinden oder geistig behinderten Menschen zugutekommen.
Weil der Abbau aller Barrieren oft unmöglich ist, nimmt man häufig auch den Begriff Barrierearmut.
Annäherung an den Begriff
Es existieren verschiedene Definitionen des Begriffs Barrierefreiheit:
Die Definition von „Integration Österreich“ ist recht allgemein gehalten:
„Barrierefreiheit bedeutet Zugänglichkeit und Benutzbarkeit von Gebäuden und Informationen für alle Menschen, egal ob sie im Rollstuhl sitzen, ob es sich um Mütter mit Kleinkindern oder Personen nicht deutscher Muttersprache handelt, ob es blinde, gehörlose, psychisch behinderte oder alte Menschen sind […]“
Genauer legt sich das deutsche Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen in seinem § 4 fest:
„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“
Im DIN Fachbericht 124, Pkt. 2.3 wird barrierefrei als
„Eigenschaft eines Produktes, das von möglichst allen Menschen in jedem Alter mit unterschiedlichen Fähigkeiten weitgehend gleichberechtigt und ohne Assistenz bestimmungsgemäß benutzt werden kann. (Barrierefrei ist nicht allein mit hindernisfrei im physikalischen Sinne gleichzusetzen (siehe auch DIN 33942), sondern bedeutet auch zugänglich, erreichbar und nutzbar.)“
Im Bericht der österreichischen Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich wird Zugänglichkeit wie folgt definiert:
„... eine wesentliche Voraussetzung für ihre [der Behinderten] gesellschaftliche Teilhabe in allen Lebensbereichen […]“
Hier wird also die zuvor schon erwähnte Selbständigkeit und Teilhabe auf alle Lebensbereiche ausgeweitet, was bedeutet, dass es Menschen mit Behinderung durch Anpassungen in ihrer Umwelt möglich sein soll, so zu leben wie nicht behinderte Menschen. Das beinhaltet Zugang zu Wohnungen, Gebäuden, Verkehrsmitteln, Ausbildung, Beschäftigung, Gütern, Dienstleistungen und Informationen.
Anwendungsbereiche der Kategorie „Barrierefreiheit“
Barrierefreie Bauten, Außen- und Verkehrsanlagen
Die wichtigsten Vorstellungen darüber, wie behindertengerechte Bauten beschaffen sein sollten, lassen sich in den Erläuterungen zur Norm DIN 18030 finden, die allerdings nicht in Kraft getreten ist.[1] Mit dem Thema „barrierefreie Arztpraxen“ hat sich die österreichische Organisation „Hilf selbst mit“ befasst.[2]
Nicht jedes Angebot, für das mit dem Prädikat „barrierefrei“ oder „behindertenfreundlich“ geworben wird, erfüllt jedoch die erforderlichen Ansprüche. So bezeichnen Architekten oftmals Wohnanlagen als „behindertenfreundlich“, die keineswegs rollstuhlgerecht sind, indem sie z. B. keine Niveauangleichungen ohne Stufen und zu schmale Türen bereitstellen.[3]
Rollstuhlfahrer und Rollatornutzer haben Probleme mit der Bordsteinkante. Für Blinde muss die Grenze zwischen Fußweg und Straße allerdings deutlich wahrnehmbar sein. Bisher wurde als Kompromiss die Bordsteinhöhe auf 3 cm festgelegt. Damit wird man aber beiden Gruppen nicht gerecht, und zudem ist die präzise Höhe nur schwer einzuhalten. In vielen europäischen Ländern werden stattdessen kurze Rampen für Rollstuhlfahrer gebaut, oder Bordabsenkungen werden für Blinde durch Bodenindikatoren angezeigt. Die Stadt Graz hat hierzu ein umfangreiches Konzept erarbeitet: Eine Lösung für das sichere Gehen Blinder auf Fußwegen bietet das „Grazer T“[4]. Die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung hat einen Planungsleitfaden entwickelt, um den Interessenkonflikt zwischen blinden und gehbehinderten Menschen zu lösen[5]. Dabei wird auch ein Schrägbordstein verwandt, das „Kasseler Rollbord“[6] Ampeln sollten durchweg mit akustischen Signalen für Blinde ausgestattet sein.
Barrierefreies Arbeiten am und mit dem Computer
Barrierefreie Kommunikation und Information
Grenzen der Barrierefreiheit
Allgemein
Da es die vielfältigsten Behinderungen gibt, ist Barrierefreiheit lediglich ein Ideal, dem sich die Realität nur annähern kann. Insbesondere die Natur selbst schafft immer wieder Barrieren, die auch von nicht behinderten Menschen nur schwer zu überwinden sind. Alle durch Leistungseinschränkungen bewirkten Handicaps durch technische Maßnahmen zu kompensieren ist unmöglich, widerspräche zudem auch anderen Idealen (z. B. dem der Naturnähe: Alle Wanderwege behindertengerecht herzurichten könnte auch als Verschandelung der Natur bewertet werden).
Die Nutzung barrierefreier Angebote wird teils erschwert durch mangelnde Informationen sowohl über barrierefreie als auch behindernde Einrichtungen. So werden beispielsweise in Eingangsbereichen und innerhalb von Gebäuden vorhandene Barrieren durch standardisierte Reisekataloge oftmals nicht vermerkt.
Barrieren im Luftverkehr
Passagiere mit Mobilitätseinschränkungen (PRM) haben auf europäischen Kontinentalflügen keine Möglichkeit, eine Toilette aufzusuchen, da Fluggesellschaften weder einen Bordrollstuhl noch eine barrierefreie Toilettenkabine zur Verfügung stellen[7]. Auch die neue Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität, die am 26. Juli 2008 in Kraft trat, enthält keine Klausel zu barrierefreien Sanitärbereichen in Flugzeugen.
Mit Hilfe einer Online-Petition „Öffentliches Luftrecht – Barrierefreiheit im Flugverkehr“[8] soll nun auf diesen Missstand aufmerksam gemacht werden und ein erneuter politischer Diskurs in Gang gebracht werden. Auch Bundestags- und Europarlamentspolitiker haben sich des Anliegens angenommen. So fordert die Europaparlamentsabgeordnete Angelika Beer Fluggesellschaften auf, „mit der zügigen Umsetzung der EU-Verordnung ein barrierefreies Reisen zu ermöglichen“.[9]
Die Petition zur Barrierefreiheit im Flugverkehr ist noch nicht abgeschlossen. Als erstes Unternehmen reagierte die Lufthansa. Auf Anfrage versichert der Lufthansasprecher Jan Bärwalde, dass auch auf sogenannten Kurz- und Mittelstreckenflügen bei Voranmeldung nun Bordrollstühle mitgeführt werden.[10] Diese mündliche Aussage ist bisher jedoch nicht schriftlich festgehalten worden.[11]
Zielvereinbarung als Weg zu mehr Barrierefreiheit
Das Werkzeug der Zielvereinbarung eröffnet Behindertenverbänden in Deutschland die Möglichkeit, mit Kommunen, öffentlichen Institutionen und Unternehmen in Verhandlungen einzutreten, um Vereinbarungen über die Herstellung von Barrierefreiheit abzuschließen. So wird erreicht, dass gestaltete Lebensbereiche für alle zugänglich gemacht werden können.
Mit der Zielvereinbarung zwischen der Kreishandwerkerschaft Rureifel, der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. sowie dem Sozialverband VdK Nordrhein Westfalen e.V. wurde beispielsweise die erste Zielvereinbarung mit einer Körperschaft öffentlichen Rechtes in Deutschland über die Einhaltung der Barrierefreiheit im Internet abgeschlossen und erst die zweite überhaupt für den Bereich der barrierefreien Informationstechnik. Eine Zielvereinbarung läuft nach einem bestimmten vorgegebenen Procedere ab und wird nach Zielvereinbarungsverhandlungen durch eine schriftliche Vereinbarung beurkundet. [12]
Der Inhalt der in der Quelle genannten Zielvereinbarung darf (und soll sogar) selbstverständlich als Muster für Vereine und Institutionen der Behindertenhilfe in Deutschland verwendet werden.
Barrierefreiheit und Normung
- DIN-Fachbericht 124 (2002) Gestaltung barrierefreier Produkte
- Der Fachbericht enthält Richtwerte, Anforderungen und Empfehlungen für die barrierefreie Gestaltung von Produkten. Ziel des Fachberichtes ist es, dazu beizutragen, dass technische Produkte so entwickelt und hergestellt werden, dass sie von möglichst vielen Menschen selbstbestimmt und eigenverantwortlich genutzt werden können.
- DIN-Fachbericht 131 (2003) Leitlinien für Normungsgremien zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von älteren Menschen und von Menschen mit Behinderungen
- Identisch mit:
- CEN/CENELEC-Guide 6 Guidelines for standards developers to address the needs of older persons and persons with disabilities
- ISO/IEC Guide 71 Guidelines for standards developers to address the needs of older persons and persons with disabilities
- Der Fachbericht stellt Leitlinien für die Berücksichtigung der Bedürfnisse von älteren Menschen und von Menschen mit Behinderungen zur Verfügung. Er beschreibt zudem Körperfunktionen, menschliche Fähigkeiten sowie praktische Auswirkungen von Behinderungen.
- ISO TR 22411 (2008) Ergonomics data for the application of ISO/IEC Guide 71 to products and services to address the needs of older persons and persons with disabilities
- Dieser technische Report enthält umfangreiche ergonomische Daten und Leitlinien für die Anwendung des ISO/IEC Guide 71
Siehe auch
- Mobilität
- Zugänglichmachungsverordnung
- Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung
- Design für Alle (in IKT)
- Universal Design
Weblinks
Commons: Barrierefreiheit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Deutschsprachige Version des Europäischen Konzepts für Zugänglichkeit – Verwaltungen (European Concept for Accessibility - Administration) der Fürst-Donnersmarck-Stiftung von 2008
- «Zugang für alle» Schweizerische Stiftung zur behindertengerechten Technologienutzung
- Barrierefreiheit im Internet - einfach erklärt
- Barrierefreiheit in Museum und Bibliothek: Tagung und Dokumentation 2009
- Barrierefrei Spezialistensuche - Barrierefreies Bauen und Wohnen
- Behindertengerechte akustische Gestaltung
- Barrierefrei Planen und Bauen im öffentlichen Verkehrsraum
- Österr. Richtlinie Barrierefreier Öffentlicher Verkehr PDF-Datei, abgerufen am 7. November 2011
- Barrierefrei kommunizieren! Bundesweites Kompetenz- und Referenzzentrum
- Stiftung barrierefrei kommunizieren!
- Meldestelle für digitale Barrieren
Einzelnachweise
- ↑ Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit Rheinland-Pfalz: Barrierefreies Rheinland-Pfalz: DIN 18030 – zweiter Entwurf, Vorstellung und Diskussion, 13. Februar 2006 (PDF 560 kB)
- ↑ Verein HSM: Das Gesundheitswesen, barrierefreie Arztpraxen
- ↑ nullbarriere.de: Vorsicht Plagiat! „behindertenfreundlich“ – statt barrierefrei oder rollstuhlgerecht
- ↑ anderssehen.at: Stadt Graz denkt behindertenfreundlich
- ↑ Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung: Unbehinderte Mobilität, Leitfaden
- ↑ Amt für Straßen- und Verkehrswesen Kassel: Dokumentation „Kasseler Rollbord“, (PDF 1,5 MB)
- ↑ rechtaufklo.de: Kein Bordrollstuhl bei der Lufthansa, 30. Mai 2008
- ↑ Online-Petition Öffentliches Luftrecht – Barrierefreiheit im Flugverkehr, 6. November 2008 – 19. Dezember 2008
- ↑ angelika-beer.de: Recht auf Klo, 25. November 2008
- ↑ Kieler Nachrichten: Er kämpft für Barrierefreiheit über den Wolken, 29. November 2008
- ↑ Lufthansa.com: Informationen für Passagiere mit Mobilitätseinschränkung
- ↑ apicalart.de: Muster einer Zielvereinbarung
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